Die Corona-Krise hält auch für den M&A-Markt Herausforderungen bereit. Die Gründe hierfür sind schnell erklärt: Mit dem weitgehenden Lock-down sind bei allen Marktteilnehmern das kurzfristige Liquiditätsmanagement (inklusive der Inanspruchnahme staatlicher Corona-Hilfen) und angepasste Planungsrechnungen in den Vordergrund gerückt. Der Fremdkapitalzugang ist komplexer geworden und praktische Limitationen durch Reise- und Kontaktbeschränkungen behindern die Transaktionsprozesse. Schließlich führen stark veränderte Quartalszahlen (Current Trading) und weitere Planungsunsicherheiten zu Diskrepanzen zwischen Verkäufern und Käufern.

Eine generelle Investitionsbereitschaft ist aus dem Markt aber weiterhin deutlich erkennbar, auch getrieben durch volle Kassen bei vielen Investoren. Gleichwohl möchte im aktuell risikobehafteten Marktumfeld niemand zu teuer einkaufen. Dies wirkt sich auf die Bewertung, aber auch die Strukturierung der Gegenleistung aus.

Als Lösungsansätze kommen branchen- und geschäftsmodellabhängige Mechanismen zur Risikominimierung (Closing Accounts statt Locked Box) sowie zukunftsbezogene Transaktionselemente (im Sinne einer fortgesetzten Einbindung des Verkäufers durch Rückbeteiligungen, Vendor Loans oder Earn-outs) infrage. Ebenso dürften die Vendor Due Diligence und maßgeschneiderte Versicherungslösungen eine besondere Rolle zur Überbrückung von Informationsasymmetrien, Unsicherheiten und einer verstärkten Risikoaversion spielen.

Gesteigerte Attraktivität von Vendor Due Diligence Reports

Um im aktuellen Marktumfeld Transparenz und Vertrauen gegenüber potenziellen Investoren zu schaffen, kann eine systematische Aufbereitung von Informationen und Präsentation der Zielgesellschaft durch externe Spezialberater in einem Vendor Due Diligence Bericht oder (deskriptiven) Fact Book sinnvoll sein. Kaufinteressenten können sich so bereits frühzeitig ein erstes Bild des – bspw. steuerlichen – Risikoprofils verschaffen und von einem verkürzten Due-Diligence-Prozess profitieren, indem der eigene Due-Diligence-Berater auf den Verkäuferberichten aufsetzen kann (Top-up Due Diligence).

Für den Verkäufer bringt dies – neben dem potenziellen Interesse zusätzlicher Bieter – den Vorteil, dass er durch die eigene Analyse den Rahmen für die Risikobewertung vorgeben und etwaige identifizierte Versäumnisse in der steuerlichen Compliance durch korrigierte Erklärungen, Rechtsbehelfe oder nachträglich beantragte Bescheinigungen noch aufräumen kann.

Weitere Schwerpunkte der (Tax) Due Diligence

Auch die käuferseitige Tax Due Diligence muss sich im neuen Marktumfeld auf weitere Aspekte fokussieren:

  • Soweit Corona-induzierte Steuererleichterungen in Anspruch genommen wurden, ist das Vorliegen der betreffenden Voraussetzungen und mithin das Risiko einer etwaigen Rückforderung einzuschätzen.
  • Die konzerninterne Finanzierungsstruktur muss auch nach krisenbedingten Anpassungen dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen. Mit einer jedweden Veränderung von Leistungsverrechnungen (z.B. Gewährung oder Anpassung von Gesellschafterdarlehen, Garantien, Cash-Pooling) gehen dabei steuerliche Risiken für die Vergangenheit und für die Zukunft im In- und Ausland einher.
  • Restrukturierungsbeiträge im Konzern (bspw. Nachrangklauseln, Schuldübernahmen oder Forderungsverzichte) können zu steuerpflichtigen Erträgen führen, die aufgrund der deutschen Mindestbesteuerung nicht, oder nicht vollständig, mit bestehenden steuerlichen Verlustvorträgen verrechnet werden können.
  • Darüber hinaus sind die Auswirkungen einiger krisenverschärfender Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu untersuchen. Allen voran die Zinsschranke, die den abzugsfähigen Zinsaufwand an das – krisenbedingt geminderte – EBITDA des Wirtschaftsjahres knüpft, während der tatsächliche Zinsaufwand durch neue Schulden häufig sogar steigen wird.
  • Für umfangreiche Zinsvorträge oder Verlustvorträge aus dem Krisenjahr wäre angesichts des anstehenden Anteilseignerwechsels ein möglicher Untergang für Steuerzwecke zu prüfen.
  • Besteht eine ertragsteuerliche Organschaft und ist die Muttergesellschaft im Falle hoher Krisenverluste nicht in der Lage, den Verlustausgleichsanspruch der Tochtergesellschaft ohne weiteres zu erfüllen, kann dies zu einer rückwirkenden Versagung der Organschaft und dadurch verursachten Mehrsteuern führen.

W&I-Versicherungen als Brücke zwischen den Käufer- und Verkäufererwartungen

Käuferschutz gegen historische Steuerrisiken der Zielgesellschaft soll durch Steuergarantien und Steuerfreistellungsklauseln im Unternehmenskaufvertrag erreicht werden. Fehlt die Bereitschaft der Verkäufer für eine Haftungsübernahme, sind Versicherungen eine häufig genutzte Alternative. Warranty & Indemnity („W&I“) Versicherungen decken unbekannte Risiken aus dem Garantie- und Freistellungskatalog ab. Die Diskussion zwischen Verkäufer und Käufer reduziert sich mithin auf bekannte, d.h. im Rahmen der Due Diligence identifizierte, Steuerrisken sowie auf bestimmte standardmäßige Deckungsausschlüsse (für Tatsachenfragen-bezogene Risiken wie Verrechnungspreise), die gegebenenfalls über Kaufpreisabzüge oder spezielle Steuerfreistellungen abgedeckt werden können.

