Das Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) soll nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete zur Umsetzung internationaler Besteuerungsstandards bewegen. Die Besteuerungsfolgen erfahren dabei die Steuerpflichtigen, die über Geschäftsbeziehungen zu oder Beteiligungen in diesen Steuerhoheitsgebieten verfügen (siehe FGS-Blog).

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat jüngst ein Entwurfsschreiben zur Anwendung des StAbwG veröffentlicht. Zudem haben das BMF sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kürzlich die aktualisierte Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete verordnet.

Entwurf eines Schreibens zur Anwendung des StAbwG

Am 30.11.2023 veröffentlichte das BMF einen Entwurf zur Anwendung des StAbwG. Den Verbänden wird bis zum 9.1.2024 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hinzuweisen ist insbesondere auf die folgenden praxisrelevanten Anwendungs- und Auslegungsfragen, die in dem Entwurfsschreiben adressiert werden:

  • Der BMF-Entwurf legt dar, dass auf einen Geschäftsvorfall nur eine der Abwehrmaßnahmen gem. §§ 8 bis 11 StAbwG anzuwenden ist. Dementsprechend werden an mehreren Stellen Aussagen zum Verhältnis der Regelungen untereinander sowie zum Verhältnis zu anderen innerstaatlichen oder DBA-Regelungen getroffen.
  • Der BMF-Entwurf stellt mit Bezug zum zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 8 und 11 StAbwG klar, dass das betreffende nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet bis zum Zeitpunkt der Anwendung der Regelungen durchgängig in der StAbwV genannt sein muss. Dies gilt vor dem Hintergrund der verzögerten Anwendung beider Regelungen: § 8 StAbwG (Abzugsverbot) ist erstmals vier Jahre und § 11 StAbwG (keine Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen) drei Jahre nach Inkrafttreten der StAbwV, die das betreffende Steuerhoheitsgebiet listet, anzuwenden.
  • Für die §§ 9 und 11 StAbwG genügt für ein Beteiligungsverhältnis eine mittelbare Beteiligung. Dies entspricht z.B. auch § 7 Abs. 1 AStG.
  • Hinsichtlich § 10 StAbwG (Quellensteuermaßnahmen) erläutert der BMF-Entwurf, dass grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Vergütung abzustellen ist. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist nicht relevant.
  • Der BMF weist klarstellend darauf hin, dass der Katalog des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAbwG abschließend ist. Zudem verhält er sich subsidiär gegenüber § 49 Abs. 1 EStG. Soweit die Steuerpflicht nach § 10 StAbwG nur aufgrund der Subsidiarität entfällt, soll der Steuerabzug nach § 50a Abs. 7 EStG angeordnet werden. Es soll in einem solchen Fall stets vermutet werden, dass die Anordnung der Sicherung des deutschen Besteuerungsaufkommens dient.
  • Hinsichtlich des weit auszulegenden Dienstleistungsbegriffs sollen bloße Nutzungsüberlassungen nicht erfasst sein. Bei gemischten Verträgen unterliegen nur die Leistungen der beschränkten Steuerpflicht, die als Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung geleistet werden. Diese Trennung hat z.B. eine besondere Bedeutung für Reedereien (vgl. Bareboat-Charter vs. Zeitcharter).
  • Sollte die Nutzungsüberlassung von insgesamt untergeordneter Bedeutung sein und sich nicht von der Dienstleistungserbringung trennen lassen (z.B. Verpflegung im Hotel), unterfällt die gesamte Gegenleistung für die erbrachten Leistungen der beschränkten Steuerpflicht (und umgekehrt).
  • Für die Anwendung des § 50a Abs. 3 EStG i.S.d. § 10 Abs. 2 StAbwG muss die Ansässigkeit in einem EU/EWR-Staat gegeben sein. Daher kann § 50a Abs. 3 EStG nur in Fällen Anwendung finden, in denen eine Doppelansässigkeit vorliegt.
  • Bei § 12 StAbwG (Mitwirkungspflichten) handelt es sich um eine eigenständige Maßnahme, die auch dann greifen kann, wenn keine der in §§ 8 bis 11 StAbwG aufgeführten Abwehrmaßnahmen greift. Die Aufzeichnungspflichten gelten allgemein für alle Geschäftsvorgänge i.S.d. § 7 StAbwG. Der BMF-Entwurf weist darauf hin, dass in Bezug auf fremde Dritte gewisse Aufzeichnungen (z.B. Funktionsanalyse) nicht zwingend erstellt und verlangt werden können.
  • In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 2 StAbwG wird klargestellt, dass die Aufzeichnungen an das zuständige Finanzamt sowie in den Fällen der Verpflichtung zum Country-by-Country-Reporting an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln sind. Die Übermittlung an eine der beiden Behörden ist nicht ausreichend.
  • Es soll nicht zu beanstanden sein, wenn Aufzeichnungen i.S.d. § 12 StAbwG anstatt nach zwölf Monaten erst nach 14 Monaten übermittelt werden. Dies soll es insbesondere Kapitalverwaltungsgesellschaften ermöglichen, ihren Mitteilungspflichten für von ihnen verwaltete Investmentfonds ordnungsgemäß und zugleich durch einheitliche Ermittlung effizient nachzukommen.

Änderung der StAbwV

Der Rat der Europäischen Union beschließt zweimal jährlich über die Aufnahme nicht kooperativer Länder und Gebiete auf die sog. „Schwarze Liste“ bzw. über die Entfernung von Staaten von dieser Liste. Die Schwarze Liste führt aktuell 16 Länder und Gebiete, die in den Bereichen Transparenz bzw. Informationsaustausch, unfairer Steuerwettbewerb und Umsetzung der BEPS-Mindeststandards der OECD/G20 die anerkannten Standards nicht erfüllen (siehe FGS-Blog).

Das BMF schließt sich stets der Beurteilung des Rates der Europäischen Union an und ändert gemeinsam mit dem BMWK zum Jahresende die entsprechende Liste in der Steueroasen-Abwehrverordnung (StAbwV). Die geänderte StAbwV wurde am 20.12.2023 veröffentlicht (BGBl. I 2023 Nr. 375). Darin werden als nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete ausgewiesen (Hervorhebung der zum 20.12.2023 neu aufgenommenen Gebiete): Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Belize, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Russische Föderation, Samoa, Seychellen, Trinidad und Tobago, Turks- und Caicosinseln, Amerikanische Jungferninseln, Vanuatu.

Die Abwehrmaßnahmen und die gesteigerten Mitwirkungspflichten des StAbwG finden für die neu gelisteten Steuerhoheitsgebiete erstmals zum 1.1.2024 Anwendung (verzögerte Anwendung der §§ 8 und 11 StAbwG, s.o.).