BMF veröffentlicht Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023

Das BMF hat mit Datum vom 6. Juni 2023 neue Verwaltungsgrundsätze (VWG) Verrechnungspreise (VWG Verrechnungspreise 2023, IV B 5 – S 1341/19/10017 : 003) erlassen. Nach nur knapp zwei Jahren werden damit die bisherigen VWG Verrechnungspreise 2021 abgelöst (s. Blogbeitrag vom 26. Juli 2021). Anzuwenden sind die VWG Verrechnungspreise 2023 auf alle offenen Fälle.

Im Fokus der Neufassung stehen insbesondere Änderungen im Bereich der Preisanpassungsklausel sowie zu Finanzierungsbeziehungen im Konzern. Integriert ist nun auch die Position der Finanzverwaltung zur Funktionsverlagerungsbesteuerung, die im Einklang mit der neugefassten Funktionsverlagerungsverordnung (s. Blogbeitrag vom 1. September 2022), auf Funktionsverlagerungen ab dem 1.1.2022 Anwendung finden soll.

Finanzierungsbeziehungen

In der Praxis gibt es die Konstellation, dass eine Konzerngesellschaft ein Darlehen ausreicht, aber eine andere Konzerngesellschaft die mit dieser Finanzierungsbeziehung zusammenhängende Kontrollfunktion ausübt. Die VWG Verrechnungspreise 2023 weisen darauf hin, dass im Hinblick auf diese andere (inländische) Konzerngesellschaft zu prüfen ist, ob dies eine weitere Transaktion darstellt („ggf.“) und wie eine solche Transaktion zu vergüten ist (Rn. 3.125). Eine Einkünftekorrektur hat bei einem Auseinanderfallen von Darlehensgewährung und Risikokontrolle – wenn überhaupt – nicht mehr auf Ebene des Darlehensnehmers zu erfolgen, womit die deutsche Finanzverwaltung nunmehr der Auffassung der OECD folgt. Es wird zudem angedeutet, dass all dies Bestandteil einer Verrechnungspreisdokumentation (Local File) ist.

Im Übrigen deuten die VWG Verrechnungspreise 2023 an, dass die deutsche Finanzverwaltung alsbald das BFH-Urteil v. 18.5.2021 (I R 4/17) zur Ermittlung fremdüblicher Zinsen auf Darlehen im Konzern im Bundessteuerblatt veröffentlichen und damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus anerkennen wird (s. Blogbeitrag vom 26. Oktober 2021).

Darüber hinaus enthalten die VWG Verrechnungspreise 2023 nunmehr die ausdrückliche Aussage, dass nicht nur besicherte, sondern auch unbesicherte Darlehen fremdüblich sein können (Rn. 3.128). Schließlich vereinbaren fremde Dritte regelmäßig verschiedenste besicherte und unbesicherte Fremdfinanzierungen. Darüber wird nunmehr explizit anerkannt, dass der Zinssatz eines unbesicherten Darlehens eine Risikokompensation enthalten kann. Die in diesem Zusammenhang angeführten Beurteilungskriterien und Aspekte, ob eine Nichtbesicherung zwischen Nahestehenden fremdüblich ist, wirken allerdings weiterhin zum Teil konstruiert und praxisfern.

Preisanpassungsklausel

Der § 1a AStG regelt im Grundsatz eine Preisanpassung (ex-post) bei der Übertragung immaterieller Werte, wonach bei einer erheblichen Wertabweichung (mehr als 20 %) im achten Jahr nach Geschäftsabschluss zu einer gesetzlich angeordneten Preisanpassung, d.h. zu einer Einkünftekorrektur. Die Vorschrift sieht allerdings mehrere Ausnahmen vor, wie eine solche Anpassung vermieden werden kann.

Den VWG Verrechnungspreise 2023 ist neuerdings zu entnehmen, dass in Fällen, in denen eine sachgerechte Preisanpassungsklausel vertraglich vereinbart wurde, die Anwendung von § 1a AStG ausgeschlossen ist (Rn. 3.136). Diese Aussage ist zwar zweifelsohne zutreffend und in ihrer Klarheit zu begrüßen. Allerdings bleibt es (weiterhin) unklar, wie eine Preisanpassungsklausel vertraglich auszugestalten ist, damit sie als „sachgerecht“ anerkannt wird. In der Praxis stellen sich insbesondere die Fragen, zu welchem Zeitpunkt (z.B. bereits im zweiten Jahr) und in welcher Häufigkeit (z.B. bereits bei einmaliger Anwendung) ein vertraglich vereinbarter Anpassungsmechanismus greifen sollte.

Funktionsverlagerung

Deutlich kürzer als in den bisherigen VWG Funktionsverlagerung 2010 integriert die Finanzverwaltung nun ihre Auffassung zur Funktionsverlagerungsbesteuerung gem. § 1 Abs. 3b AStG (FVerl) und zur jüngst neugefassten Funktionsverlagerungsverordnung in den VWG Verrechnungspreisen 2023.

Finanzverwaltung erkennt weiterhin an, dass die Personalentsendung per se regelmäßig keine FVerl begründet (Rn. 3.95). Kritisch zu sehen ist allerdings, dass in Personalentsendungsfällen nun aber eine FVerl vorliegen solle, wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich aus dem entsendenden Unternehmen mitnimmt und im aufnehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt. In der betrieblichen Praxis dürfte dies jedoch oftmals der Grund der Entsendung sein. Beispielsweise wird im Fall der Auslandsexpansion gerade zu Beginn eine gewisse Aufbauleistung durch vom Mutterunternehmen entsendetes Personal erbracht.

Im Fall der Funktionsverdoppelung vertrat die Finanzverwaltung bisher die Ansicht, dass bei einer nur geringfügigen Einschränkung der betreffenden Funktion keine FVerl vorliegen solle. Deutlich verschärfend wirkt nun, dass die sog. Bagatellgrenze in VWG Verrechnungspreisen 2023 nun ersatzlos gestrichen wurde.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Es ist zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung nun auch ausdrücklich unbesicherte Darlehen im Konzern als fremdüblich anerkennt. Das sich dies im Zinssatz widerspiegeln kann ist zwar schon immer denklogisch, nun jedoch auch endlich unstrittig. Ebenfalls positiv ist, dass eine sachgerechte, vertragliche vereinbarte Preisanpassung die Anwendung des § 1a AStG ausschließt. Es bleibt in der Praxis jedoch weiterhin unklar, wie eine „sachgerechte“ Preisanpassung zu gestalten ist.

Kritisch zu sehen sind die Verschärfungen im Bereich der FVerl. Insbesondere der Wegfall der Bagatellgrenze und die restriktive Auslegung im Bereich der Personalentsendung dürften in künftigen Betriebsprüfungen für Diskussionen sorgen. Aus Sicht des Steuerpflichtigen führt dies zu der Notwendigkeit, sich noch intensiver mit den internationalen Vorschriften zu beschäftigen und bestehende Vereinbarungen und Strukturen zu überdenken.