Die OECD hat am 19. Februar 2024 den finalen Bericht zu dem unter Pillar 1 gefassten Amount B veröffentlicht. Dieser enthält Vereinfachungsregelungen zur Ermittlung einer fremdüblichen Routinevergütung für Vertriebs- und Marketinggesellschaften, den sogenannten simplified and streamlined approach.

Hintergrund

Die OECD arbeitet seit einigen Jahren an der Entwicklung eines Zwei-Säulen Projekts, um den steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben, zu begegnen. Während Pillar 2 mit der Einführung einer globalen Mindestbesteuerung bereits umgesetzt wurde, fehlt es im Hinblick auf die Neuverteilung von Besteuerungsrechten unter Pillar 1, Amount A, bisher noch an hinreichenden Konkretisierungen. Pillar 1, Amount B, enthält Vereinfachungsregeln für die Ermittlung konzerninterner Preise für Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Nach Veröffentlichung der Konsultationspapiere aus Dezember 2022 und Juli 2023 wurde hierzu nun der finale Bericht bekanntgegeben. Dieser soll als Anhang zu Kapitel IV in die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgenommen werden. In zeitlicher Hinsicht ist eine Umsetzung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 1. Januar 2025 beginnen, möglich.

Nationale Umsetzung

Staaten können frei entscheiden, ob sie den simplified and streamlined approach umsetzen und  ob sie diesen als verpflichtende oder als optionale Maßnahme einführen. Im Fall einer optionalen Anwendung soll es einer in diesem Staat ansässigen Vertriebsgesellschaft möglich sein, die Fremdüblichkeit der unter den Anwendungsbereich fallenden Transaktionen über den simplified and streamlined approach nachzuweisen. Wendet der andere Vertragsstaat den simplified and streamlined approach nicht an, ist er auch nicht an das damit ermittelte Ergebnis gebunden.

In-scope Transaktionen

In Kapitel 3 des Berichts wird erläutert, welche Transaktionen („in-scope Transaktionen“) unter den Anwendungsbereich des simplified and streamlined approach fallen. In-scope Transaktionen sind demnach:

  • Marketing- und Vertriebstransaktionen, bei denen Waren von verbundenen Unternehmen eingekauft und anschließend an fremde Dritte weiterverkauft werden, sowie
  • Handelsvertreter- und Kommissionärstransaktionen, bei denen der Handelsvertreter oder Kommissionär Waren von verbundenen Unternehmen an fremde Dritte vermittelt.

Weierhin muss die Transaktion geeignet sein, unter Anwendung von einseitigen Verrechnungspreismethoden bepreist zu werden. Der simplified and streamlined approach basiert dabei auf der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode (TNMM). Darüber hinaus ist es in Ausnahmefällen auch möglich, die interne Preisvergleichsmethode unter dem simplified and streamlined approach anzuwenden. Die Anwendung von einseitigen Verrechnungspreismethoden richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien.

Zuletzt muss das Verhältnis der operativen Aufwendungen zum Umsatz der Vertriebsgesellschaft/des Handelsvertreters/des Kommissionärs innerhalb einer Bandbreite von 3% bis 20% bzw. 30% liegen. Während die Untergrenze (3%) im finalen Bericht bereits festgelegt ist, obliegt jedem Staat, die Obergrenze auf einen Wert zwischen 20% und 30% zu konkretisieren. Die Ermittlung soll basierend auf einem gewichteten Durchschnitt der vorangegangen drei Jahre erfolgen.

Ausschluss bestimmter Vertriebsaktivitäten

Nicht unter den Anwendungsbereich fallen folgende Transaktionen:

  • Transaktionen, die den Vertrieb von immateriellen Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen oder die Vermarktung, den Handel oder den Vertrieb von Rohstoffen umfassen;
  • Transaktionen, die die Vertriebsgesellschaft/der Handelsvertreter/der Kommissionär zusätzlich zu den Vertriebstransaktionen durchführt, beispielsweise F&E oder Produktionsaktivitäten, und die sich nicht von den Vertriebsaktivitäten abgrenzen lassen.

Ermittlung eines Routinegewinns nach dem simplified and streamlined approach

Kapitel 5 des Berichts enthält ein konkretes Schema, wie ein fremdüblicher Routinegewinn zu ermitteln ist (return on sales). Dies geschieht unter Anwendung einer Preismatrix, welche auf Basis von Datenbankstudien berechnete EBIT-Margen enthält. Die für das Vertriebsunternehmen anzuwendende EBIT-Marge wird in Abhängigkeit der Branchengruppierung (die OECD sieht diesbezüglich drei Branchengruppierungen vor) und der Faktorintensität ausgewählt. Die Faktorintensität ermittelt sich basierend auf den Kennzahlen net operating asset intensity (OAS, Betriebsvermögen im Verhältnis zum Umsatz) und operating expense intensity (OES, operative Aufwendungen im Verhältnis zum Umsatz).

Zur Verprobung der Ergebnisse ist ein operating expense cross-check durchzuführen, wodurch eine zu niedrige oder zu hohe Vergütung der Vertriebs- und Marketinggesellschaft verhindert werden soll. Führt der Gewinn, der auf Basis der EBIT-Marge aus der Preismatrix ermittelt wurde, zu einem Verhältnis des EBIT zu operativen Aufwendungen, das außerhalb einer bestimmten Bandbreite (cap and collar range) liegt, wird das EBIT entsprechend angepasst.

Dokumentationsanforderungen

Wie bereits im Konsultationspapier von Juli 2023 angekündigt, soll der simplified and streamlined approach im Local File der jeweiligen Vertriebs- und Marketinggesellschaft dokumentiert werden. Die in diesem Zusammenhang zu dokumentierenden Informationen sind zum Großteil bereits durch die für Local Files bestehenden Dokumentationsvorschriften abgedeckt. Dies betrifft beispielsweise die Abgrenzung der Transaktion sowie die Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse. Andere Teile, wie die Ermittlung der entsprechenden Kennzahlen, müssen zusätzlich dokumentiert werden. Wendet der Steuerpflichtige den simplified and streamlined approach zum ersten Mal an, soll dieser Ansatz für einen Zeitraum von drei Jahren beibehalten werden.