Am 20.7.2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Entwurf für einen neugefassten Anwendungserlass zum Außensteuergesetz (AEAStG) veröffentlicht. Damit sollen der aus dem Jahr 2004 stammende AEAStG (BMF-Schreiben v. 14.5.2004) ersetzt und die Vorgaben für die Finanzverwaltung an den aktuellen Rechtsstand des AStG angepasst werden.
Während Verrechnungspreisthemen bereits in den VWG Verrechnungspreise 2023 (BMF-Schreiben v. 6.6.2023; siehe Blog-Beitrag) abgehandelt werden, beschränkt sich der nun vorgelegte AEAStG-E auf die übrigen Regelungsbereiche des AStG. Nachfolgend werden die wesentlichen und nunmehr angedachten Neuerungen im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung gegenüber dem AEAStG 2004 zusammengefasst:
1. Verhältnis der allgemeinen zur erweiterten und zur verschärften Hinzurechnungsbesteuerung
- Die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung betrifft niedrigbesteuerte passive Einkünfte aus einer beherrschten Auslandsgesellschaft. Die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter nach § 13 AStG soll nur (und damit nachrangig) zur Anwendung kommen, wenn die Einkünfte aus einer nicht beherrschten Auslandsgesellschaft stammen (Tz. 200).
- Die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung nach dem StAbwG knüpft dagegen nicht an das Vorliegen passiver Einkünfte, sondern daran an, dass die ausländische Gesellschaft in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist (siehe Blog-Beitrag). Aus Sicht der Verwaltung soll die verschärfte grundsätzlich vorrangig vor der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung Anwendung finden (Tz. 201).
2. Beherrschungstatbestand
- Nach der durch das ATADUmsG eingeführten gesellschafterbezogenen Beherrschungskonzeption sind in die Beherrschungsprüfung dem Steuerpflichtigen nahestehende Personen miteinzubeziehen.
- Die Beherrschung kann auf vier Arten erfolgen, nämlich durch eine mehr als hälftige Zurechnung von Stimmrechten oder des Nennkapitals der ausländischen Gesellschaft bzw. ein mehr als hälftiges Zustehen von Ansprüchen auf deren Gewinn oder Liquidationserlös. Die beiden letzteren Beherrschungsmerkmale sind neu und bisher unbestimmt. Der AEAStG-E (Tz. 276) stellt insoweit auf hybride Finanzierungsinstrumente ab, wobei aber eine Differenzierung unterbleibt, ob deren Qualifikation als Fremdkapital genügt (wohl ja) oder eine Qualifikation als eigenkapitalähnliches Instrument erforderlich ist (wohl nein).
- Die Definition der nahestehenden Person wird im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung erweitert auf ein Nahestehen durch abgestimmtes Verhalten. Aus Verwaltungssicht soll es insoweit auf die gelebten Gesamtumstände ankommen (Tz. 292), z.B. Stimmbindungsverträge und andere Rechtsbeziehungen (Tz. 293) oder die Familienangehörigkeit (Tz. 295).
- Die Unterstellung, dass Mitunternehmer einer Personengesellschaft durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirken soll dadurch widerlegt werden können, dass bspw. ein „Blindpool“ besteht, wie er bei Private Equity-Fonds jedenfalls in der Gründungsphase vorkommt (Tz. 301). Im Übrigen ist auch der Nachweis von Meinungsverschiedenheiten möglich. Leider lässt die Verwaltung offen, wie dieser Nachweis konkret geführt werden kann.
3. Aktivkatalog
- Die Erläuterungen zur funktionalen Betrachtungsweise werden ergänzt um einen Verweis (Tz. 322) auf das BFH-Urteil vom 18.12.2019 (I R 59/17, separate Beurteilung von Tätigkeiten mit erheblichem wirtschaftlichen Eigengewicht).
- Für Einkünfte aus Versicherungs- und Bankgeschäften (Nr. 3) ist nicht erforderlich, dass das Versicherungsunternehmen oder Finanzinstitut formal durch eine lokal zuständige Aufsichtsbehörde genehmigt ist. Allerdings soll dies als Indiz für aktive Einkünfte gewertet werden (Tz. 345).
