Das Thema Verrechnungspreise rückt insbesondere in Betriebsprüfungen immer mehr in den Fokus in- und ausländischer Finanzbehörden und Finanzgerichte. Vor diesem Hintergrund lohnt der Blick auf die internationale Rechtsprechung. Denn eine unter Heranziehung international anerkannter Auslegungsgrundsätze ergangene Entscheidung ausländischer Gerichte kann ihrerseits wiederum Erkenntnisse für das Verständnis des deutschen Steuerrechts mit sich bringen.

In diesem Rückblick finden Sie einen Überblick über ausgewählte Rechtsprechung vom Mai und Juni 2023.

Frankreich: France vs SAS Weg France, 25. Mai 2023, CAA, Case N° 21LY03690

Streitfall: Vertriebsunternehmen mit Finanzfunktion

Die Klägerin (SAS Weg France) bezog als Vertriebsunternehmen Waren von Lieferanten der WEG Equipamentos Elétricos SA-Gruppe. Die für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen beglich sie innerhalb von 30 Tagen, die Lieferung erfolgte jedoch erst nach zwei bis drei Monaten. Auch die Zahlungen der eigenen Kunden erfolgte in der Regel erst nach 45 bis 50 Tagen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung, bei der die Klägerin geforderte Verrechnungspreisdokumentationen nicht vorlegen konnte, nahm die französische Steuerbehörde eine Verrechnungspreiskorrektur nach einer Benchmark-Studie mit vierzehn Vergleichsunternehmen vor und verringerte die ursprünglich erklärten Verluste bzw. forderte zur Zahlung zusätzlicher Körperschaftssteuer auf. Nach Ansicht der Steuerbehörden übte die Klägerin eine unentgeltliche Finanzfunktion aus.

Hiergegen wehrte sich die Klägerin und hatte schließlich im Berufungsverfahren Erfolg. Das französische Oberverwaltungsgericht hob das vorinstanzliche Urteil auf und entschied zugunsten der Klägerin.

Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (CAA)

Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts konnten die französischen Steuerbehörden nicht nachweisen, dass eine Verrechnungspreiskorrektur erforderlich war. Prozessual wurde der Vortrag der Klägerin, dass es an einer Vergleichbarkeit der herangezogenen 14 Vergleichsunternehmen fehlte, von den Steuerbehörden nicht bestritten. Insbesondere übten neun der Vergleichsunternehmen ihre Vertriebstätigkeit nicht im industriellen Sektor aus, sodass Unterschiede in den Gewinnspannen der Klägerin und der Vergleichsunternehmen erklärt werden konnten. Die übrigen fünf Vergleichsunternehmen wiesen wiederum eine mit der Klägerin übereinstimmende Gewinnspanne auf.

Spanien: Spain vs Institute of International Research España S.L., 7. Juni 2023, Audiencia Nacional, Case No SAN 3426/2023 – ECLI:EN:AN:2023:3426

Streitfall: Lizenzgebühren und Dienstleistungsentgelte

Die zur Informa-Gruppe gehörende Klägerin (Institute of International Research España S.L.) schloss im Jahr 2006 einen Lizenzvertrag sowie 2007 einen Dienstleistungsvertrag mit nahestehenden Unternehmen ihrer Gruppe ab, die die folgenden Preisklauseln enthielten: Für die Markennutzung u.a. zahlte die Klägerin 6,5 % ihres Bruttoumsatzes an die niederländische Institute of International Research BV; für unterstützende Dienstleistungen wurden die Kosten der Informa PLC gedeckt und ein Aufschlag von 5 % von diesen Kosten gezahlt.

Die spanischen Steuerbehörden versagten für die Geschäftsjahre 2007 und 2008 den Abzug der Lizenz- und Dienstleistungszahlungen, wogegen sich die Klägerin bis zuletzt vor dem Audiencia Nacional wehrte. Der Audiencia Nacional gab der Klage statt und hob die Nachforderungsbescheide der Steuerverwaltung auf.

Entscheidung des Audiencia Nacional

Der Audiencia Nacional begründete seine Entscheidung damit, dass im Fremdvergleich die Gruppe eine unentgeltliche Markennutzung von fremden Dritten nicht zulassen würde. An der Abzugsfähigkeit der Kosten ändere daher auch nichts, dass vor Abschluss der Verträge keine Zahlung für die Markennutzung geflossen ist. Hinsichtlich der Dienstleistungen sah das Gericht die von der Klägerin vorgelegten Beweismittel für das tatsächliche Erbringen der Dienstleistungen als ausreichend an. Es reiche nicht aus, festzustellen, dass einige dieser Dienstleistungen "schwer zu unterscheiden" seien, auch wenn die vorgelegten Rechnungen sehr allgemein gehalten wurden. Die Steuerbehörden stellten gerade nicht die Bewertung des Dienstleistungsentgelts in Frage, sondern deren tatsächliche Erbringung.

Spanien: Spain vs Ferroli España, S.L.U., 31. Mai 2023, Audiencia Nacional, Case No 3400/2023 – ECLI:EN:AN:2023:3400

Streitfall: Medianwertkorrekturen

In den Streitjahren 2010 und 2011 tätigte die Klägerin (Ferroli España, S.L.U.) verschiedene Geschäfte mit weiteren Unternehmen der Ferroli-Gruppe und meldete negative Gewinnmargen aus diesen Geschäften an. Die Steuerbehörden passten diesen Gewinn an den Medianwert einer Datenbankstudie im Rahmen der Anwendung der TNMM an, sodass eine Steuernachzahlung erforderlich wurde. Dagegen wandte sich die Klägerin u.a. vor dem Audiencia Nacional. Dieser schloss sich überwiegend der Argumentation der Steuerbehörden an, reduzierte allerdings die Gewinnanpassung.

Entscheidung des Audiencia Nacional

Nach Ansicht des Audiencia Nacional liegen die tatsächlichen Gewinnmargen außerhalb der Fremdvergleichsbandbreite, allerdings könne eine Anpassung an den Medianwert nur dann vorgenommen werden, wenn das Vorliegen von Vergleichsfehlern nachgewiesen worden wäre. Mangels hinreichender Beweismittel wurde die Berichtigung auf das untere Quartil (3 % ROS) reduziert. Die von der beklagten Verwaltung vorgebrachte Begründung, dass die ermittelten Gewinnspannen aufgrund von Vergleichbarkeitsmängeln zu groß seien, sei nicht ausreichend, um die Anwendung des Medianwerts gemäß Rz. 3.61 der OECD Verrechnungspreisleitlinien zu begründen.

Fazit

Die in diesem Blog-Beitrag diskutierte internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen lassen Streitthemen zu Finanzleistungen, Marken- und Dienstleistungsentgelten sowie Medianwertkorrekturen erkennen.

Sprechen Sie gerne den Autor oder Ihren gewohnten FGS-Kontakten an, wenn Sie die in diesem Blog-Beitrag diskutierte internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen ausführlicher erörtern möchten.