Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen (Teil 10)

26.07.2023 | FGS Blog

Ausweitung der Mitteilungspflicht auf steuerlich motivierte Gestaltungen ohne grenzüberschreitenden Bezug

Im Rahmen des Referentenentwurfs eines Wachstumschancengesetzes sieht das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wie schon im Koalitionsvertrag vereinbart und erst unlängst durch die Bundesregierung bekräftigt die Einführung einer Mitteilungspflicht (bestimmter) innerstaatlicher Steuergestaltungen vor. Im Kern sollen – unter der Vorbedingung des sogenannten Relevanztests – solche Steuergestaltungen mitteilungspflichtig sein, die die Kennzeichen des § 138l Abs. 3 AO-E erfüllen.

Hintergrund

Die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen wurde bereits Ende 2019 eingeführt und gilt (im Rahmen der prospektiven Mitteilungspflicht) für Gestaltungen, bei denen das maßgebliche Ereignis (z.B. erster Umsetzungsschritt, vgl.§ 138f Abs. 2 AO) nach dem 30.6.2020 eingetreten ist. Schon im Gesetzgebungsverfahren zur Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen war zwischenzeitlich die Einführung einer Pflicht zur Mitteilung innerstaatlicher Gestaltungen vorgesehen, letztlich aber nicht umgesetzt worden. Im Zuge der Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition nach der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag war diese Initiative erneut aufgegriffen worden. Die Koalitionsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag die Absicht erklärt, die bereits eingeführte Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auch auf nationale Steuergestaltungen von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro auszuweiten. Erst kürzlich hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU den politischen Willen bekräftigt, die Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen auch auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen auszuweiten und die hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen in der 20. Legislaturperiode zu schaffen. Dies ist nun – im Ergebnis nicht unerwartet, in zeitlicher Hinsicht dennoch überraschend – mit dem Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes erfolgt.

Mitteilungspflichtige Gestaltungen

Verständnis einer innerstaatlichen Steuergestaltung

Unter einer innerstaatlichen Steuergestaltung soll jede Gestaltung zu verstehen sein, die keine innerstaatliche Steuergestaltung (§ 138d Abs. 2 i.V.m. § 138e AO) ist, die eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer zum Gegenstand hat, die mindestens ein Kennzeichen i.S.d. § 138l Abs. 3 AO-E erfüllt und von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung der wesentlichen Fakten oder Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Damit ist – im Gegensatz zu einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung – ein grenzüberschreitender Bezug gerade nicht Voraussetzung einer innerstaatlichen Steuergestaltung. Zudem ist bemerkenswert, dass im Rahmen der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen immer der sogenannte Relevanztest (Main-Benefit-Test) erfüllt sein muss.

Kennzeichen mitteilungspflichtiger Steuergestaltungen

Die Kennzeichen mitteilungspflichtiger innerstaatlicher Steuergestaltungen gem. § 138l Abs. 3 AO-E entsprechen zum Teil denen des § 138e Abs. 1 AO. Daneben sollen jedoch auch gänzlich neue Kennzeichen eingeführt werden:

Gestaltungen sollen mitteilungspflichtig sein,

  • die zum Gegenstand haben, dass derselbe steuererhebliche Sachverhalt entweder mehreren Nutzern oder anderen Steuerpflichtigen oder aber einem Nutzer oder Steuerpflichtigen mehrfach zugeordnet werden soll. Darüber sollen Konstellationen erfasst werden, die zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Mehrfachberücksichtigung und daher zu einer Verringerung von Steueransprüchen beitragen.
  • in denen durch aufeinander abgestimmte Rechtsgeschäfte zweckgerichtet steuerwirksame Verluste und ganz oder teilweise steuerfreie Einkünfte erzeugt werden. Hiermit sollen insbesondere sogenannte Kopplungsgeschäfte über gegenläufige Derivategeschäfte zur Mitteilung gebracht werden.
  • bei denen ein Beteiligter unangemessene rechtliche Schritte unternimmt, um für sich oder einen Dritten einen steuerlichen Vorteil im Bereich des Kapitalertragsteuerabzugs zu erzeugen.

Anforderungen an den Nutzer mitteilungspflichtiger Steuergestaltungen

Eine Verpflichtung zur Mitteilung besteht nach § 138l Abs. 5 AO-E nur dann, wenn bestimmte, den Nutzer betreffende Voraussetzungen bzw. Größenkriterien erfüllt sind. Konkret sind dies (alternativ) umsatzsteuerbare Umsätze von mindestens EUR 50 Mio., eine Summe positiver Einkünfte von mehr als EUR 2 Mio. oder ein (um nach § 8b KStG steuerfreie Einkünfte erhöhte) Einkommen nach § 8 Abs. 1 KStG von mehr als EUR 2 Mio. Eine Verpflichtung soll außerdem grundsätzlich bestehen in Konzernfällen, bei einer Ausländerbeherrschung, bei einem Investmentfonds bzw. Spezialinvestmentfonds sowie bei bestimmten Anlegern in (Spezial-) Investmentfonds. Schließlich sollen eine Mitteilungspflicht auch dann bestehen, wenn im Rahmen einer erbschaft- oder schenkungsteuerlich relevanten Übertragung Vermögen im Wert von mindestens EUR 4 Mio. Gegenstand der Gestaltung ist sowie bei (mittelbaren) Erwerben grundbesitzender Gesellschaften mit einem Grundbesitzwert von mindestens EUR 5 Mio.

Zur Mitteilung verpflichteter Personenkreis

Wie auch im Rahmen der Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen obliegt die Mitteilungspflicht in erster Linie dem sogenannten Intermediär bzw. dem selbst konzipierenden Nutzer.

Fazit

Die Absicht der Einführung einer Mitteilungspflicht auch für innerstaatliche Steuergestaltungen ist auch angesichts der Erfahrungen mit der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen kritisch zu sehen. Dies gilt zum einen mit Blick auf die – ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU – durchaus überschaubaren Erkenntnisse aus den bisherigen Mitteilungen. Zum anderen gilt dies aber auch deshalb, weil die geplante Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen in ihrer konkreten Ausgestaltung etwa auf den sogenannten Relevanztest und u.a. verschiedenen Kennzeichen (so etwa die „standardisierten Gestaltungen“ und die „Umwandlung von Einkünften“) Bezug nimmt, die schon im Rahmen der bestehenden Mitteilungspflicht für erhebliche Auslegungsschwierigkeiten und damit Rechtsunsicherheit sorgen.

 

Der Referentenentwurf zum Wachstumschancengesetz enthält eine Vielzahl steuerlicher Maßnahmen für Unternehmen. Die folgenden Maßnahmen werden in dieser Blog-Reihe tiefergehend betrachtet: