Mündliche Verhandlungen per Videokonferenz gewinnen – auch nach der Pandemie – zusehends weiter an Bedeutung. So wurden etwa vor dem Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2023 über die Hälfte der mündlichen Verhandlungen per Video oder zumindest hybrid mit einem per Videokonferenztechnik zugeschalteten Beteiligten durchgeführt (vgl. BFH Jahresbericht 2023, Seite 6 f.). Für Steuerpflichtige und deren Berater gilt es dabei jedoch Besonderheiten zu beachten.
Besonderheiten der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz
Rechtsgrundlage für die Möglichkeit zur Übertragung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz ist § 91a FGO. Der Einsatz von Videotechnik ist sowohl bei mündlichen Verhandlungen als auch bei Erörterungsterminen möglich. Derjenige, der im Wege einer Videoverhandlung zugeschaltet werden möchte, sollte bereits in seinem Antrag nach § 91a FGO konkret darlegen, von welchem Ort er an der Videoverhandlung teilnehmen möchte, welche technischen Übertragungsmittel ihm zu Verfügung stehen und wie die Sicherheit der Datenübertragung gewährleistet wird.
Die Entscheidung über den Antrag nach § 91a FGO steht im Ermessen des Gerichts. Abzuwägen sind das Interesse des Antragstellers einerseits (z.B. zeitliche/gesundheitliche Schwierigkeiten, Kostenersparnis je nach An- und Abreiseweg) und die Bedeutung der Grundsätze der Mündlichkeit/Unmittelbarkeit im konkreten Einzelfall (persönlicher Eindruck eines Beteiligten/Zeugen) andererseits.
Gibt das Gericht dem Antrag statt, werden den Beteiligten regelmäßig die Zugangsdaten seitens des Gerichts rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Über welche Programme das jeweilige Gericht verhandelt, ist nicht gesetzlich vorgegeben. So verhandelt z.B. das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg nur einheitlich für alle Beteiligten technisch über die Programme „Cisco WebEx Meetings“ oder „Polycom“. Andere Gerichte verwenden andere Programme: Das FG Berlin-Brandenburg nutzt die Software „BigBlueButton“ (BBB), das FG Hessen verhandelt über „HessenConnect“ (basierend auf „Skype for Business“) und das Niedersächsische FG nutzt wiederum das Programm „Skype for Business“.
Um eine Teilnahme per Videokonferenz zu ermöglichen, müssen die Beteiligten dem Gericht ihre E-Mail-Adresse, eine Telefonnummer (unter der die Beteiligten während der mündlichen Verhandlung durchgehend erreichbar sind) und den Ort, von dem die Teilnahme beabsichtigt ist, mitteilen. Für einen reibungslosen Ablauf einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz geben Merkblätter der Gerichte praktische Hinweise (so z.B. das Merkblatt des FG Baden-Württemberg). Mit Rücksicht auf die technischen Details ist dem Antragsteller zu raten, von der Möglichkeit eines „Testlaufs“ in Rücksprache mit dem Gericht Gebrauch zu machen, um so bereits im Vorfeld technische Probleme beheben zu können. Denn eins hat sich inzwischen auch gezeigt: Mit dem Einsatz neuer Technik geht einher, dass darauf aufsetzende Verfahrensfehler an Bedeutung gewinnen (z.B. BFH, Beschluss v. 30.6.2023 – V B 13/22: Keine Beschränkung des Bildausschnitts auf einzelne Richter).
Fazit
Die Möglichkeit der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz bietet gewiss einige Vorteile: Der damit einhergehende Entfall von An- und Abreisen spart nicht nur Kosten, sondern liefert auch einen Beitrag zum immer wichtiger werdenden Umweltschutz. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige bzw. der steuerliche Berater bei der Entscheidung, ob ein Antrag nach § 91a FGO gestellt wird, aber stets auch die Vorteile einer mündlichen Verhandlung in Präsenz im Blick zu behalten: Die unmittelbare (nicht über ein elektronisches Medium erfolgende) Kommunikation und schnellere Reaktionsmöglichkeiten auf Fragen des Gerichts sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne die Gefahr von unerwarteten technischen Problemen können im Steuerstreit den Ausschlag geben.
Ausblick
Der Gesetzgeber beabsichtigt durch das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten, den Einsatz von Videokonferenztechnik weiter zu fördern. Danach ist etwa vorgesehen, den richterlichen Entscheidungsspielraum hinsichtlich eines Antrags auf Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz einzuschränken. Da die Bundesländer grundlegende Bedenken gegen die Gesetzesänderung haben, ist das Vorhaben derzeit Gegenstand der noch nicht abgeschlossenen Beratungen des Vermittlungsausschusses. Hier soll es aber inzwischen einen Kompromissentwurf als Grundlage für eine Einigung geben (vgl. Die Nachricht bei LTO: Videoverhandlung unter Richtervorbehalt).