Immaterielle Vermögenswerte sind für viele Unternehmen nicht nur im operativen Geschäft bedeutsam, sondern auch als Sicherungsmittel im Rahmen ihrer Finanzierung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun die Position absonderungsberechtigter Gläubiger gestärkt, deren Recht sich auf ebensolche Vermögenswerte bezieht (BGH, Urt. v. 27.10.2022, IX ZR 145/21). Für die Praxis hat der BGH damit einen lange währenden Streit beendet und das Kräfteverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Gläubigergesamtheit einerseits und absonderungsberechtigten Gläubigern andererseits neu austariert.

Immaterialgüterrechte als Teil der Insolvenzmasse

Gewerbliche Schutzrechte des Insolvenzschuldners wie Marken, Patente oder Designs sowie urheberrechtliche Nutzungs- und Verwertungsrechte gehören grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Sie unterfallen dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 InsO). Ihre Be- und Verwertung wirft in der Insolvenz regelmäßig schwierige Fragen auf. Unter anderem war lange umstritten, wem das Verwertungsrecht zusteht, wenn Marken, Patente etc. zur Sicherheit auf einen Dritten übertragen wurden: dem Insolvenzverwalter oder dem absonderungsberechtigten Dritten.

Absonderungsberechtigte Gläubiger verwertungsberechtigt

Trotz eines bestehenden Absonderungsrechts ist der Insolvenzverwalter berechtigt, unbewegliche Gegenstände (Immobilien), bewegliche Gegenstände in seinem Besitz und sicherungsweise abgetretene Forderungen zu verwerten (§§ 165, 166 InsO). Eine ausdrückliche Verwertungsbefugnis für sonstige Rechte, zu denen neben Immaterialgüterrechten auch Gesellschaftsanteile gehören, enthält die Insolvenzordnung nicht. Von den Forderungen unterscheiden sich die sonstigen Rechte dadurch, dass ihnen kein Leistungsanspruch innewohnt. § 166 Abs. 2 InsO ist daher jedenfalls nicht direkt anwendbar. Gleichwohl ging die insolvenzrechtliche Praxis bislang überwiegend von einem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters aus. Begründet wurde dies mit der Zielrichtung der Norm, den „technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnervermögens“ zu erhalten. So solle die Unternehmensfortführung ermöglicht bzw. eine für die Masse günstige Verwertung erreicht werden (sog. Paketzuschlag).

Nach der überzeugenden Begründung des BGH kann dies eine analoge Anwendung auf sonstige Rechte jedoch nicht rechtfertigen. Der BGH hat sich ausführlich mit der Gesetzgebungshistorie, der Systematik und dem Zweck der Vorschrift befasst und dargelegt, warum es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Konsequenz ist, dass das generelle Verwertungsrecht des absonderungsberechtigten Gläubigers (vgl. § 173 Abs. 1 InsO) zum Tragen kommt.

Folgen für die Praxis

Absonderungsberechtigte Gläubiger, deren Recht sich auf immaterielle Vermögenswerte bezieht, haben zukünftig ein starkes strategisches Mittel an der Hand. Ein Einsatz gegen die Interessen der Gläubigergesamtheit liegt insbesondere nahe, wenn sich das Recht auf Schlüsseltechnologien bezieht, wie potenziell beispielsweise in der Pharma- oder Halbleiterindustrie. Auch im Falle eines insolventen Softwareentwicklers kann die Übertragung von Verwertungsrechten an proprietärer Software dem absonderungsberechtigten Gläubiger einen entsprechenden Vorteil verschaffen. Zudem fallen bei einer Verwertung durch den Absonderungsberechtigten keine Kostenbeiträge an, sodass die Befriedigung aus dem ungekürzten Erlös erfolgen kann.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass Insolvenzverwalter auch weiter die Umstände entsprechender Sicherungsgeschäfte in den Blick nehmen und versuchen werden, mit dem Mittel der Insolvenzanfechtung dagegen vorzugehen. Ist das Anfechtungsrecht nicht evident, ist dem absonderungsberechtigten Gläubiger zu empfehlen, sich mit dem Insolvenzverwalter über eine beiderseitig interessensgerechte Lösung abzustimmen. Der BGH weist hierzu explizit auf die Nutzungs- und Verwertungsvereinbarung als Gestaltungsinstrument hin. Mit dieser einigen sich Insolvenzverwalter und Gläubiger auf eine Verwertung durch den Verwalter gegen Erstattung eines kostendeckenden Beitrags. Auch kann eine Regelung zur Erlösverteilung getroffen werden. Vorteil einer solchen Einigung kann sein, einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen und den Erlös durch die Verwertung „aus einer Hand“ zu maximieren.

Auswirkungen auf Distressed M&A und Fragen zum gutgläubigen Erwerb

Beachtung verdient das Urteil schließlich auch im Zusammenhang mit dem Kauf von Unternehmen in der Krise (Distressed M&A). Dies gilt umso mehr, als zu den sonstigen Rechten neben Immaterialgüterrechten auch nichtverbriefte Gesellschaftsanteile und Mitgliedschaftsrechte zählen. Dass absonderungsberechtigte Gläubiger in die Transaktion eingebunden werden sollten, um einen (lastenfreien) Erwerb durch den Investor sicherzustellen, ist keine Neuerung. Je nach Fallkonstellation käme zwar auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Investors verbunden mit einem Ersatzabsonderungsrecht des Gläubigers am Erlös in Betracht. Im Falle von Immaterialgüterrechten scheidet ein gutgläubiger Erwerb jedoch regelmäßig aus. Auch hier ist aber der jeweilige Einzelfall zu betrachten. Beispielsweise sind Unionsmarken – anders als nationale Marken – dem gutgläubigen Erwerb durchaus zugänglich, soweit die Sicherungsübertragung nicht aus dem Register ersichtlich ist. GmbH-Anteile wiederum können zwar unter den Voraussetzungen von § 16 Abs. 3 GmbHG gutgläubig erworben werden. Nach überwiegender Auffassung bezieht sich der Gutglaubensschutz jedoch nicht auf die Lastenfreiheit des Anteils. Ohne Beteiligung des Dritten würde deshalb beispielsweise ein zur Absonderung berechtigendes Pfandrecht im Rahmen der Transaktion nicht erlöschen.

Der BGH wies im konkreten Fall jedenfalls auf die Unwirksamkeit der Markenübertragung durch den Insolvenzverwalter hin. Das Gericht erwähnt zwar die Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung durch den Sicherungsnehmer (§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB), nicht aber die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Im schlimmsten Fall droht einem Investor, im Wege des Asset Deals Mitarbeiter, Kundenverträge etc. ohne die ebenfalls erforderlichen Immaterialgüterrechte zu erwerben. Dies hätte zur Folge, dass der Erwerber beispielsweise betriebsnotwendige Technologie nicht nutzen oder die Produkte nicht unter der bekannten Marke vertreiben dürfte. Ansprüche gegen die Insolvenzmasse auf Schadenersatz statt der Leistung dürften ihm dabei nur ein geringer Trost sein.