Die Vorschrift zur Besteuerung von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen wurde durch das UntStRefG vom 14. August 2007 erstmals in § 1 Abs. 3 S. 9 und 10 AStG a.F. eingeführt. Neben der eigentlichen gesetzlichen Regelung enthalten zudem die FVerlV vom 12. August 2008 sowie die VWG-Funktionsverlagerung vom 13. Oktober 2010 weitergehende Ergänzungen und Konkretisierungen. Durch das AbzStEntModG vom 2. Juni 2021 wurde die Funktionsverlagerungsbesteuerung in § 1 Abs. 3b AStG n.F. mit Wirkung ab dem VZ 2022 neu geregelt.

Dementsprechend soll nunmehr die bisherige Fassung der FVerlV angepasst werden. Den entsprechenden Referentenentwurf zur Änderung der FVerlV (im Nachfolgenden „FVerlV-E“) hat das BMF schließlich am 5. Juli 2022 vorgelegt. Entgegen der ausdrücklich formulierten Intention des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung zum AbzStEntModG, die Regelungen zur Funktionsverlagerung nicht zu verändern, enthält der Referentenentwurf zahlreiche Änderungen und teils drastische Verschärfungen.

Definition der Funktionsverlagerung

Der Referentenentwurf erweitert die Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 2 FVerlV-E insoweit, als dass auch die teilweise Übertragung oder Überlassung einer Funktion, eine Funktionsverlagerung darstellen soll. Durch diese Atomisierung der Funktion soll die derzeitige Verwaltungsauffassung zum produkt- und marktbezogenen Verständnis des Funktionsbegriffs nunmehr in der FVerlV kodifiziert werden.

Darüber hinaus soll eine Funktionsverlagerung gemäß des neuen Begriffsverständnisses auch dann vorliegen, wenn eine bereits bestehende Funktion des übernehmenden Unternehmens lediglich ausgeweitet wird. Auch dies stellt insbesondere im Zusammenspiel mit dem vorgenannten Teil-Funktionsbegriff eine deutliche Verschärfung gegenüber der bisherigen FVerlV dar.

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erfordert eine Funktionsverlagerung zudem die Übertragung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern oder sonstige Vorteile. In § 1 Abs. 2 S. 1 FVerlV-E ist nunmehr das Wort „gegebenenfalls“ bezüglich der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter eingefügt worden. Es ist zu befürchten, dass aus Sicht der Finanzverwaltung die Übertragung von Wirtschaftsgütern nicht mehr zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung sein soll.

Verschärfung der Nachweispflichten des Steuerpflichtigen

An mehreren Stellen des Referentenentwurfs (§ 1 Abs. 5 S. 2, § 5 und § 7 FVerlV-E) wurden die Nachweispflichten zuungunsten des Steuerpflichtigen verschärft. Nach der aktuellen Fassung der FVerlV wurde lediglich eine Glaubhaftmachung durch den Steuerpflichtigen gefordert, wohingegen der Referentenentwurf die Belegung der vorgetragenen Umstände durch entsprechende Beweise fordert. Folglich soll sich die Beweislast zuungunsten des Steuerpflichtigen umkehren.

Bestimmung des Einigungsbereichs

Der § 2 Abs. 1 FVerlV-E sieht ausdrücklich vor, dass Steuereffekte bei der Bestimmung des Einigungsbereichs für das Transferpaket zu berücksichtigen sind. Dies entspricht der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung. Durch die Berücksichtigung von Steuereffekten wird der Verrechnungspreis für das Transferpaket im Ergebnis (deutlich) erhöht.

Wegfall der Lizenzierung des Transferpakets?

Nach § 4 Abs. 2 FVerlV wird auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung des Transferpakets und keiner endgültigen Übertragung ausgegangen. Dieses faktische Wahlrecht des Steuerpflichtigen ist in dem FVerlV-E nicht mehr ausdrücklich enthalten. Da eine Vielzahl von Staaten die deutsche Funktionsverlagerungsbesteuerung nicht anerkennt, stellt die Lizensierung des Transferpakets eine gängige Vorgehensweise in der Praxis dar, um internationale Doppelbesteuerungen zu begrenzen. Es ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung die Lizenzierung des Transferpakets zukünftig nicht mehr anerkennen wird, was äußerst kritisch zu sehen ist.

Zusammenfassung

Die beabsichtigte Verschärfung der FVerlV ist überschießend und unverhältnismäßig. Sollte die FVerlV-E im weiteren Gesetzgebungsprozess nicht entschärft werden, wird es zu einem ganz erheblichen administrativen Aufwand auf Seiten international tätiger Unternehmen, aber auch der Finanzverwaltung kommen. Das Bundeszentralamt für Steuern könnte zudem mit einer „Flut“ an Anträgen auf Einleitung von Verständigungsverfahren überrollt werden, die nur schwerlich gegenüber den ausländischen Fisci gewonnen werden dürften. Vor diesem Hintergrund wird erwartet, dass der Referentenentwurf noch angepasst wird. Steuerpflichtige sollte den Gesetzgebungsprozess genau verfolgen, auch weil die FVerlV-E bereits mit Wirkung ab dem VZ 2022 gelten soll.