Mit insgesamt vier Urteilen vom 11.7.2023 (I R 21/20, I R 36/20, I R 45/20 und I R 40/20) hat der Bundesfinanzhof (BFH) u.a. entschieden, dass das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG auch dann erfüllt ist, wenn die Beteiligung durch Umwandlungsvorgang zu einem unterjährigen Übertragungsstichtag erworben wird. Der BFH begründete dies mit der Fußstapfentheorie.

Der Beitrag beleuchtet die Urteile und die Praxisrelevanz der Aussagen des BFH.

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung und die Fußstapfentheorie

Eine Organschaft setzt u.a. voraus, dass der Organträger an der Organgesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung hält (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Diese Beteiligung muss von Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft ununterbrochen vorliegen.

In Umwandlungsfällen tritt der übernehmende Rechtsträger in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein (sog. Fußstapfentheorie, § 4 Abs. 2 Satz 1, § 12 Abs. 3 Hs. 1 UmwStG). In Einbringungsfällen im Wege der Einzelrechtsnachfolge gilt dies nur bei Fortführung der Buchwerte (§ 23 Abs. 1 UmwStG; bei Einbringungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gilt dies auch beim Ansatz des gemeinen Werts s. UmwStE-Erlass 2011, Tz. 23.06).

Finanzielle Eingliederung bei Verschmelzungen

Verwaltungsauffassung

Bei Verschmelzungen ist nach Verwaltungsauffassung eine finanzielle Eingliederung dem übernehmenden Rechtsträger ab dem steuerlichen Übertragungsstichtag zuzurechnen. D.h. eine Organschaft zum übernehmenden Rechtsträger kann nur begründet werden, wenn diesem auch die Anteile an der künftigen Organgesellschaft steuerlich rückwirkend zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zuzurechnen sind (UmwSt-Erlass 2011, Tz. Org. 02, Org. 03). Bei Verschmelzungen mit einem steuerlichen Übertragungsstichtag, der nicht mit dem Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft übereinstimmt, scheidet die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft nach Verwaltungsauffassung daher aus.

Unterjährige Verschmelzung (I R 21/20, I R 36/20, I R 45/20)

Der BFH hatte in den Verfahren I R 21/20, I R 36/20 und I R 45/20 darüber zu entscheiden, ob die finanzielle Eingliederung vorliegt, wenn der Organträger auf eine Personengesellschaft (I R 21/20) bzw. auf eine Kapitalgesellschaft (I R 36/20, I R 45/20) zu einem steuerlichen Übertragungsstichtag verschmolzen wird, der nicht mit dem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft übereinstimmte.

Der BFH entschied, dass die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung jeweils erfüllt war. Zwar fiel der Beginn des Wirtschaftsjahres der jeweiligen Organgesellschaften nicht mit den jeweiligen umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtagen zusammen. Gleichwohl ist die finanzielle Eingliederung als eine zeitraumbezogene Voraussetzung vom Eintritt in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers erfasst (§ 4 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG).

Die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge gilt nach dem BFH im Übrigen auch für die Voraussetzung, dass Organbeteiligung während der Organschaft ununterbrochen einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet sein muss (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).

Keine Aufteilung des Organeinkommens

Unklar war, ob die eine Aufteilung des Organeinkommens zwischen dem alten und dem neuen Organträger vorzunehmen war. Die Vorinstanzen hatten dies in I R 21/20 (Hessisches FG v. 14.5.2020 – 4 K 412/19) und in I R 45/20 (FG Rheinland-Pfalz v. 19.8.2020 – 1 K 1585/15) bejaht. Der BFH verneinte eine Aufteilung, weil hier das Zivilrecht maßgeblich ist. Zivilrechtlich richtet sich der Gewinnabführungsanspruch danach, wer am Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft nach dem GAV anspruchsberechtigter Organträger ist (so auch UmwSt-Erlass 2011, Tz. Org. 19 Satz 2). Dies entfaltet maßgebliche Wirkung für die steuerliche Einkommenszurechnung.

Finanzielle Eingliederung bei Anteilstausch

Verwaltungsauffassung

Der Anteilstausch ist keiner steuerlichen Rückwirkung bzw. keinem Rückbezug zugänglich. Deshalb ist die Begründung einer Organschaft bei einer unterjährigen Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung in eine Kapitalgesellschaft zwischen der übernehmenden Gesellschaft und der erworbenen Gesellschaft nach Verwaltungsauffassung frühestens ab Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres möglich (UmwSt-Erlass 2011, Tz. Org.16).

Unterjähriger Anteilstausch (I R 40/20)

In dem vom BFH entschiedenen Fall I R 40/20 brachte eine natürliche Person ihre Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Wege des qualifizierten Anteilstauschs zum Buchwert unterjährig in eine neugegründete GmbH ein. Die übernehmende Gesellschaft schloss mit der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht wurden, einen Gewinnabführungsvertrag ab. Die übernehmende Kapitalgesellschaft war somit nicht zu Beginn des Wirtschaftsjahres der erworbenen Gesellschaft beteiligt, weshalb die Anerkennung der Organschaft durch das zuständige Finanzamt scheiterte.  

Auch hier entschied der BFH, dass der übernehmenden Kapitalgesellschaft die Vorbesitzzeit des Einbringenden aufgrund des Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG) und deshalb die finanzielle Eingliederung zu bejahen ist. Dass der Einbringende nicht gewerblich tätig war, war für den BFH nicht entscheidend, weil die gewerbliche Tätigkeit des Organträger nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen muss. Zu beachten ist, dass dies bei Einbringungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge nur bei Fortführung der Buchwerte gilt (§ 23 Abs. 1 UmwStG, UmwStE-Erlass 2011, Tz. 23.06).

Einordnung und Ausblick

Die BFH-Rechtsprechung stärkt die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge sowie deren Bedeutung für die finanzielle Eingliederung. Bei unterjährigen Umstrukturierungen i.S.d. UmwStG gibt es fortan Erleichterungen bei der Begründung von Organschaften. Diese Urteilsgrundsätze lassen sich auch auf andere Umstrukturierungen übertragen. Dazu gehört bspw. auch die Rechtsnachfolge nach § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, da insoweit ebenfalls eine Besitzzeitanrechnung erfolgt (UmwSt-Erlass 2011, Rn. 13.11). Allerdings steht die BFH-Rechtsprechung im Widerspruch zu den aktuellen Regelungen des UmwStE 2011 und dem Entwurf des aktualisierten UmwSt-Erlasses vom 11.10.2023. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Urteilsgrundsätze in den neuen Erlass übernimmt.