Nachdem Mitte Mai sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat dem am 9. Mai 2023 im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) zugestimmt haben, wurde das Gesetz am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt BGBl. 2023 I Nr. 140 verkündet. Das Gesetz tritt somit nächsten Monat, am 2. Juli 2023, vollständig in Kraft und fordert damit eine zeitnahe Umsetzung durch die betroffenen Unternehmen.

Änderungen durch den Vermittlungsausschuss

Der am 16. Dezember 2022 vom Bundestag beschlossene Entwurf des HinSchG stieß auf einige Kritik und scheiterte schließlich im Bundesrat an der für die Zustimmung erforderlichen Mehrheit. Die Kritik richtete sich im Wesentlichen gegen den befürchteten hohen bürokratischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten für die betroffenen Unternehmen. Um die EU-Richtlinie 2019/937 dennoch (verspätet) in nationales Recht umzusetzen, wurde versucht, den Gesetzesentwurf in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil aufzuspalten. Dieses Vorhaben stieß ebenfalls auf rechtliche Bedenken. Infolge des durch den Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromisses wurde es jedoch nicht weiterverfolgt. Der Vermittlungsausschuss hat insbesondere die zuvor genannten Kritikpunkte aufgegriffen und u.a. folgende Änderungen vorgenommen:

  • Konkretisierung der Informationen über Verstöße auf einen beruflichen Kontext

Nach § 3 Abs. 3 HinSchG beziehen sich Informationen über Verstöße nunmehr ausschließlich auf Sachverhalte des (ehemaligen) Beschäftigungsgebers oder einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand.

  • Interne Meldestelle als primäre Kontaktstelle

Das Wahlrecht zwischen der internen und externen Meldestelle wurde nach § 7 Abs. 1 Satz 2 HinSchG dahingehend konkretisiert, dass eine hinweisgebende Person die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen soll, sofern innerhalb des Unternehmens wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind.

  • Keine Pflicht zur Ermöglichung anonymer Kontaktaufnahme

Die ursprüngliche Pflicht, Meldekanäle auch für die anonyme Kontaktaufnahme einzurichten, wurde aus dem Gesetzesentwurf gestrichen. Nunmehr sollen nach § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG lediglich auch anonym eingehende Meldungen bearbeitet werden.

  • Streichung der Vorschrift zum immateriellen Schaden

Der zuvor in § 37 Abs. 1 S. 2 HinSchG normierte Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens wurde nunmehr gestrichen.

  • Reduktion des maximalen Bußgeldrahmens auf EUR 50.000

Der ursprünglich in § 40 Abs. 6 HinSchG normierte Bußgeldrahmen von EUR 100.000 wurde um die Hälfte auf EUR 50.000 reduziert.

  • Geltung einer Übergangsfrist für die Bußgeldvorschrift hinsichtlich der fehlenden Einrichtung der internen Meldestelle

Nach § 42 Abs. 2 HinSchG ist die Bußgeldvorschrift in Bezug auf die fehlende Einrichtung der internen Meldestelle (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG) erst sechs Monate nach Verkündung, d.h. am 1. Dezember 2023, anzuwenden.

Pflicht zur Einrichtung der internen Meldestelle

Aufgrund des baldigen Inkrafttretens des Gesetzes kommen nun Handlungspflichten auf die Beschäftigungsgeber zu: Unternehmen mit über 250 Beschäftigten sind grundsätzlich – obgleich eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit erst später eintritt – bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt die Verpflichtung erst ab dem 17. Dezember 2023; kleinere Unternehmen sind von dem Gesetz nicht betroffen.

Bei der Einrichtung der internen Meldestelle besteht ein gewisser Handlungsspielraum. Die Aufgabe der Meldestelle muss von unabhängigen und fachkundigen Personen geleitet werden. Im Übrigen bestimmt sich die konkrete Ausgestaltung nach den Umständen des Einzelfalls, wie beispielsweise der Größe und Art der ausgeübten Unternehmenstätigkeit sowie der Organisationsstruktur. In organisatorischer Hinsicht ist jedoch in jedem Fall sicherzustellen, dass Hinweise sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form eingehen können. Insgesamt sollte auf einen umfassenden Schutz der hinweisgebenden Personen geachtet werden; denn nur wer keine Repressalien zu fürchten hat, wird im Zweifelsfall zunächst Hinweise unternehmensintern melden.

Nach eingegangener Meldung ist gemäß § 17 HinSchG folgender Ablauf zu berücksichtigen:

  • Dokumentation der eingehenden Meldung in dauerhaft abrufbarer Weise.
  • Bestätigung des Eingangs der Meldung nach spätestens sieben Tagen.
  • Prüfung des gemeldeten Verstoßes unter Beibehaltung des Kontakts zur hinweisgebenden Person.
  • Veranlassung von Folgemaßnahmen: Insbesondere Einleitung von internen Untersuchungen, Maßnahmen zur Lösung etwaiger Probleme, Verweis der hinweisenden Person an eine andere zuständige Stelle, Abschluss des Verfahrens bzw. Abgabe an eine interne Überprüfungseinheit oder die zuständigen Behörden
  • Rückmeldung an den Hinweisgeber über die getroffene Maßnahme innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung bzw. drei Monate und sieben Tage nach Eingang der Meldung.
  • Drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens ist die Dokumentation grundsätzlich zu löschen.

Fazit

Angesichts der Komplexität und des organisatorischen Aufwands einerseits sowie der Wahrung der Interessen der Beschäftigten andererseits sollten sich betroffene Unternehmen umgehend der Umsetzung des HinSchG widmen. Sofern noch kein Hinweisgebersystem vorhanden ist, ist zu prüfen, ob die Umsetzung durch eine interne Lösung oder durch externe Anbieter, wie z.B. Rechtsanwaltskanzleien, erfolgen soll.

Externe Berater können Mitarbeitern im Gegensatz zu langjährig bekannten Kollegen ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit und Verschwiegenheit vermitteln. Zumindest bei der Einrichtung des internen Meldesystems ist die Unterstützung durch Experten sinnvoll. 

Bei Fragen zum Hinweisgeberschutzgesetz oder zu Compliance-Systemen im Allgemeinen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.