Am 7. Dezember 2022 hat die Europäische Kommission einen lang erwarteten Vorschlag für den sog. EU Listing Act vorgelegt. Erklärtes Ziel der Kommission ist es, die europäischen Kapitalmärkte für Unternehmen attraktiver zu gestalten. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sollen leichteren Zugang zum Kapitalmarkt erhalten, indem die Zulassungsfolgepflichten entschärft werden.

Die geplanten Änderungen im Insiderrecht und deren Relevanz für die Praxis haben wir bereits an anderer Stelle erläutert. Im Folgenden möchten wir Ihnen weitere ausgewählte Änderungen, insbesondere zu Managers‘ Transactions / Directors‘ Dealings, Insiderlisten und zum Prospektrecht, vorstellen.

Managers‘ Transactions / Directors‘ Dealings

Die Kommission schlägt vor, die Bagatellschwelle bei Eigengeschäften von Führungskräften von bislang 5.000 bis 20.000 Euro auf mindestens 20.000 Euro zu erhöhen. Die Mitgliedstaaten können diese Schwelle darüber hinaus auf bis zu 50.000 Euro anheben.

Closed Periods

Vorstände, Aufsichtsräte und bestimmte weitere Führungspersonen von börsennotierten Gesellschaften dürfen in den 30 Tagen vor Veröffentlichung von Zwischen- bzw. Jahresfinanzberichten nicht mit Aktien der jeweiligen Gesellschaft handeln und auch keine sonstigen Transaktionen mit diesen Aktien und entsprechenden Finanzinstrumenten vornehmen (Sperrfrist bzw. „closed periods“). Ausnahmen hiervon sind in Art. 19 Abs. 12 MAR geregelt. Diese Ausnahmen sollen nach dem Vorschlag der Kommission erweitert werden. So ist beispielsweise vorgesehen, weitere Formen von Arbeitnehmersparplänen von der Sperrfrist auszunehmen. Transaktionen, bei denen keine Anlageentscheidung getroffen wird (z.B. die automatische Umwandlung von Finanzinstrumenten), sollen ebenfalls als Ausnahme erfasst werden.

Insiderlisten

Auch mit Blick auf Insiderlisten soll es Änderungen geben. Den ursprünglichen Vorschlag, diese Pflicht für kleinere Emittenten gänzlich abzuschaffen, hat die Kommission verworfen. Stattdessen sollen alle Emittenten zukünftig eine Insiderliste mit sogenannten ständigen Insidern (permanent insider list) führen, in der alle Personen verzeichnet sind, die aufgrund ihrer Funktion oder Position einen regelmäßigen Zugang zu Insiderinformationen haben. Die Pflicht zur Führung von anlassbezogenen Insiderlisten entfällt im Gegenzug.

Neue Ausnahmen von der Prospektpflicht

Der Kommissionsvorschlag sieht zahlreiche Änderungen an der Prospektverordnung vor, von denen wir  an dieser Stelle einige aufgreifen möchten.

Zum Beispiel soll der Höchstbetrag für prospektfreie Emissionen von gegenwärtig 8 Millionen Euro auf 12 Millionen Euro ausgedehnt werden. Gleichzeitig soll diese Entscheidung nicht länger den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben, sondern eine verbindliche Regelung darstellen.

Der Entwurf sieht zudem höhere Schwellenwerte für prospektfreie Sekundäremissionen vor. Gegenwärtig sind prospektfreie Kapitalerhöhungen für börsennotierte Kapitalerhöhungen nur möglich, wenn  (i) kein öffentliches Angebot von Aktien erfolgt und (ii) die neuen Aktien insgesamt weniger als 20 Prozent des bereits zugelassenen Kapitals ausmachen. Da Bezugsrechtsangebote auch als öffentliche Angebote gelten, konnten Emittenten davon in der Regel nur Gebrauch machen, wenn sie bei einer Kapitalerhöhung das Bezugsrecht der Aktionäre ausschließen und eine Privatplatzierung vornehmen. Das ist in der Regel nur bei Kapitalerhöhungen von bis zu 10 Prozent möglich.

Die genannte Schwelle von 20 Prozent soll nun auf 40 Prozent angehoben werden und auch für das öffentliche Angebot der Aktien gelten. Dies würde es Emittenten erstmals ermöglichen, auch Bezugsrechtsemissionen prospektfrei durchzuführen, sofern die genannten Volumengrenzen eingehalten werden.

Fazit

Die geplanten Änderungen zu Managers‘ Transactions und Insiderlisten sind zu begrüßen. Insbesondere die Pflicht zur Führung von Insiderlisten führt bei Emittenten zu hohem administrativem Aufwand, von dem zweifelhaft ist, ob er den Aufsichtsbehörden tatsächlich bei der Aufdeckung von Insiderverstößen hilft. Das Führen einer Liste von permanenten Insidern anstelle von anlassbezogenen Listen dürfte für viele Emittenten Prozesse vereinfachen.

Die vorgesehene Erhöhung der Bagatellschwellen für Managers‘ Transactions dürfte dagegen nur minimale Erleichterungen bringen. In der Praxis ist vor allem problematisch, dass Führungskräften oftmals nicht bewusst ist, dass auch Transaktionen, bei denen sie sich nicht endgültig von den Aktien trennen (zum Beispiel Verpfändung von Aktien), veröffentlichungspflichtig sind. Dies widerspricht dem Rechtsgefühl vieler Führungskräfte und wird daher – trotz erfolgter Schulungen – schnell übersehen. Hier bringen die Neuerungen keine Erleichterung.

Besonders praxisrelevant sind hingegen die geplanten Erleichterungen zur Prospektpflicht. Erstmals wird es für Emittenten möglich sein, kleinere Bezugsrechtsemissionen prospektfrei durchzuführen. Bislang musste das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden, um prospektfrei eine Kapitalerhöhung durchführen zu können. Schon aus aktienrechtlichen Gründen ist es vorzugswürdig, wenn auch den Aktionären die Möglichkeit zur Zeichnung neuer Aktien eingeräumt werden kann.