Der Referentenentwurf des Wachstumschancengesetz, den das Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorgelegt hat, sieht auch zahlreiche umsatzsteuerrechtliche Änderungen vor, über die der folgende Beitrag einen Überblick verschaffen soll.
Verpflichtende eRechnung
Zentrale Gesetzesänderung aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht ist die Einführung der verpflichtenden elektronischen Rechnung bei Leistungen zwischen Unternehmern (B2B), deren Hintergründe bereits Gegenstand unseres Blogbeitrags vom 20.04.2023 waren. Nach dem aktuellen Referentenentwurf soll die elektronische Rechnung für inländische B2B-Leistungen ab 2025 verpflichtend sein.
Die eRechnungs-Pflicht kommt nicht überraschend, da bereits der „VAT in the Digital Age“ (ViDA)-Richtlinienentwurf der EU-Kommission aus Dezember 2022 eine solche vorsieht und auch das BMF im April 2023 einen entsprechenden Diskussionsentwurf veröffentlicht hat. Das macht sie aber nicht weniger brisant, denn sie erfordert – relativ kurzfristig – weitreichende Umstellungen der Rechnungstellungsprozesse bei betroffenen Unternehmen. Dies wird gerade kleine und mittlere Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Es geht dabei nicht darum, Belege künftig ausschließlich elektronisch und nicht auf Papier auszustellen. Vielmehr müssen Rechnungen in bestimmten Datenformaten übermittelt werden, die der Finanzverwaltung eine schnelle Kontrolle ermöglichen und Umsatzsteuerausfälle verhindern sollen.
Wie bereits im Diskussionsentwurf vorgesehen, streicht auch der Referentenentwurf den Vorrang der Papierrechnung. Eine elektronische Rechnung wird definiert als eine Rechnung mit einem strukturierten elektronischen Format nach europarechtlichen Vorgaben, die eine elektronische Verarbeitung ermöglicht.
Für alle anderen Rechnungen wird der Oberbegriff der „sonstigen Rechnung“ geschaffen. Hierunter fällt jede Rechnung, die nicht die Voraussetzungen der eRechnung erfüllt, also neben Rechnungen auf Papier auch Rechnungen in elektronischer Form (z. B. per PDF), die von den Vorgaben zur eRechnung abweichen.
Erleichterungen durch Übergangsregelungen und Ausnahmen
Im Rahmen der Verbändeanhörung zum Diskussionsentwurf wurde vor allem der kurze Umstellungszeitraum zum 01.01.2025 kritisiert.
Zwar soll die eRechnung nun nach wie vor 2025 eingeführt werden. Es sind jedoch zwei Übergangsregelungen vorgesehen: Bis Ende 2025 können Rechnungen weiterhin auf Papier und vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers auch in einer (sonstigen) elektronischen Form ausgestellt werden.
Innerhalb einer erweiterten Übergangsfrist bis Ende 2027 muss die Rechnung sodann zwar bereits in einem elektronischen Format ausgestellt und über einen EDI (Electronic Data Interchange)-Kanal übermittelt werden. Mit Zustimmung des Rechnungsempfängers kann jedoch auch noch ein Format gewählt werden, das die Vorgaben für eRechnungen nicht erfüllt.
Zu begrüßen ist schließlich auch die Ausnahme für Kleinbetragsrechnungen und Fahrausweise. Hier bleibt die Ausstellung von Rechnungen jeglicher Art weiter zulässig, was vermeidet, dass Geschäfte des täglichen Lebens durch Digitalisierungsvorgänge unverhältnismäßig erschwert werden.
Bedauernswert ist jedoch, dass es kein EU-weit abgestimmtes Verfahren und System gibt, sodass sich international tätige Unternehmen mit zahlreichen unterschiedlichen Vorgaben befassen müssen und kaum einen einheitlichen Standard festlegen können.
