Die Betriebsstätte bildet einen zentralen Anknüpfungspunkt für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Ferner setzt die deutsche Gewerbesteuer das Vorliegen einer Betriebsstätte im Inland voraus. Mit dem Vorliegen einer sogenannten „Dienstleistungsbetriebsstätte“ hatten sich in letzter Zeit das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg sowie der Bundesfinanzhof (BFH) auseinandergesetzt. Die Finanzverwaltung hat diese Entwicklungen nun aufgegriffen und ihre Position im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 12 AO festgeschrieben.

Hintergrund

Eine Betriebsstätte ist nach § 12 Satz 1 AO eine feste und für eine gewisse Dauer mit der Erde verbundene Geschäftseinrichtung, über die der Steuerpflichtige eine gewisse Verfügungsmacht haben muss. Diese Merkmale können grundsätzlich auch für die Geschäftsräume eines Dienstleisters des Unternehmens erfüllt sein – und zwar auch dann, wenn der Dienstleister kein eigenes Nutzungsrecht an den Geschäftsräumen vereinbart hat. Das Vorliegen einer Betriebsstätte kann sich außerdem aus § 12 Satz 2 AO ergeben, wonach auch die Stätte der Geschäftsleitung eine Betriebsstätte begründet. Von besonderer praktischer Relevanz ist diese

Die Frage, ob unter welchen Voraussetzungen die Beauftragung einer inländischen Dienstleistungsgesellschaft eine inländische Betriebsstätte des ausländischen Auftraggebers begründet, ist praktisch insbesondere im Rahmen der Vermietung von im Inland belegenen Immobilien durch ausländische Kapitalgesellschaft von Bedeutung. Denn wird keine Betriebsstätte begründet, unterliegen die hieraus erzielten Erträge zwar der Körperschaft-, nicht jedoch der Gewerbesteuer (sog. No-PE-Strukturen). In einem so gelagerten Fall hatte das FG Berlin-Brandenburg im ersten Rechtsgang (v. 21.11.2019 – 9 K 11108/17) allerdings eine Betriebsstätte bejaht und dies mit dem Vorliegen einer „engen wirtschaftlichen Verflechtung“ zwischen dem ausländischen Vermieter (Auftrageber) und der für ihn im Inland tätigen Hausverwaltungsgesellschaft (Dienstleister) bejaht. Dieses Verständnis schränkte der BFH (v. 23.3.2022 – III R 35/20, FGS Blog I Begründung einer Betriebsstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft?) im Revisionsverfahren jedoch dahingehend ein, dass die bloße Beauftragung einer inländischen Dienstleistungsgesellschaft ohne weitere Umstände nicht zu einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Auftraggebers führt. Nach Zurückverweisung an das FG Berlin-Brandenburg entschied dieses im zweiten Rechtsgang (v. 28.6.2023 – 11 K 11108/17 FGS-Blog I Begründung einer Betriebsstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft?), dass zwar im Streitfall keine feste Geschäftseinrichtung der Klägerin im Inland vorlag. Allerdings bestätigte es das Vorliegen einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte anknüpfend an den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung nach § 10 AO. Dieser liegt nämlich dort, wo die „Tagesgeschäfte“ wahrgenommen werden. Diese wurden im Streitfall durch die Dienstleistungsgesellschaft ausgeübt bzw. konnte der Auftraggeber im Ausland etwas Gegenteiliges nicht nachweisen.

Position der Finanzverwaltung

An die Rechtsprechung des FG Berlin-Brandenburg und des BFH knüpfen nun die Ausführungen im neugefassten AEAO zu § 12 AO an:

  • Eine teilweise oder umfassende Beauftragung eines Dienstleisters allein reicht grundsätzlich nicht aus, damit ein Unternehmen in dessen Räumen eine Betriebstätte begründet.
  • Allerdings kann ein Unternehmen eine Betriebstätte in den Räumen des Dienstleisters haben, wenn es dort eigene betriebliche Handlungen mit einer gewissen Nachhaltigkeit vornimmt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn das auftraggebende Unternehmen den Dienstleister vor Ort tatsächlich überwacht. Unterstellt wird dies, sofern die Geschäftsleitung beim Auftraggeber und Auftragnehmer in Personalunion wahrgenommen werden.
  • Das Vorliegen einer Betriebsstätte ist ausnahmsweise dann nicht an eine Verfügungsmacht geknüpft, wenn einem Unternehmen der "sachliche und personelle Organismus" des Dienstleisters zur Verfügung steht und es somit seine unternehmerische Tätigkeit in den Räumen des Dienstleisters "operativ" ausüben kann.
  • Außerdem kann eine Betriebstätte dann in den Räumen des Dienstleisters bestehen, wenn dort die Geschäftsleitung des Auftraggebers von dem Auftragnehmer tatsächlich ausgeübt wird (Geschäftsleitungsbetriebsstätte).
  • Ob eine Geschäftseinrichtung oder Anlage einem Betrieb unmittelbar „dient“, ist daran festzumachen, ob in dem Objekt eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird. Es kommt insoweit auf eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit an.

Praxisfolgen

Von besonderer Relevanz sind die ergänzten Ausführungen der Finanzverwaltung im AEAO für ausländische Immobiliengesellschaften mit inländischem Grundbesitz. Dies deshalb, weil insbesondere die Einschaltung einer Hausverwaltung, die für die Immobilien im Inland zuständig ist, in der Begründung einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte münden kann. Zur Vermeidung eines steuerlichen Anknüpfungspunktes im Inland bedarf es daher einer sorgfältigen Nachweisführung, dass von deutschem Boden aus keinerlei geschäftsleitenden Entscheidungen getroffen werden. Bloße mündliche Behauptungen, dass beispielsweise die Vertragsfreigabe oder Zeichnung von Steuererklärungen im Ausland erfolgen, sind nicht ausreichend. Vielmehr sollte eine Beweisvorsorge auf Grundlage von E-Mails, SMS- und WhatsApp-Nachrichten oder Briefen getroffen werden. Gleiches gilt für konzernintern eingeschaltete Dienstleister: Aufgesetzte Dienstleistungsverträge nebst Vollmachten sollten eindeutige Formulierungen enthalten, die geschäftsleitende Tätigkeiten im Inland ausschließen. Dies muss freilich auch tatsächlich so gelebt werden.

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Das Bundesfinanzministerum hat eine auf den 5. Februar 2024 datierte Neufassung des AEAO zu § 12 AO veröffentlicht. In dem Update wird das Verständnis des Begriffs „Betriebsstätte“ deutlich ausführlicher dargelegt als dies bislang der Fall war, daneben wird auch die Auffassung der Finanzverwaltung zum Ort der Geschäftsleitung durch den AEAO zu § 10 AO nunmehr artikuliert. Unsere Kollegen Sven-Eric Bärsch und Daniel Keuper geben in ihrem Blog-Beitrag einen ersten Überblick.

Begründet das Homeoffice eine Betriebsstätte? Das Bundesfinanzministerium äußert sich in dem Update des AEAO erstmals zu der seit langem umstrittenen Frage, ob bzw. wann die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen eigenen vier Wänden zu einer Betriebsstätte des Arbeitgebers führt. Lesen Sie dazu den Blog-Beitrag unsere Kollegen Christoph Klein und Yannick Barbu.