Wachstumschancengesetz bringt neue Verrechnungspreisvorschriften für Finanztransaktionen ab 2024

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am 17. November 2023 das sog. Wachstumschancengesetz verabschiedet, mit dem die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken will. Nach erster Ablehnung des Bundesrats und zwischenzeitlich erfolgter Überarbeitung durch den Vermittlungsausschuss und anschließender Zustimmung durch den Bundestag, hat nunmehr auch der Bundesrat am 22. März 2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt.
Im Wachstumschancengesetz sind neue Verrechnungspreisvorschriften für Finanztransaktionen enthalten. Sie sollen den Fremdvergleich bei gruppeninternen Finanzierungsbeziehungen konkretisieren und sind erstmals für 2024 anzuwenden. Es ist kein Bestandsschutz für bereits bestehende Dauersachverhalte vorgesehen, so dass die Neuerungen auch für bereits laufende Gesellschafterdarlehen gelten und nicht nur auf erst in 2024 neu abgeschlossene Gesellschafterdarlehen beschränkt sind.
Nach § 1 Abs. 3d AStG soll es nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, wenn in bestimmten Fällen ein Aufwand, der aus einer gruppeninternen grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung resultiert, die Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert hat (Inbound-Fall). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass eine der beiden alternativen Voraussetzungen vorliegt:
Diese erstmalig gesetzlich geregelten Verrechnungspreisanforderungen an Finanzierungsbeziehungen enthalten eine Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen und Anwendungsfragen. Da kein Bestandsschutz für Dauersachverhalte vorgesehen ist, ist es fraglich, ob das „von Anfang an“ der Regelung 1 zur Schuldentragfähigkeit auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung abstellt, der durchaus einige Jahre zurückliegen kann.
Die Rechtsfolgen dieser Regelungen sind ebenfalls wenig präzise. Die Gesetzesmaterialien deuten aber bei der Regelung 1 – entgegen den internationalen Standards der OECD – auf eine vollständige Versagung des Zinsabzugs hin. Dagegen dürfte der Zinsabzug unter der Regelung 2 nur zu einer anteiligen Beschränkung des Zinsabzugs führen.
Nach § 1 Abs. 3e AStG soll regelmäßig von einer funktions- und risikoarmen Dienstleistung auszugehen sein (Regelung 3), wenn das Unternehmen die Finanzierungsbeziehung nur vermittelt oder es sich um Weiterleitungsdarlehen handelt, wovon u.a. bei einer Tätigkeit als konzerninterne Finanzierungsgesellschaft auszugehen ist. Zumeist bestimmt sich die Vergütung für die Ausübung der zuvor angeführten Tätigkeiten nach der Kostenaufschlagsmethode. Es ist jedoch bspw. unklar, inwieweit die Refinanzierungskosten des ausländischen Darlehensgebers bei Weiterleitungsdarlehen hinsichtlich der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zu berücksichtigen sind.
Durch die Vorlage einer Funktions- und Risikoanalyse kann jedoch ein Gegenbeweis erbracht werden, dass es sich doch nicht um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung handelt.
Mit den neuen Verrechnungsvorschriften soll das deutsche Steuerrecht weiter an das Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien angenähert werden, anstatt neben dem Fremdvergleich durch die von der Bundesregierung mit § 4l EStG-E ursprünglich beabsichtigte Zinshöhenschranke eine weitere Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs in das Einkommenssteuergesetz einzufügen. Denn obwohl einige einzelgesetzliche Änderungen von Verrechnungspreisvorschriften in der Vergangenheit bereits der Angleichung an die Empfehlungen der OECD dienten, bestand ohne die neuen Verrechnungspreisvorschriften des § 1 Abs. 3d und 3e AStG keine gesetzliche Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Finanztransaktionen. Eine solche Konkretisierung hat die OECD bereits im Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien vom Februar 2022 vorgenommen. Es ist jedoch fraglich, inwieweit die neuen Verrechnungsvorschriften den OECD-Empfehlungen vollends entsprechen werden.
Aus Unternehmenssicht ist es zu begrüßen, dass die deutschen Verrechnungspreisvorschriften zunehmend den international anerkannten OECD-Verrechnungspreisleitlinien (nunmehr zu Finanztransaktionen) entsprechen sollen. Dennoch ist die ausdrückliche gesetzliche Ungleichbehandlung von Inbound- und Outbound-Fällen kritisch zu sehen. Darüber hinaus wird die Regelung zu höheren Befolgungskosten und einem höheren Dokumentationsaufwand auf Seiten der Unternehmen führen.
Unternehmen sind daher gut beraten, nunmehr Folgendes anzugehen:
Sprechen Sie gerne die Autoren oder Ihren gewohnten FGS-Kontakt an, wenn Sie die in diesem Blog-Beitrag erörterten gesetzlichen Entwicklungen zu Verrechnungspreisen ausführlicher diskutieren möchten.