Aufgrund ihrer Funktion als Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Steuerpflicht ist das Vorliegen („Ob“) internationaler Betriebsstätten immer häufiger ein Grund für Steuerstreitigkeiten mit in- und ausländischen Finanzbehörden. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat eine auf den 5. Februar 2024 datierte Neufassung des AEAO zu § 12 AO veröffentlicht und sein Verständnis des Begriffs „Betriebsstätte“ deutlich ausführlicher dargelegt als dies bislang der Fall war; außerdem wird die BMF-Auffassung zum Ort der Geschäftsleitung durch AEAO zu § 10 AO nunmehr artikuliert (dazu im Detail hier).
A. Hintergrund
Das Vorhandensein einer Betriebsstätte setzt gem. § 12 Satz 1 AO
- eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus,
- die von einer gewissen Dauer ist,
- der Tätigkeit des Unternehmens dient und
- über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat,
voraus.
Wenn ein deutsches Unternehmen eine Betriebsstätte im Ausland hat, dann darf der ausländische Betriebsstättenstaat die nach Fremdvergleichsgrundsätzen abgegrenzten Gewinne der Betriebsstätte besteuern, wohingegen der deutsche Ansässigkeitsstaat diese Gewinne regelmäßig freizustellen hat. Entsprechendes gilt für ausländische Unternehmen, die in Deutschland eine Betriebsstätte belegen haben.
Die somit sehr bedeutsame Definition der Betriebsstätte wird nunmehr im AEAO zu § 12 AO konkretisiert. Hierbei werden zahlreiche (auch jüngere) Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) berücksichtigt und von der Finanzverwaltung zu eigen gemacht. Nach Ansicht des BMF erfordert das Bestehen einer Betriebsstätte somit, dass in gewissen Räumlichkeiten eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt. Das BMF lässt jedoch offen, welche konkreten Umstände zu einer solchen „Verwurzelung“ führen können. Es ist hierfür zwar grundsätzlich erforderlich, dass das Unternehmen eine Rechtsposition innehat, die diesem nicht ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann. Nicht ausreichend sind eine tatsächliche Mitbenutzung, die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen oder die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit. Jedoch stellt das BMF auch klar, dass eine lediglich „allgemeine rechtliche Absicherung” oder eine ständige Nutzungsbefugnis tatsächlicher Art ausreichen können, wenn die Verfügungsmacht nicht bestritten wird.
B. Eigene Betriebsstätte in den Räumlichkeiten eines Dritten
Nach Ansicht des BMF kann ein Unternehmen eine Betriebstätte auch in den Räumlichkeiten irgendeines Dritten (z. B. Kunde, Geschäftsleiter, Subunternehmer) begründen. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen rechtlich befugt ist, diese Räumlichkeiten nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn eigene Arbeitnehmer dort tätig werden. Entsprechendes soll aber auch bei „fremden“ Arbeitnehmern gelten, die dem Unternehmen überlassen wurden und dessen Weisungen unterliegen, so z. B. in bestimmten Entsendungsfällen.
Eine hinreichende Nutzungsbefugnis soll bereits dann vorliegen, wenn das Unternehmen irgendeinen geeigneten Raum des Gebäudes oder einer wechselnde Teilfläche eines Grundstücks ständig nutzen darf. Eine Befugnis des Grundeigentümers, dem Unternehmen einen anderen Raum oder eine andere Teilfläche zuzuweisen, stehe der Annahme einer Betriebstätte nach Ansicht des BMF nicht entgegen. Dies kann in der Praxis auch bei Co-Working-Spaces relevant sein.
C. „Unechte“ Dienstleistungsbetriebsstätte eines Auftraggebers
Das BMF führt zu Dienstleistungs- oder Managementgesellschaften mit Verweis auf die Rechtsprechung (siehe FGS Blog v. 24.8.2022) aus, dass die Übertragung der Aufgaben eines Unternehmens (Auftraggeber) auf einen selbstständig tätigen Dritten (Auftragnehmer) allein nicht ausreichen soll, dass der Auftraggeber in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers eine Betriebstätte begründet.