Klarstellungen bei der Steuerermäßigung für gemeinnützige Einrichtungen
Der Gesetzesentwurf stellt klar, dass die Prüfung der Wettbewerbsrelevanz für den ermäßigten Steuersatz bei Leistungen eines Zweckbetriebs einer gemeinnützigen Körperschaft nur dann durchzuführen ist, wenn es sich um einen Zweckbetrieb i.S.d. §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung handelt.
Entsprechend einschlägiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) wird außerdem klargestellt, dass die Körperschaften mit ihren Zweckbetrieben die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen, wenn die Leistungsempfänger oder an der Leistungserbringung beteiligte Personen vom steuerbegünstigten Zweck der Einrichtung erfasst werden.
Weitere Gesetzesänderungen zum 01.01.2024
Neben einigen redaktionellen Anpassungen ist ferner insbesondere auf die nachfolgenden Gesetzesänderungen hinzuweisen:
- Unter gewissen Voraussetzungen ist eine Steuerbefreiung für Einrichtungen vorgesehen, die als Verfahrenspfleger bestellt werden.
- Für die Land- und Forstwirtschaft sind neben Anpassungen bei der Steuerbefreiung auch Änderungen der Durchschnittsätze geplant.
- Das Reverse-Charge-Verfahren kommt bei Umsätzen mit Emissions-, Gas- und Elektrizitätszertifikaten auch dann zur Anwendung, wenn die beteiligten Unternehmer übereinstimmend von einer Steuerschuldumkehr ausgegangen sind, auch wenn die Voraussetzungen objektiv nicht gegeben sind.
- Außerdem soll der Grenzbetrag für die Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) auf 800.000 Euro erhöht werden.
Schließlich sind einige Änderungen vorgesehen, die vor allem kleinere Unternehmer betreffen. So wird die Befreiungsgrenze für die (quartalsweise) Voranmeldungspflicht auf 2.000 Euro Zahllast erhöht. Auch Kleinunternehmer werden von der Erklärungspflicht befreit. Daneben kann der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nun bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres erklärt werden.
Fazit
Unternehmer sollten prüfen, welche der Gesetzesänderungen sie potenziell betreffen könnten. Für die verpflichtende eRechnung wird das wohl für nahezu sämtliche Unternehmen der Fall sein. Da die Anwendung der erweiterten Übergangsfrist bis Ende 2027 von der Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängt, sollten Unternehmen, die die Rechnungstellung nicht rechtzeitig umstellen können, diese Zustimmung bereits bei Vertragsschluss einholen.
Davon abgesehen gilt, dass Unternehmen möglichst zeitnah die Umstellung auf die eRechnung nach den europäischen Vorgaben anstoßen sollten, denn aufgrund der ViDA („VAT in the Digital Age“)-Initiative ist anzunehmen, dass die elektronische Rechnung – und dieser folgend auch ein elektronisches Meldesystem – in der Geschäftswelt der EU zum Standard werden wird.
Der Referentenentwurf zum Wachstumschancengesetz enthält eine Vielzahl steuerlicher Maßnahmen für Unternehmen. Die folgenden Maßnahmen werden in dieser Blog-Reihe tiefergehend betrachtet:
- Schaffung einer Klimaschutz-Investitionsprämie
- Stärkung der Forschungszulage
- Neufassung der Thesaurierungsbesteuerung gem. § 34a EStG
- Reform der Zinsschrankenregelung in § 4h EStG
- Gesteigerte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten
- Einführung einer Zinshöhenschrankenregelung
- Schaffung eines internationalen Risikobewertungsverfahrens
- Anpassung der Nachspaltungsveräußerungssperre in § 15 Abs. 2 UmwStG
- Ausweitung der Meldepflicht für Steuergestaltungen auf innerstaatliche Gestaltungen
- Verbesserung der ertragsteuerlichen Verlustnutzungsmöglichkeiten
- Steigerung der Attraktivität des Optionsmodells gem. § 1a KStG
- Erweiterung des Zuwendungsempfängerregisters
- Umsatzsteuerliche Maßnahmen und insbesondere elektronische Rechnungen