Gerade bei Private-Equity Verkäufern besteht grundsätzlich großes Interesse, die Haftung unter dem Kaufvertrag im klassischen Exit Szenario eines Anteilsverkaufs auf ein Minimum zu beschränken (nicht selten auf einen symbolischen Betrag von EUR 1), um den Verkaufserlös zeitnah nach Vollzug der Transaktion an die Investoren auszuzahlen.

Dieser Trend dürfte sich in Corona-Zeiten weiter verstärken und auch bei strategischen Verkäufern weiter in den Vordergrund rücken.

Stapled Insurance

Vertragspartner der W&I-Versicherung ist in der Regel der Käufer, der auch die Konditionen der Versicherungspolice verhandelt. Käuferseitig initiierte Versicherungspolicen müssen dabei auf den bereits vorliegenden Kaufvertragsentwurf abgestimmt werden und erfordern gegebenenfalls, dass die bereits durchgeführte Due Diligence entsprechend den Anforderungen des Versicherers ergänzt wird.

Diesen prozessualen Herausforderungen kann durch sog. Seller flip-over Buyer-Policen (bzw. Stapled Insurance) entgegengewirkt werden. Hierbei bereitet der Verkäufer zusammen mit dem Versicherer den Verkaufsprozess vor, indem er mit ihm die Police auf die Vendor Due Diligence und auf den im Verkäuferentwurf des Kaufvertrages enthaltenen Garantiekatalog abstimmt. Der vom Verkäufer angestoßene Prozess wird dem potenziellen Käufer angeboten, der dann die finalen Verhandlungen aufnimmt (flip-over) und selbst letztlich Versicherungsnehmer wird (Buyer-Police). Ob und inwieweit zusätzliche Garantien von der Versicherung umfasst werden, liegt damit in der Sphäre des Käufers.

Bei der Vorbereitung eines Auktionsprozesses bietet es sich daher als Verkäufer an, frühzeitig auf Versicherungsmakler bzw. Versicherungen zuzugehen und den Prozess sowie den Versicherungsschutz vorabzustimmen. Anders als übliche Haftungsausschlüsse (bspw. bei positiver Kenntnis), sollten breit gefasste Covid-19 Haftungsausschlüsse abgelehnt werden, da diese letztlich jeden Schaden umfassen können, wodurch der Versicherungsschutz möglicherweise ins Leere läuft. Vielmehr sollte aus Beratersicht darauf hingewirkt werden, dass z.B. Versicherungsschutz dafür besteht, dass die Voraussetzungen für Corona-bedingt erhaltene Steuererleichterungen erfüllt waren.

Synthetische Steuerfreistellung

Immer häufiger sehen verkäuferseitig initiierte Kaufverträge gar keine Steuerfreistellung bzw. Haftung für Steuergarantien gegen historische Steuerrisiken mehr vor. In diesen Fällen können sog. synthetische Steuerfreistellungen oder auch „Synthetic Warranties“ eine Lösung darstellen. Hierbei erklärt sich die Versicherung bereit, Gewährleistungen zu versichern, die selbst nicht im Kaufvertrag enthalten sind, d.h. die Steuerklauseln werden nur zwischen dem Käufer und der Versicherung in einem Anhang zur Versicherungspolice vereinbart. Für den Verkäufer hat dies den Vorteil, dass er bereits dem Grunde nach nicht haftet. Der Käufer kann die ohnehin komplexe Vertragsverhandlung mit dem Verkäufer entlasten, was insbesondere in Auktionsprozessen zu einem attraktiven Angebot beitragen kann.

Ein möglicher Nachteil besteht bei – im Prozess erkennbar werdenden – Deckungslücken darin, dass Anknüpfungspunkte im Unternehmenskaufvertrag für eine spezielle Steuerfreistellung schwerer fallen.

Sofern das bekannte Steuerrisiko auf einer Rechtsfrage basiert, könnte gegebenenfalls durch eine Erweiterung des W&I-Versicherungsschutzes im Wege einer sog. Affirmative Tax Coverage (bei kleineren bekannten Risiken) oder eine spezielle Tax Insurance eine Auslagerung auf die Versicherung erreicht werden.

Fazit

Die gestiegene Unsicherheit im aktuellen Marktumfeld dürfte dazu führen, dass Verkäufer einen zunehmend strukturierten Verkaufsprozess anstreben und sich mit einem Vendor Due Diligence Bericht oder einem Tax Fact Book gegenüber potenziellen Investoren präsentieren. Zudem dürften verstärkt neue W&I-Versicherungslösungen (z.B. Stapled Insurance oder synthetische Steuerfreistellungen) angeboten werden, um die Erwartungsdiskrepanzen zwischen Käufer und Verkäufer betreffend den Garantie- und Freistellungskatalog zu schließen.

Konsequenterweise erfordern jene Entwicklungen, dass Corona-bedingte Effekte wie bspw. Steuererleichterungen sowie krisenverschärfende Steuervorschriften sowohl im Rahmen der Tax Due Diligence als auch in der W&I-Versicherungspolice angemessen reflektiert werden.

Um Transaktionsprozesse weiterhin attraktiv und effizient zu gestalten und neue Risikotreiber frühzeitig zu identifizieren und abzusichern, sollten sich sowohl die am M&A-Prozess beteiligten Berater sowie potenzielle Investoren auf das veränderte Marktumfeld einstellen.