- Wesentliche Neuerungen hinsichtlich der schädlichen Mitwirkung (Nr. 4, 5 und 6) sind bedauerlicherweise unterblieben. Neu und zu begrüßen ist jedoch der Hinweis, dass das Vorliegen einer Konzernrichtlinie oder einer „repräsentativen Unterschrift“ noch keine schädliche Mitwirkung begründet und dies auch für Monitoring, Compliance, Reporting sowie Hilfs- und Unterstützungstätigkeiten gelten soll (Tz. 366).
- Hinsichtlich des Aktivkatalogs wohl am bedeutendsten sind die Erläuterungen i.Z.m. Rechteüberlassungen (Nr. 6 Buchst. a). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll eigene Forschungs- und Entwicklungstätigkeit dann vorliegen, wenn die ausländische Gesellschaft selbst Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung mit eigenem Personal und in eigenen Einrichtungen betreibt und die daraus gewonnenen Ergebnisse durch Lizenzierung oder vergleichbare Tätigkeiten verwertet werden (Tz. 384 f.). Auftragsforschung soll nicht als eigene F&E-Tätigkeit i.S.d. Vorschrift qualifizieren, es sei denn, dass die erworbenen Kenntnisse durch eigene Tätigkeiten wesentlich und insbesondere zur Marktreife weiterentwickelt werden (Tz. 387).
- Betreffend Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG (Nr. 7) soll das tatsächlich der Besteuerung der leistenden Zwischengesellschaft zugrunde liegende Einkommen ohne eine Beurteilung nach deutschem Recht maßgeblich sein (Tz. 402).
- Für das Vorliegen einer (Auslands-)Umwandlung (Nr. 9) ist auf den Umwandlungssteuererlass 2011 abzustellen (Tz. 420). Die Frage, ob Wirtschaftsgüter der Erzielung aktiver Einkünfte dienen, soll unter Berücksichtigung des gesamten Nutzungszeitraum sowie für jedes Wirtschaftsgut gesondert festzustellen sein (Tz. 425). Dienen die Wirtschaftsgüter der Erzielung passiver Einkünfte, können Einkünfte aus der Umwandlung aktiv sein, sofern die Umwandlung entweder hypothetisch (nach inländischen Maßstäben, Tz. 428) oder tatsächlich (nach ausländischer Rechnungslegung, Tz. 431) zu Buchwerten erfolgt ist.
4. Substanztest
- Für Zwecke des Substanztests rezipiert der AEAStG-E (Tz. 434 ff.) im Wesentlichen die – weitgehend überschießenden – Kriterien des BMF-Schreibens v. 17.3.2021. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen (siehe Blog-Beitrag).
- Der Substanztest soll auch dann erbracht werden können, wenn Leistungen an nahestehende Personen erbracht werden (Tz. 440). Schädlich soll hingegen die Leistungserbringung an ausländische Betriebsstätten sein (Tz. 441).
- Der Substanztest soll nur für solche Einkünfte anwendbar sein, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (Tz. 454). Diese Sichtweise ist fragwürdig, wird doch der darüberhinausgehende Gewinn regelmäßig bereits durch die Verrechnungspreisvorschriften erfasst.
- Ein schädliches Outsourcing auf (auch nahestehende) Dritte soll insbesondere durch Betriebsführungs- und Managementverträge erfüllt sein (Tz. 456 f.). Weitere praxisrelevante Ausführungen oder Einschränkungen sind leider unterblieben (bspw. zur Frage des Outsourcing im EU/EWR-Gebiet).
- Für das Vorliegen eines hinreichenden Informationsaustauschs soll es erforderlich sein, dass dieser (entgegen der Rechtsprechung) tatsächlich und binnen einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird (Tz. 477 f.).
5. Niedrigbesteuerung
- Die Ausführungen zur Niedrigbesteuerung gehen kaum über jene im AEAStG 2004 hinaus.
- Mit Hinweis auf den BFH-Beschluss v. 30.9.2020 (I R 12/19) sollen hypothetische Steuern auf hypothetische Einkünfte nicht berücksichtigt werden können (Tz. 493).
- Erwähnenswert ist das kürzlich vom BMF publik gemachte Vorhaben, die Niedrigsteuerschwelle auf 15% abzusenken (siehe Blog-Beitrag). Der AEAStG-E berücksichtigt dies verständlicherweise noch nicht (Tz. 504).
