Im Bereich der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) wird eine Reform seit Langem von Wissenschaft, Unternehmen und Verbänden gefordert. Der am 14. Juli 2023 vom Bundesministerium für Finanzen vorgelegte Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes enthält nun die im Koalitionsvertrag als „praxistaugliche Anpassungen“ angekündigte Reform der Thesaurierungsbegünstigung. Die wichtigsten Änderungen sind im Folgenden zusammengefasst:
Überblick über die Thesaurierungsbegünstigung
Gewinne aus Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften unterliegen bei beteiligten natürlichen Personen grundsätzlich dem persönlichen Einkommensteuertarif (d.h. bis zu 45% zzgl. Annex-Steuern; Ausnahme Option nach § 1a KStG). Die einkommensteuerliche Thesaurierungsbegünstigung sieht vor, dass nicht entnommene Gewinne aus bestimmten Personenunternehmen mit dem Thesaurierungssteuersatz in Höhe von 28,25% (zzgl. Annex-Steuern) besteuert werden können (sog. Thesaurierungsbegünstigung). Erst bei einem Transfer auf die private Ebene der natürlichen Person kommt es – ähnlich wie bei einer Kapitalgesellschaft – zu einer Vollbesteuerung (sog. Nachversteuerung mit 25 % Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag).
Die Steuerbelastung auf nicht entnommene Gewinne soll hierdurch – im Sinne einer rechtsformneutralen Besteuerung – der Steuerbelastung einer Kapitalgesellschaft angenähert werden. Die bisherige Regelung war im Detail unvollkommen, wodurch das eigentliche Ziel (Belastungsniveau ähnlich einer Kapitalgesellschaft) nicht erreicht werden konnte.
Erhöhung des Thesaurierungsvolumens
Die begünstigte Besteuerung in Höhe von 28,25% Einkommensteuer kann bis zur Höhe des nicht entnommenen Gewinns („Thesaurierungsvolumen“) beantragt werden. Bisher reduzierten entnommene Steuern sowie die als Aufwand berücksichtigte Gewerbesteuer das Thesaurierungsvolumen, obwohl keine „echten Entnahmen“ vorlagen.
Der Entwurf des Wachstumschancengesetz sieht hierzu vor, dass der nicht entnommene Gewinn (= Steuerbilanzgewinn, abzgl. des positiven Saldos der Entnahmen und Einlagen) – anders als bisher – um die Gewerbesteuer des Wirtschaftsjahres erhöht wird. Zudem sollen Entnahmen zur Zahlung der Thesaurierungssteuer bei der Ermittlung des positiven Saldos der Entnahmen und Einlagen künftig außer Ansatz bleiben. Sofern neben der Gewerbesteuer keine weiteren außerbilanziellen Hinzurechnungen erfolgen und Entnahmen ausschließlich zur Zahlung der Thesaurierungssteuer getätigt werden, wäre damit erstmals eine Vollthesaurierung zu dem Thesaurierungssteuersatz von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag möglich.
Nachversteuerungsfreier Entnahmebetrag und verbesserte Verwendungsreihenfolge
Ab dem VZ 2025 soll erstmals ein nachversteuerungsfreier Entnahmebetrag („Altrücklagen“) ermittelt werden, der dem (positiven) Unterschiedsbetrag zwischen dem Thesaurierungsvolumen und der tatsächlich beantragten Begünstigung entspricht. Der nachversteuerungsfreie Entnahmebetrag setzt sich daher grundsätzlich aus steuerfreien Gewinnen sowie „freiwillig“ (keine volle Ausschöpfung des Thesaurierungsvolumens) zum normalen Tarif besteuerten Gewinnen zusammen.
Der nachversteuerungsfreie Entnahmebetrag wird jährlich gesondert festgestellt und vorgetragen (nachversteuerungsfreies Entnahmevolumen zum Ende eines Veranlagungszeitraums). Im Falle von Überentnahmen soll dieser künftig als vorrangig entnommen gelten. Lediglich über das festgestellte nachversteuerungsfreie Entnahmevolumen hinausgehende Überentnahmen würden daher künftig eine Nachversteuerung auslösen.
