Das Thema Verrechnungspreise rückt insbesondere in Betriebsprüfungen immer mehr in den Fokus der Finanzbehörden und Finanzgerichte. Vor diesem Hintergrund lohnt der Blick auf die internationale Rechtsprechung. Denn die international anerkannten Auslegungsgrundsätze von Entscheidungen ausländischer Gerichte können ihrerseits wiederum Erkenntnisse für das Verständnis des deutschen Steuerrechts mit sich bringen.

Nachfolgend geben wir einen Rückblick auf ausgewählte Rechtsprechung vom Oktober und November 2023.

Frankreich: Berufungsgericht Versailles v. 30.11.2023 in der Rs. SKF Holding France

Streitfall: Funktionsprofil eines Verlustunternehmens

Die französische Tochtergesellschaft RKS S.A. ist Herstellerin von Kugellagern. Alleingesellschafterin der RKS S.A. ist die SKF Holding France SAS (Klägerin). Die Nettogewinnmarge der RKS S.A. betrug -10,46% bzw. -21,87% in den Prüfungsjahren 2009 und 2010. Die französischen Finanzbehörden nahmen Verrechnungspreiskorrekturen auf Basis einer Datenbankstudie und der Anwendung der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) vor und begründeten dies damit, dass es sich bei der RKS S.A. um einen Routine-Auftragsfertiger handelte, welcher als solcher keine Verluste tragen dürfe. Nach Ansicht des Steuerpflichtigen ist die Tochtergesellschaft hingegen als Strategieträger zu qualifizieren, da sie wesentliche Entwicklungs- und Marktrisiken trug und eigenverantwortlich die strategische Entscheidung traf, sich ab 2006 auf den Markt für Windturbinen auszurichten.

Berufungsgericht urteilt zugunsten des Steuerpflichtigen

Gegen die Verrechnungspreiskorrektur erhob die SKF Holding France SAS Klage. Der Conseil d’État begründete seine Entscheidung zugunsten der Klägerin mit dem Erfordernis einer genauen Funktions- und Risikoanalyse der RKS S.A. und der Berücksichtigung der geänderten Geschäftsstrategie. Dem schloss sich nunmehr das Berufungsgericht an und entschied mit Urteil v. 30.11.2023 zugunsten des Steuerpflichtigen. Die neue Entscheidung wurde damit begründet, dass die RKS S.A. die Risikokontrollfunktionen in Bezug auf wesentliche Entwicklungs- und Marktrisiken ausübte sowie über die finanzielle Kapazität verfügte, diese Risiken auch zu tragen. Die sodann in den Prüfungsjahren materialisierten Risiken haben zu den Betriebsverlusten geführt und sind anzuerkennen.

Großbritannien: Upper Tribunal v. 20.10.2023 in der Rs. Refinitiv Limited

Streitfall: Methodenwahl im Nach-APA-Zeitraum

Der Fall betrifft die Behandlung immaterieller Vermögenswerte einer Schweizer Konzerngesellschaft im Thomson Reuters Konzern, deren Wert unstreitig durch ein britisches Konzernunternehmen im Wege der Dienstleistungserbringung erhöht wurde. Für die Jahre 2010 bis 2014 wurde die fremdübliche Preisgestaltung für diese Dienstleistungen durch ein Vorabverständigungsverfahren (APA) abgedeckt, bei dem die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM) auf Basis der Kostenaufschlagsmethode angewendet wurde. Dieses APA lief Ende 2014 aus und wurde nicht erneuert.

In 2018 veräußerte die Schweizer Konzerngesellschaft die immateriellen Vermögenswerte. Die britischen Finanzbehörden erließen daraufhin einen Steuerbescheid für Zwecke der extraterritorialen Diverted Profits Tax (sog. „Google-Steuer“), der zu Mehrsteuern von GBP 167 Mio. führte. Die Finanzbehörden wandten die Gewinnaufteilungsmethode an, um den auf die britischen Konzerngesellschaften entfallenden Anteil an dem Veräußerungsgewinn zu ermitteln.

Der Steuerpflichtige argumentierte, dass die steuerliche Anerkennung der Bepreisung der vor 2015 erbrachten Dienstleistungen durch das APA gedeckt sei, weshalb keine andere Verrechnungspreismethode angewendet werden dürfe. Die Finanzbehörden vertraten hingegen die Auffassung, dass das APA nur die Besteuerung von Gewinnen im Zeitraum bis Ende 2014 abdecke. Daher stünde es ihnen frei, einen Steuerbescheid für einen späteren Veranlagungszeitraum (hier: 2018) zu erlassen, dem die Anwendung einer anderen Verrechnungspreismethode (hier: Gewinnaufteilungsmethode) zugrunde lag als für den APA-Zeitraum steuerlich anerkannt wurde.

Entscheidung des Upper Tribunal zugunsten der Finanzbehörden

Das Upper Tribunal entschied mit Urteil v. 20.10.2023, dass der Steuerbescheid für 2018 nicht durch die Bestimmungen des APA beschränkt wurde. Dies deshalb, weil der APA-Zeitraum sich auf fünf Jahre beschränkte und die Finanzbehörden damit nur gehindert waren, Verrechnungspreiskorrekturen in den Jahren 2008-2014 (inkl. Roll-back-Zeitraum) festzusetzen. Mangels ausdrücklicher Regelung im APA umfasste es nicht die Gewinnermittlung für 2018, in dem der Verkauf der immateriellen Vermögenswerte erfolgte, auch wenn die festgesetzten Mehrsteuern teilweise auf wertschöpfende Tätigkeiten im APA-Zeitraum beruhten. Das APA hinderte die Finanzbehörden aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nicht daran, für 2018 eine andere Verrechnungspreismethode anzuwenden als sie dem APA zugrunde lag.

Fazit

Die in diesem Blog-Beitrag diskutierte internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen lassen Streitthemen zur Bindungswirkung von APAs und zum Funktionsprofil eines Verlustunternehmens erkennen.

Sprechen Sie gerne den Autor oder Ihren gewohnten FGS-Kontakten an, wenn Sie die in diesem Blog-Beitrag diskutierte internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen ausführlicher erörtern möchten.