6. Hinzurechnungsbetrag
- Für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte auf Grundlage des deutschen Steuerrechts (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG) sind § 4h, § 4j (zu dessen geplanter Abschaffung siehe Blog-Beitrag), § 4k EStG sowie §§ 8b, 8c und 8d KStG miteinzubeziehen (Tz. 543).
- Der Hinzurechnungsbetrag soll nur gesellschaftsbezogen zu ermitteln und anzusetzen sein, wobei positive und negative Zwischeneinkünfte (nur) derselben Zwischengesellschaft verrechnet werden können (Tz. 541 f., 573 f.).
- Resultiert aus Wechsel der Gewinnermittlungsart von § 4 Abs. 3 EStG zu § 4 Abs. 1 EStG, der seit dem ATADUmsG angewendet werden muss, ein Übergangsgewinn, ist dieser vollumfänglich als Hinzurechnungsbetrag anzusetzen. Er darf nicht auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt werden (Tz. 553 ff.).
- Wird die Beteiligung an der Zwischengesellschaft über eine Personengesellschaft vermittelt, soll der Personengesellschaft auch nicht für gewerbesteuerliche Zwecke zugerechnet werden (Tz. 538 f.). Hierbei ist zu sehen, dass zukünftig der Hinzurechnungsbetrag generell nicht mehr mit Gewerbesteuer belastet werden soll (siehe Blog-Beitrag).
7. Kürzungsbetrag und Steueranrechnung
- Nach § 11 AStG werden Einkünfte, deren Quellen bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen (z.B. Dividenden der Zwischengesellschaft), von der Summe der (Zwischen-)Einkünfte abgezogen. Einzelheiten enthalten die Tz. 615 ff.
- Im Fall von Organschaften soll der Kürzungsbetrag nur auf Ebene des Organträgers zur Anwendung gelangen (Tz. 656).
- Der Kürzungsbetrag (bzw. das Hinzurechnungskorrekturvolumen) bleibt erhalten (und ist ggf. vortragsfähig), wenn die ausländische Gesellschaft nicht mehr als Zwischengesellschaft qualifiziert (Wegfall der Beherrschung bzw. nur noch aktive Einkünfte, vgl. Tz. 646). Er geht hingegen unter, wenn bspw. der inländische beherrschende Rechtsträger aufgelöst wird (vgl. weiter Tz. 642 ff.).
- Eine Anrechnung nach § 12 Abs. 2 AStG ist nicht nur bei einer ausländischen Hinzurechnungsbesteuerung, sondern auch bei einer inländischen möglich (Tz. 684 f.).
8. Verfahrensrecht
- Ein mittelbar an einer Zwischengesellschaft Beteiligter (§ 7 Abs. 1 Satz 2 AStG) muss keine Feststellungserklärung abgeben oder anderweitig Anzeige erstatten (Tz. 937). Entsprechendes gilt für die nicht feststellungsverpflichteten Personengesellschaften (Tz. 955, s.o.).
- Ist der Substanztest einschlägig, genügt eine Anzeige nach amtlichem Vordruck anstelle einer Feststellungserklärung. Letztere kann dennoch nachträglich verlangt werden (Tz. 961 ff.).
- Vorgesehen, wenngleich nicht im AEAStG-E genannt, ist die primär elektronische Übermittlung von Feststellungserklärungen nach § 18 AStG (siehe Blog-Beitrag).
9. Betriebsstätten
- Hinsichtlich der sog. Switch Over-Klausel nach § 20 Abs. 2 AStG muss sich die Freistellungsmethode aus Verwaltungssicht nicht zwangsläufig aus dem DBA-Methodenartikel, sondern kann sich ebenfalls aus einem abschließenden Verteilungsartikel des jeweils einschlägigen DBA ergeben. Entsprechendes soll für Art. 4 Abs. 2, 3 OECD-MA gelten (Tz. 991).
- Die Begriffsdefinition der Betriebsstätte soll sich nach nationalem und nicht nach Abkommensrecht richten (Tz. 997 ff.). Merkwürdig ist dies deshalb, weil nur eine abkommensrechtliche Betriebsstätte Deutschland überhaupt zur Gewährung der Freistellungsmethode verpflichtet.