Anlässlich der BFH-Entscheidung vom 28. September 2022 – II R 13/20, DStR 2022, 2495 zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen hat die Finanzverwaltung den Erlass zu § 6a GrEStG, der Steuerbefreiung für Umstrukturierungen im Konzern, überarbeitet.
“Unterster Rechtsträger“ statt Konzernspitze ist herrschendes Unternehmen
Die Finanzverwaltung sieht nach den neuen Erlassen nicht mehr die Konzernspitze (oberster Rechtsträger, der die Beteiligungsvoraussetzungen erfüllt), sondern den „untersten“ Rechtsträger, der die Mindestbeteiligungshöhe in Höhe von 95 % und die fünfjährige Vorbehaltensfrist erfüllt, als herrschendes Unternehmen an. Damit setzt sie die BFH-Rechtsprechung um, wonach das herrschende Unternehmen „ausgehend vom Umwandlungsvorgang“ zu bestimmen ist.
Neubestimmung während der Nachbehaltensfrist?
Aus dem aktuellen Erlass wird nicht klar, wie die Finanzverwaltung zukünftig damit umgeht, wenn das im Umwandlungszeitpunkt bestimmte herrschende Unternehmen die Nachbehaltensfristen des § 6a GrEStG nicht einhält, allerdings eine andere Gesellschaft im Konzern weiterhin die Voraussetzungen eines herrschenden Unternehmens erfüllt. In diesem Fall sind u.E. die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt, denn nach dem Gesetzeswortlaut genügt es, wenn zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Vor- und Nachbehaltenszeitraums „ein“ herrschendes (und nicht notwendigerweise das im Umwandlungszeitpunkt gedachte) Unternehmen vorhanden ist. Der BFH hat im oben genannten Urteil unter Tz. 30 klargestellt, dass die Frage, wer herrschendes Unternehmen ist, bei Strukturveränderungen im Nachbehaltenszeitraum neu beurteilt werden kann. Eine Festlegung (oder gar gesonderte Feststellung) im Zeitpunkt der Umwandlung, welcher Rechtsträger herrschendes Unternehmen ist, ist in der Regelung des § 6a GrEStG nicht angelegt.
Weitere Änderungen
Neben der (jedenfalls teilweisen) Umsetzung des BFH-Urteils II R 13/20 hat die Finanzverwaltung ergänzende Ausführungen zur Besitzzeitanrechnung bei Anteilserbschaft und -schenkung vorgenommen und den Wortlaut an die neuen Quoten, Fristen und Tatbestände nach dem Grunderwerbsteueränderungsgesetz 2021 angepasst.
In Tz. 3.1 der neuen Ländererlasse ist zudem die Formulierung zur wirtschaftlichen Tätigkeit bei Holding- und Vorratsgesellschaften geringfügig modifiziert worden. Bei der alten Formulierung waren Restzweifel verblieben, ob es ausreicht, wenn das herrschende Unternehmen selbst nur eine Holding- oder Vorratsgesellschaft ist. Durch die neue Formulierung wurden diese Zweifel ausgeräumt. Herrschendes Unternehmen kann nach nun klargestellter Verwaltungsauffassung also auch eine reine Holding- oder Vorratsgesellschaft sein, sofern ihr die wirtschaftliche Tätigkeit einer abhängigen Gesellschaft zugerechnet werden kann.
Die viel zu restriktiven und aus der BFH-Rechtsprechung nicht ableitbaren Anforderungen, dass das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit bei einer „am Umwandlungsvorgang beteiligten“ abhängigen Gesellschaft und über den „innerhalb der fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen ununterbrochen“ vorliegen müsse, wurden bedauerlicherweise beibehalten. Hier ist neuer Streit vorprogrammiert.
Ausblick
Bereits jetzt sind sieben neue BFH-Verfahren zu weiteren Zweifelsfragen des § 6a GrEStG anhängig. Im Rahmen der aktuell diskutierten Anpassung des GrEStG an das MoPeG sollte erwogen werden, nicht nur die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG, sondern auch § 6a GrEStG gründlich zu überarbeiten und durch eine sachgerechte, übergreifende Steuerbefreiung zu ersetzen.
Eine ausführliche Version dieses Beitrags lesen Sie in einer der nächsten Ausgaben der DStR.