Plastikmüllabgabe: Auch Amazon & Co. müssen ran

11.05.2023 | FGS Blog

Hersteller von Einwegplastik müssen ab dem kommenden Jahr eine Sonderabgabe zahlen – den entsprechenden Gesetzesentwurf hat der Bundesrat Ende März beschlossen. Doch auch Dritte werden nun in die Verantwortung gezogen. Wer leichtfertig und aus Kostengründen auf Einwegplastik setzt und bei der weiteren Verwendung und Nutzung das Gesetz umgeht, muss mit hohen Geldbußen rechnen.

Die EU hat sich große Ziele gesetzt: Mit Projekten wie dem „EU Green Deal“ will sie nicht nur den Treibhausgasausstoß massiv reduzieren, sondern auch den Plastikmüllfluten auf den Straßen hat sie den Kampf angesagt. „Coffee-to-go“-Becher, Plastiktüten oder Zigarettenstummel – sie alle verschmutzen die Umwelt, die Entsorgung kostet die Kommunen jährlich fast eine halbe Milliarde Euro. Um einer unsachgemäßen Entsorgung möglichst früh entgegenzuwirken, soll die Produktion deutlich reduziert werden. Hierfür sollen nun ab dem kommenden Jahr die Hersteller der Einwegprodukte eine Sonderabgabe zahlen; den entsprechenden Gesetzesentwurf des Bundesumweltministeriums zur Umsetzung der EU-Vorgaben hat der Bundesrat gebilligt.

Doch nicht nur die Hersteller selbst nimmt das neue Gesetz in die Pflicht: Zu leicht könnten insbesondere Produzenten aus dem Ausland über Online-Marktplätze wie „Amazon Marketplace“ oder „Ebay“ Plastikartikel direkt an heimische Konsumenten verkaufen und sich dabei dem Zugriff des Staates entziehen. Um Steuerumgehungen zu vermeiden, müssen daher auch Plattformbetreiber kontrollieren, ob ihre Verkäufer die neue Sonderabgabe entrichten. Gleiches gilt für Geschäftspartner der Hersteller, die Einwegplastikprodukte ankaufen, um sie anschließend weiter zu veräußern, oder die diese Produkte im Auftrag des Herstellers abpacken oder versenden sollen, und so die Verbreitung unterstützen. Möglich machen soll dies ein öffentlich zugängliches (Online-)Register des Bundesumweltministeriums, das alle zur Entrichtung der Abgabe registrierten Hersteller erfasst. Wer die Steuerehrlichkeit seines Geschäftspartners dort nicht kontrolliert und trotz fehlender Registrierung weiter mit diesem kooperiert, dem drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 100.000 Euro.

Ziel dieser Regelung soll es sein, nicht registrierte Hersteller von Plastikmüll vollständig vom inländischen Markt auszuschließen. Die Strategie, hierzu die an der Verbreitung beteiligten Vertragspartner in der Lieferkette zu verpflichten, macht sich Selbstregulierungseffekte zu Nutze – und ist nicht neu. Sie ist vielmehr Teil eines Trends, staatliche Kontrollpflichten zunehmend auf Private zu verlagern, die schon aus Eigenschutz die Rechtschaffenheit ihrer Vertragspartner kontrollieren.

Bewährt hat sich ein solches Vorgehen bereits in der Umsatzsteuer. Dort hatte die Einführung der Haftung von Online-Plattformen für über sie anbietende Händler in zwei Jahren zu ca. 50.000 Registrierungen ausländischer Händler geführt.

Handhabe bei den europäischen Nachbarn

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass die Einführung von Maßnahmen gegen Plastikmüll und andere umweltbelastende Abfälle – unabhängig von europarechtlichen Vorgaben – kein deutscher Sonderweg ist.

Länder, wie Frankreich, Großbritannien oder Schweden haben bereits Systeme der Herstellerverantwortung oder auch Abgaben eingeführt.

Hervorzuheben ist Spanien, das seit dem 1. Januar eine Abgabe von 0,45 Euro pro Kilogramm nicht wiederverwertetem Kunststoff in Einwegverpackungen erhebt. Das Gesetz sieht dort ebenfalls eine erweiterte Herstellerhaftung vor, indem die Definition des Herstellers nicht nur auf den Produzenten der Ware begrenzt ist, sondern sich auch auf die Betreiber von E-Commerce-Plattformen erstreckt. Die Abgabe greift für die Herstellung, den Bezug aus anderen EU-Staaten sowie den Import aus Drittstaaten. Ausgenommen von der Besteuerung ist nur, wer die Freigrenze von fünf Kilo pro Monat bei Bezügen aus der EU nicht überschreitet.

Neben der reinen Abgabe treffen die Hersteller nicht unwesentliche administrative Verpflichtungen, von der Registrierung, über Deklarationspflichten bis hin zur Benennung von lokal ansässigen Bevollmächtigten für ausländische Unternehmen. Bei Zuwiderhandlungen drohen empfindliche Strafen.

Einen ähnlichen Weg der erweiterten Herstellerverantwortung mit einem weiten Begriffsverständnis geht Frankreich. Dort umfasst der Begriff "Hersteller" jede Person, die abfallerzeugende Produkte oder die zu ihrer Herstellung verwendeten Elemente und Materialien entwickelt, herstellt, behandelt, verarbeitet, verkauft oder importiert. Entscheidend ist, wer das Produkt auf dem französischen Markt in Verkehr bringt – ausdrücklich auch die Betreiber elektronischer Marktplätze.

Der Kreis der betroffenen Produkte wurde dabei zum 1. Januar erheblich erweitert (z.B. auf Haushaltsverpackungen, Elektrogeräte, Textilien, Akkus und Spielzeug) und soll in den nächsten Jahren zunehmend ergänzt werden, unter anderem um Einweg-Hygieneprodukte und Fischereibedarf.

Die genannten Beispiele zeigen – vor dem Hintergrund vielfältiger weiterer nationaler Regelungen – eine problematische Rechtszersplitterung innerhalb der EU. So entsteht für grenzüberschreitend tätige Unternehmen ein erheblicher Verwaltungs- und Compliance-Aufwand durch die Anpassung an die jeweiligen Regelungssysteme. Dadurch werden vor allem kleinere Unternehmen stark belastet und müssen die Kosten eines Marktzugangs daher in Zukunft sorgfältig abwägen.

Zwar sind die meisten Länder auf einem guten Weg, die Verschmutzung durch Einwegkunststoffprodukte zu reduzieren. Um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, wäre jedoch eine Abstimmung der Regelungen und einheitliche Umsetzung innerhalb der EU wünschenswert.