EU Listing Act auf der Zielgeraden – Einigung auf Europäischer Ebene erzielt

29.02.2024 | FGS Blog

Vor über einem Jahr hat die Europäische Kommission einen lange erwarteten Vorschlag für den sog. EU Listing Act vorgelegt (dazu bereits unser FGS Blog vom 13.1.2023 und 8.2.2023). Durch den EU Listing Act soll das europäische Kapitalmarktrecht reformiert und dadurch die europäischen Kapitalmärkte attraktiver werden. Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte diese Reform schon lange verabschiedet sein, dieser Zeitplan kam jedoch ins Stocken. Am 1. Februar 2024 haben sich der Rat der EU und das Parlament im Trilog-Verfahren vorläufig geeinigt. Am 14. Februar hat auch der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (kurz: AStV) dem Gesetzespaket offiziell zugestimmt. Jetzt muss der EU Listing Act noch offiziell vom Rat und dem Europäischen Parlament beschlossen werden, dies gilt jedoch lediglich als Formsache. Die Reform ist somit auf der Zielgeraden.

Das Maßnahmenpaket beinhaltet unter anderem folgende Änderungen:

  • Die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) wird geändert. Hier sind insbesondere die Änderungen im Insiderrecht relevant.
  • Im Prospektrecht wird es neue Erleichterungen geben.
  • Die Richtlinie über Mehrstimmrechtsaktien wurde beschlossen.
  • Darüber hinaus gibt es Neuerungen in der MiFID II, die hier jedoch nicht dargestellt werden sollen.

Insiderrecht

Künftig soll es keine ad-hoc-Publizitätspflicht für Zwischenschritte in einem zeitlich gestreckten Verfahren mehr geben. Zu veröffentlichen ist dann nur noch das Endergebnis. Da sich an der Definition der Insiderinformation aber nichts ändern wird, kommt es zu einem Paradigmenwechsel: Zwar lösen Zwischenschritte keine Veröffentlichungspflicht mehr aus. Es bleibt aber dabei, dass sie ein Insiderhandelsverbot auslösen. Bislang lösten Insiderinformationen immer zwingend eine Ad-hoc-Pflicht aus, ggf. mit der Möglichkeit eines Aufschubs der Ad-hoc-Veröffentlichung. Diese Parallelität wird nunmehr aufgehoben.

Die Regelungen zum Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung (früher: Selbstbefreiung) werden dagegen nur minimal geändert. Bislang lautete eine der Voraussetzungen für einen Aufschub, dass dieser nicht geeignet sein darf, die Öffentlichkeit irrezuführen. Diese Regelung wird dadurch ersetzt, dass die aufzuschiebende Information nicht im Widerspruch zur letzten öffentlichen Bekanntmachung oder anderen Mitteilungen des Emittenten stehen darf. Dies ist jedoch eher eine Klarstellung als eine relevante Änderung. Vom Tisch ist der Vorschlag, dass die Aufschubentscheidung unverzüglich, also noch vor Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung, an die Aufsichtsbehörde gesandt werden muss. Dies hätte zu erheblichen Änderungen in den Abläufen bei den Gesellschaften geführt.

Für Emittenten auf KMU-Wachstumsmärkten soll sogar gelten, dass diese die Begründung für den Aufschub der Veröffentlichung der zuständigen Behörde nur auf schriftliche Anfrage anzeigen müssen.

Managers Transactions‘ & Closed Periods

Bei Managers Transactions wird wie vorgesehen die Bagatellschwelle bei Eigengeschäften von Führungskräften von 5.000 auf 20.000 Euro angehoben werden. Die Mitgliedstaaten können diese Schwelle auf 50.000 Euro anheben, aber auch auf 10.000 Euro absenken.

Bei den Sperrfristen für Führungskräfte 30 Tage vor Veröffentlichung von Zwischen- bzw. Jahresfinanzberichten (sog. Closed periods) wird es weitere Erleichterungen geben, insbesondere für Geschäfte, die nicht mit aktiven Anlageentscheidungen der Führungsperson in Zusammenhang stehen oder die ausschließlich auf externen Faktoren beruhen.

Änderungen im Prospektrecht

Im Prospektrecht wird es neben zahlreichen technischen Änderungen auch weitere Ausnahmen von der Prospektpflicht geben. Künftig muss zum Beispiel dann kein Prospekt erstellt werden, sofern die neuen Wertpapiere weniger als 30% der bereits zugelassenen Wertpapiere der gleichen Art ausmachen. Zuvor galt diese Ausnahme lediglich für einen Umfang von 20%.

Prospekte für Erstemissionen sollen zudem stärker standardisiert werden. Hierzu soll die ESMA technische Standards ausarbeiten. Die bisherigen Offenlegungsregelungen für Sekundäremissionen werden gestrichen und durch einen neuen Folgeprospekt ersetzt (sog. EU-follow-on prospectus). Dies soll Sekundäremissionen, die nicht von den Ausnahmen zur Prospektpflicht profitieren, vereinfachen.

Mehrstimmrechte-Richtlinie

Insbesondere die Mehrstimmrechte-Richtlinie wurde kontrovers diskutiert, ist nun aber auch Gegenstand der Einigung. Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission wurde der Anwendungsbereich erweitert. Erfasst sind nicht mehr nur KMU, die zum ersten Mal eine Zulassung an einem KMU-Wachstumsmarkt anstreben. Auch KMU, die eine Zulassung an einem anderen MTF anstreben, unterfallen künftig der Richtlinie. Auch einige Regelungen zum Schutz von Minderheitsaktionären wurden überarbeitet. So bedarf die Schaffung von Mehrstimmrechten nun mindestens einer qualifizierten Mehrheit. Die Mitgliedstaaten sind gehalten weitere Schutzmaßnahmen vorzusehen, z.B. eine Begrenzung des Stimmgewichts. Weitergehende Schutzvorschriften stehen den Mitgliedstaaten frei.

Fazit und Ausblick

Der EU Listing Act wird nun endlich kommen. Während einige Regelungen wichtige Änderungen darstellen und zu begrüßen sind (etwa die Ausnahme von Zwischenschritten von der ad-hoc Veröffentlichung), werden andere Regelungen kaum einen spürbaren Einfluss haben. Der große Wurf ist dies jedoch nicht. Die Änderungen sind allenfalls ein kleiner Schritt auf dem Weg zu attraktiven europäischen Kapitalmärkten.