Eine Betriebstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers soll nach Ansicht des BMF allerdings dann bestehen, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer vor Ort in dessen Räumen nachhaltig überwacht; dies soll insbesondere in Fällen einer Personenidentität der Leitungsorgane von Auftraggeber und Auftragnehmer anzunehmen sein. Eine hierdurch begründete Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten des Auftragnehmers soll nach Ansicht des BMF jedoch dann nicht erforderlich sein, wenn der Auftraggeber aufgrund eines zur Verfügung stehenden „sachlichen und personellen Organismus“ in der Lage ist, seiner unternehmerischen Tätigkeit in den Räumen des Auftragnehmers „operativ“ nachzugehen. Welche Konstellationen das BMF in der Praxis konkret vor Augen hat, bleibt aber unklar. Weitere Details dazu finden Sie im Blog-Beitrag unserer Kollegen Carsten Quilitzsch, Gabriel Hörnicke und Stefanie Rötting.
D. (Keine) Betriebsstätte im Homeoffice
Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichen Räumlichkeiten (Homeoffice) soll in der Regel keine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründen. Dies gilt auch in den folgenden Konstellationen:
- Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
- Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen;
- Fälle, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird und hierdurch das Unternehmen von seinem Arbeitnehmer faktisch verlangt, das Homeoffice zu nutzen.
Das BMF begründet dies damit, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten Arbeitnehmer verfügt. Diese restriktivere Auffassung teilt auch die herrschende Meinung in der Literatur, wenngleich sie in Teilen vom Verständnis ausländischer Staaten abweichen kann. Etwas anderes kann nach Ansicht des BMF jedoch dann gelten, wenn ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen im Homeoffice ausübt, d. h. in diesem kann das Homeoffice eine Betriebsstätte des Arbeitgebers darstellen. Weitere Details dazu finden Sie im Blog-Beitrag unserer Kollegen Christoph Klein und Yannick Barbu.
E. Geschäftsleitungsstätte
§ 12 AO enthält in seinem Satz 2 grundsätzlich eine Definitionserweiterung, die (in Teilen) nicht notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetzt, insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) ist hier zu nennen.
Das BMF vertritt dabei die Auffassung, dass jedes Unternehmen insoweit zumindest eine am Ort der Geschäftsleitung zu lokalisierende Betriebstätte hat. Dies gilt in der Regel auch bei Gewerbetreibenden, die ihr Gewerbe an wechselnden Orten ausüben, ohne jedoch an diesen Orten (weitere) Betriebstätten zu begründen, z. B. Berufssportler. Dabei kann auch die Wohnung des Gewerbetreibenden bzw. Geschäftsleiters als Geschäftsleitungsbetriebstätte angesehen werden, falls dort die geschäftliche Planung vorgenommen wird und keine andere feste Geschäftseinrichtung vorhanden ist.
Sie möchten dazu mehr erfahren? Auf das Verständnis der Finanzverwaltung bezüglich des Ortes der Geschäftsleitung gehen unsere Autoren in einem eigenständigen Blog-Beitrag ein.
F. Fazit
Als steuerlichen Anknüpfungspunkt bleiben Betriebsstätten eine große Herausforderung für international tätige Unternehmen. Dennoch sind die Anpassungen des AEAO zu § 12 AO zu begrüßen, da die BMF-Auffassung kompakt dargelegt wird und der bisherigen deutschen Rechtsprechung folgt, wodurch mehr Rechtssicherheit ausgestrahlt wird.
Sprechen Sie gerne die Autoren oder Ihre gewohnten FGS-Kontakte an, wenn Sie die in diesem Blog-Beitrag diskutierte Thematik der Betriebsstätte ausführlicher erörtern möchten.
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