Keine passive Entstrickung durch Änderung des DBA-Spanien zum 1.1.2013 (FG Münster v. 10.08.2022 – 13 K 559/19 G,F)

08.11.2022 | FGS Blog

Hintergrund

Mit Wirkung zum 1.1.2013 wurde in das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Spanien eine sog. Immobilienklausel aufgenommen, die das zusätzliche Besteuerungsrecht von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen, deren Aktivvermögen zu mindestens 50 % aus unbeweglichem Vermögen besteht (sog. Immobiliengesellschaft), auch dem Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens zuweist. Deutschland als Ansässigkeit ist zur Vermeidung einer drohenden Doppelbesteuerung zur Steueranrechnung verpflichtet. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass es durch das Revisionsabkommen zu einer sog. passiven Entstrickung nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AStG a.F. (bei Privatvermögen) oder § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (bei Betriebsvermögen) im VZ 2013 kommt (Schreiben vom 26.10.2018 – IV B 5 - S 1348/07/10002-01) und weist auf die entsprechenden Mitwirkungspflichten nach § 138 Abs. 2 AO hin. Mit der vorliegenden Entscheidung erteilt das FG Münster (vom 10.08.2022 – 13 K 559/19 G, F) der Ansicht der Finanzverwaltung eine Absage.

Urteil des FG Münster

Geklagt hatte eine KG mit Sitz im Inland, deren beide Kommanditisten zugleich an einer spanischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer S.L. beteiligt waren. Die Anteile an der S.L. waren dem Sonderbetriebsvermögen II der beiden Kommanditisten – einer wohnhaft in Deutschland und der andere in der Schweiz – bei der Klägerin zugeordnet. Die S.L. wies in ihrer Bilanz zum 31.12.2012 unbewegliches Vermögen von ca. 59 % der Bilanzsumme aus, weshalb die Finanzverwaltung eine Immobiliengesellschaft im Sinne des Revisionsabkommens mit Spanien annahm und aus der Änderung des DBA eine passive Entstrickung der in dem Anteil ruhenden stillen Reserven zum 1.1.2013 ableitete und gemäß § 4 Abs 1 Satz 3 EStG der Besteuerung zum gemeinen Wert unterwarf.

Die KG rügte, eine Entstrickung ohne aktive Handlung des Steuerpflichtigen könne keine Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns bewirken. Zudem verstoße eine sofort fällig werdende Einkommensteuer ohne Stundungsmöglichkeit gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung habe die Klägerin mangels Zuordnung zu einer Betriebsstätte nicht bilden können.

FG Münster gibt Klage statt

Das FG Münster gab der Klage statt. Dabei könne dahinstehen, ob der „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts bereits die Gefährdung durch eine zukünftige Steueranrechnung bei tatsächlicher Veräußerung der Anteile genügt. Jedenfalls sei § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bereits deshalb nicht einschlägig, weil die Änderung eines DBA nicht der Klägerin bzw. ihren Kommanditisten zuzurechnen sei. Vielmehr bedürfe es aus systematischen Gründen hierfür eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen.

Gleiches ergebe sich auch aus der Gesetzeshistorie. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit Einführung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch Fälle der passiven Entstrickung erfassen wolle. Er habe vielmehr die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der finalen Entnahme, die die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte als fiktiven Gewinnrealisation behandelt hatte, gesetzlich regeln wollen, also allein Fälle der aktiven Entstrickung. Nichts anderes ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 4g Abs. 1 EStG durch das ATAD-UmsG vom 25.06.2021, wonach nunmehr auch die passive Entstrickung erfasst werden soll.

Eine solche Intention könne nicht auf die gesetzeshistorische Auslegung der Fassung, welche im Streitjahr anzuwenden war, zurückwirken. Anderenfalls wäre § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mangels Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs der Besteuerung zudem europarechtswidrig, denn § 4g EStG, der die Möglichkeit der Bildung eines Ausgleichspostens vorsieht, erfasste im Streitjahr 2013 noch keine Fälle der passiven Entstrickung.

Praxistipp

Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt das FG Münster die überwiegende Ansicht in der Literatur, wonach die Regelungen zur Wegzugs- oder Entstrickungsbesteuerung eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen erfordern. Ein schlichtes Tätigwerden des Gesetzgebers könne danach nicht dem Steuerpflichtigen angelastet werden. Erste Zweifel hatte bereits das FG Köln geäußert (vgl. FG Köln vom 17.06.2021 – 15 K 888/18).

Im Verhältnis zu Spanien waren vom Revisionsabkommen diverse Immobilienstrukturen betroffen, weil spanische Immobilien häufig über deutsche oder spanische (ein- oder zweistufige) Kapitalgesellschaftsstrukturen gehalten wurden, insb. aus Gründen der spanischen Erbschaft-, Schenkung- und Vermögensteuer.

Sofern Immobilien (überwiegend) privat genutzt werden, ist diese Strukturvariante nicht zu empfehlen, weil nur bei Zahlung einer fremdüblichen Jahresmiete (s. FG Hessen vom 14.12.2020 – 9 K 1266/1) das Risiko einer verdeckten Gewinnausschüttung vermieden werden kann, was gesamtwirtschaftlich aber häufig nachteilhaft ist. Daher ist es empfehlenswert, die Übertragung des Immobilienvermögens in das steuerliche Privatvermögen regelmäßig zu prüfen, ohne dabei die spanische Grunderwerbsteuer auszulösen.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die geplante Einführung einer Immobiliengesellschaftsklausel im Rahmen des Multilateralen Instruments (z.B. mit Italien) sowie das bisher noch nicht in Kraft getretene Revisionsabkommen mit Südafrika aus 2008, welches dem Vernehmen nach zeitnah unterzeichnet werden soll, hinzuweisen. Auch in diesen Konstellationen kann es zur sog. passiven Entstrickung kommen. Es bleibt daher abzuwarten, ob der BFH die passiven Entstrickung für zulässig erachtet.