Leider sieht der Entwurf des Wachstumschancengesetz für die aus vor 2025 geendeten Wirtschaftsjahren „angesammelten“ Altrücklagen keine Übergangsregelung vor. Diese werden bei Ermittlung des nachversteuerungsfreien Entnahmebetrags nicht berücksichtigt.
Anpassung im Vorauszahlungsverfahren
Der Gesetzesentwurf ermöglicht ferner erstmals eine Berücksichtigung der Tarifbegünstigung nach § 34a EStG bereits bei der Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen.
Änderungen für Umstrukturierungen
Neben der „klassischen“ Überentnahme lösen auch Sonderfälle, insbesondere die Betriebsveräußerungen, die Einbringung und der Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, eine Nachversteuerung aus.
Nach aktueller Gesetzeslage wird dafür noch die Veräußerung bzw. Einbringung des ganzen Betriebs bzw. des gesamten Mitunternehmeranteils vorausgesetzt. Der Gesetzesentwurf sieht indes vor, dass bereits die Veräußerung/Einbringung eines Teils eines Einzelunternehmens/Teilbetriebs/Mitunternehmeranteils eine anteilige Nachversteuerung sowie einen anteiligen Untergang des nachversteuerungsfreien Entnahmevolumens auslöst.
Ebenfalls soll die unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs bzw. eines Teil-Mitunternehmeranteils an natürliche Personen dazu führen, dass der Rechtsnachfolger den nachversteuerungspflichtigen Betrag anteilig fortführt. Soweit ein nachversteuerungsfreies Entnahmevolumen vorhanden ist, geht ein solches ebenfalls auf den Rechtsnachfolger über.
Thesaurierungsbegünstigung trotz Optionsmodell weiterhin interessant
Insbesondere für die vielen ertragreichen, thesaurierenden Familienunternehmen dürfte die Reform der Thesaurierungsbegünstigung und insbesondere die Erhöhung des Thesaurierungsvolumens zu einer spürbaren Entlastung führen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei den Unternehmen, die bisher die Thesaurierungsbegünstigung – mit der Folge von hohen nachversteuerungspflichtigen Beträgen – in Anspruch genommen haben, eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft bzw. eine Anwendung des sog. Optionsmodells zu hohen Einmalabflüssen an Steuern führen würde.
Fazit/Ausblick
Auch wenn noch weitere Ergänzungen/Klarstellungen des Gesetzgebers wünschenswert wären (z.B. hinsichtlich des etwaigen Nachversteuerungseffekts infolge von Thesaurierungssteuer-Entnahmen), ist die Reform der Thesaurierungsbegünstigung vor dem Hintergrund der rechtsformneutralen Besteuerung sehr zu begrüßen.
Insbesondere die Erhöhung des Thesaurierungsvolumens dürfte zu einer spürbaren steuerlichen Entlastung von thesaurierenden Personengesellschaften/Einzelunternehmen führen. Daher ist darauf zu hoffen, dass der Gesetzgeber das Vorhaben weiterverfolgt und realisiert.
Weiterführende Informationen finden Sie in einem Beitrag der Autoren in FR 2023, S. 681.
Der Referentenentwurf zum Wachstumschancengesetz enthält eine Vielzahl steuerlicher Maßnahmen für Unternehmen. Die folgenden Maßnahmen werden in dieser Blog-Reihe tiefergehend betrachtet:
- Schaffung einer Klimaschutz-Investitionsprämie
- Stärkung der Forschungszulage
- Neufassung der Thesaurierungsbesteuerung gem. § 34a EStG
- Reform der Zinsschrankenregelung in § 4h EStG
- Gesteigerte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten
- Einführung einer Zinshöhenschrankenregelung
- Schaffung eines internationalen Risikobewertungsverfahrens
- Anpassung der Nachspaltungsveräußerungssperre in § 15 Abs. 2 UmwStG
- Ausweitung der Meldepflicht für Steuergestaltungen auf innerstaatliche Gestaltungen
- Verbesserung der ertragsteuerlichen Verlustnutzungsmöglichkeiten
- Steigerung der Attraktivität des Optionsmodells gem. § 1a KStG
- Erweiterung des Zuwendungsempfängerregisters
- Umsatzsteuerliche Maßnahmen und insbesondere elektronische Rechnungen