Am 18. Mai 2021 fanden die mündlichen Verhandlungen zu zwei Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) statt. Im Revisionsverfahren I R 62/17 geht es um die Berücksichtigung des Konzernrückhalts bei der Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes (siehe Blog-Beitrag vom 9. Juni 2021). Im zweiten Verfahren (I R 4/17) beschäftigt sich der I. Senat mit der anwendbaren Methode bei grenzüberschreitenden konzerninternen Finanzierungen.
Hintergrund
In der zweiten mündlichen Verhandlung ist Kernstreitpunkt die anwendbare Verrechnungspreismethode zur Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes bei einer Darlehensgewährung durch eine im Ausland ansässige Schwesterkapitalgesellschaft.
Im konkreten Sachverhalt (I R 4/17) wird eine inländische GmbH (Klägerin) von einer niederländischen Holdinggesellschaft gehalten. Die Holdinggesellschaft ist zudem Alleingesellschafterin der ebenfalls in den Niederlanden ansässigen Schwestergesellschaft der Klägerin. Die niederländische Schwestergesellschaft fungiert als Finanzierungsgesellschaft innerhalb des Konzerns. Diese reichte der Klägerin verschiedene Darlehen aus. Die Ermittlung des Zinssatzes erfolgte mit Hilfe eines externen Preisvergleichs.
Auch in diesem Revisionsverfahren bezweifelte das Finanzamt (Beklagter) die Anwendbarkeit der gewählten Verrechnungspreismethode und die Angemessenheit der Verzinsung. Das Finanzamt ermittelte den Zinssatz auf Basis der Kostenaufschlagsmethode. Die Differenz qualifizierte das Finanzamt dabei als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Im Urteil vom 7. Dezember 2016 (13 K 4037/13) gab das FG Münster dem Finanzamt dem Grunde nach Recht mit der Begründung, dass es kein Rangverhältnis der Standardmethoden gebe. Vielmehr sei es Aufgabe des Finanzamts, im Einzelfall die geeignetste Methode zu bestimmen. Die Kostenaufschlagsmethode sei vorliegend anwendbar. Nur im Falle von im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen könne die Preisvergleichsmethode die geeignetste Methode sein.
Äußerungen des BFH
Auch in diesem Revisionsverfahren war Dr. Brandis Vorsitzender Richter. Zur Frage der angemessenen Verrechnungspreismethode äußerte er sich insofern, als dass das FG Münster möglicherweise den Blick „zu eilig“ auf die Kostenaufschlagsmethode richtete. Ferner sei es nicht überzeugend, dass die Anwendung der externen Preisvergleichsmethode daran scheitere, dass das zugrunde gelegte Konzernrating nicht durch mathematische Berechnungen exakt nachvollziehbar sei. Dabei verwies der BFH auf die Preisermittlung auf Aktienmärkten, die ebenfalls nicht gänzlich verständlich sei. Damit griff der I. Senat die Argumente der Klägerin auf. Weiterhin bezog der Vorsitzende Richter Stellung zur konkreten Anwendung der Kostenaufschlagsmethode durch das Finanzamt und das FG Münster, die in der Praxis bisher nicht weit verbreitet ist. Es sei unüblich, dass ein angemessener Zinssatz jährlich durch die Einbeziehung variabler Parameter (hier: Eigenkapitalquote) neu berechnet werde, sodass der Zinssatz sich jährlich verändere. Dies stehe, wie von der Klägerin vorgebracht, der Zinsbindung entgegen.
Die Frage der Berücksichtigung des Konzernrückhalts war unter anderem auch Streitpunkt in diesem Verfahren. Unter Bezugnahme auf die Äußerungen des Bundesfinanzministeriums (BMF), das im Revisionsverfahren als dritte Partei an den Verhandlungen beteiligt war, wies der BFH darauf hin, dass der Konzern als Ganzes berücksichtigt werden müsse. Allerdings sei weder eine ganzheitliche Konzernbetrachtung noch eine vollständige „Stand-alone-Betrachtung“ heranzuziehen. Vielmehr erfordere es eine Einzelfallbetrachtung. Eine Zurückweisung an das FG Münster komme in Betracht. Eine Äußerung des Senats bezüglich der vom Beklagten aufgeworfenen Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Klägerin, die erst die Schätzungsbefugnis des Finanzamts nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ermöglichte, blieb allerdings aus.
Ausblick
Die mündlichen Verhandlungen ließen erahnen, dass der BFH in der entscheidenden Frage der angemessenen Verrechnungspreismethode bei Gesellschafterdarlehen eher den Argumenten der Klägerin folgt. Damit würde der BFH die Auffassung des Bundesfinanzministeriums bestätigen. Zugleich würde er damit aber auch im Sinne der internationalen Praxis sowie der herrschenden Meinung der Literatur entscheiden. Auch in diesem Fall wird die höchstrichterliche Entscheidung des BFH mit Spannung erwartet, denn die Anwendung der Preisvergleichsmethode zur Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes ist in der Praxis weit verbreitet.