Vermehrt wird in Betriebsprüfungen verlangt, dass E-Mails von Mitarbeitern offengelegt werden. Angefordert wird dabei die Vorlage eines Gesamtjournals mit allen, auch steuerlich nicht relevanten E-Mails. Ziel der Finanzverwaltung ist es, konzerninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zu überprüfen. Dies dient nicht nur als tatsächlicher Leistungsnachweis, sondern auch dazu, die Wahl der Verrechnungspreismethode kritisch zu beleuchten.

Die Finanzverwaltung begründet diese Anforderung mit ihrem Recht, elektronisch aufbewahrte Unterlegen im Rahmen der Außenprüfung einsehen zu dürfen. Der Steuerpflichtige hat nämlich die Pflicht, empfangene oder abgesandte Handels- und Geschäftsbriefe aufzubewahren, sofern sie steuerlich relevant sind. Die Rechtsgrundlage hierfür bildet § 147 Abs. 6 AO iVm § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3, und 5 AO. Wie auch in diesem Fall geht es darum, die zugrunde gelegte Buchhaltung sowie die Verrechnungspreise der Konzerngesellschaften zu überprüfen.

Streitfall und Urteil

Das Urteil des Finanzgericht Hamburgs vom 23.03.2023 befasst sich mit der Frage, inwieweit die Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung Zugriff auf Daten und insbesondere E-Mails fordern darf. Im Streitfall war konkret zu prüfen, ob die Finanzverwaltung die Vorlage eines elektronischen Gesamtjournals mit sämtlichen empfangenen bzw. versandten E-Mails beanspruchen darf. Dies wurde als rechtswidrig erachtet, da es die Befugnisse der Finanzverwaltung aus § 147 Abs. 6 AO überschreite.

Allerdings darf die Finanzverwaltung solche E-Mails anfordern, die als Handels- und Geschäftsbriefe iSd § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO qualifiziert werden. Ausgenommen hiervon sind E-Mails lediglich privater Natur und rein firmeninterne Kommunikation. Die Aufforderung „en bloc“ von Unterlagen ist noch verhältnismäßig, solange der Steuerpflichtige sein Erstqualifikationsrecht ausüben darf. Dies ermöglicht dem Steuerpflichtigen, eine Selektion der steuerlich relevanten E-Mails durchzuführen. 

Rechtlicher Rahmen

Das Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung besteht nur in Bezug auf solche Unterlagen und Dokumente, die kraft Gesetzes aufbewahrungspflichtig sind. Hierzu können zwar auch E-Mails gehören. So hat der Steuerpflichtige bspw. nach § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO iVm § 238 HGB auch E-Mails aufzubewahren, die zur Vorbereitung, Durchführung und zum Abschluss des Handelsgeschäfts (iSd § 343 HGB) dienen. E-Mails, die private oder nicht aufzeichnungspflichtige Vorgänge betreffen, also freiwillig erstellt worden sind, fallen nicht unter das Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung.

Für die gesamte E-Mail-Korrespondenz des Steuerpflichtigen und seiner Mitarbeiter besteht dementsprechend kein Datenzugriffsrecht, mangels entsprechender gesetzlicher Aufbewahrungspflicht. Dementsprechend besteht erst recht kein Anspruch auf Vorlage eines elektronisches Gesamtjournals, das zusätzliche Informationen zu jeder einzelnen empfangenen bzw. versandten E-Mail des Steuerpflichtigen enthält. 

Beschränkt die Finanzverwaltung ihr Datenzugriffrecht auf aufbewahrungspflichtige Dokumente (die näher bezeichnet werden) – und sind rein private oder firmeninterne E-Mails ausgenommen –, ist sie berechtigt, die Vorlage der „kompletten steuerlich relevanten“ E-Mail-Kommunikation zu verlangen. Dem Steuerpflichtigen steht insoweit ein Erstqualifikationsrecht zu, d.h. er prüft, welche E-Mails unter das Vorlagenverlangen fallen.

Implikationen für die Dokumentation von Verrechnungspreisen

Die Dokumentationspflicht für Verrechnungspreise fällt unter die sonstigen Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO). Denn der Anwendungsbereich des § 147 AO umfasst auch Unterlagen des § 90 Abs. 3 AO iVm der GAufzV. Die aufzeichnungspflichtigen Unterlagen ergeben sich aus § 1 Abs. 3 S. 4 GAufzV. Hierzu gehören vor allem Aufzeichnungen über innerbetriebliche Daten, die eine Plausibilitätskontrolle der vom Steuerpflichtigen vereinbarten Verrechnungspreise ermöglichen, z.B. Prognoserechnungen oder Daten zur Absatz-, Gewinn- und Kostenplanung. Darüber hinaus können Aufzeichnungen verlangt werden, die der Finanzverwaltung dabei helfen,  die Verrechnungspreismethode zu überprüfen bzw. nachzuvollziehen. Dabei zielt die Finanzverwaltung darauf ab, mit den erhaltenen Daten eine Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen bzw. kritisch zu hinterfragen.

Erwartetes Prüfverhalten

Da die Finanzverwaltung nun berechtigt ist, sämtliche steuerlich relevanten E-Mails anzufordern, empfiehlt es sich, bereits vor der Außenprüfung ein IT-technisches System zu implementieren, in dem solche E-Mail selektiert und abgespeichert werden. Denn die erst nachträgliche Ausübung des Erstqualifikationsrechts kann sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung nun zunehmend die Herausgabe solcher steuerlich relevanten E-Mails verlangt, um das Funktions- und Risikoprofil von Konzerngesellschaften zu verstehen und zu überprüfen.