Erbschaftsteuer bei Berliner Testament mit Jastrow´scher Klausel

08.04.2024 | FGS Blog

Am 11. Oktober 2023 entschied der Bundesfinanzhof (Az. II R 34/20) zur steuerlichen Behandlung sogenannter Jastrow´scher Klauseln in Berliner Testamenten.

Hintergrund und Sachverhalt

Ehegatten mit gemeinsamen Kindern errichten häufig ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und zusätzlich bestimmen, dass nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten der beiderseitige Nachlass ihren gemeinschaftlichen Abkömmlingen zufällt. Stirbt der erste Ehegatte, geht sein Nachlass auf den überlebenden Ehegatten über und vermischt sich dort mit dem Vermögen des überlebenden Ehegatten. Die Kinder sind bei diesem Erbfall enterbt. Stirbt der zweite Ehegatte, geht dessen Nachlass einschließlich des mit dessen Vermögen vermischten Nachlasses des Erstverstorbenen einheitlich auf die gemeinsamen Abkömmlinge über. Diese Art der Gestaltung von gemeinschaftlichen Testamenten, die der sogenannten Einheitslösung folgt, wird in der Praxis als Berliner Testament bezeichnet.

Da beispielsweise die Kinder beim ersten Erbfall enterbt sind, können sie den Pflichtteil verlangen, was nichts anderes bedeutet, als dass ihnen ein Geldanspruch in der Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zusteht (bei im gesetzlichen Güterstand verheirateten Ehegatten mit zwei Kindern beläuft sich der Pflichtteilanspruch jedes Kindes auf 1/8 des Nachlasswertes). Dies wird insbesondere dann als misslich empfunden, wenn eines von mehreren Kindern seinen Pflichtteil verlangt, die übrigen Kinder, der Intention der Eltern entsprechend, aber auf die Geltendmachung ihres Pflichtteils verzichten. Auf diese Weise stehen diejenigen Kinder schlechter, die auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichten. In der Praxis wurden darum vielfältige Gestaltungen entwickelt, die die Kinder davon abschrecken sollen, den Pflichtteil zu verlangen. Eine dementsprechende Strafklausel sieht vor, dass ein Abkömmling, der nach dem Ableben des Erstversterbenden den Pflichtteil einfordert, beim Ableben des Überlebenden automatisch enterbt wird und darum auch nur den Pflichtteil erhalten kann.

Eine ergänzende Gestaltungsmöglichkeit geht auf Hermann Jastrow zurück und ist als Jastrow´sche Klausel bekannt geworden. Jastrow schlug 1904 folgende testamentarische Gestaltung vor: Verlangt ein Abkömmling den Pflichtteil, fallen bei den übrigen Abkömmlingen Geldvermächtnisse in der Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile an, die aber erst mit dem Ableben des überlebenden Ehegatten fällig werden. Der Reiz einer solchen Gestaltung liegt darin, dass einerseits die nicht ausschlagenden Abkömmlinge zulasten des ausschlagenden Abkömmlings begünstigt werden. Denn sie erhalten mehr aus dem Erstnachlass, was den Pflichtteilsanspruch des ausschlagenden Abkömmlings gegen den Zweitnachlass mindert. Andererseits hat der überlebende Ehegatte daraus keinen Nachteil, weil er diese Vermächtnisse nicht zu Lebzeiten erfüllen muss. Die Jastrow´sche Klausel erhöht damit die Strafwirkung.

In dem entschiedenen Fall errichteten die Eltern der Klägerin ein solches Berliner Testament. Erben der überlebenden Ehefrau wurden von ihren Kindern die Klägerin und drei Schwestern der Klägerin. Ein Bruder und eine weitere Schwester wurden enterbt. Sie hatten nach dem Ableben des erstverstorbenen Ehemannes den Pflichtteil verlangt, was gemäß der Jastrow´schen Klausel Vermächtnisansprüche unter anderem der Klägerin auslöste, die mit dem Ableben der Mutter fällig wurden.

Streitig war die erbschaftsteuerliche Behandlung des Vermächtnisses im Erbfall der Mutter. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Vermächtnisschuld als Schuld der Erblasserin (Erblasserschuld) von dem Nachlasswert abzuziehen sei, da es ansonsten zu einer Doppelbelastung komme: Das Vermächtnis würde sonst einmal bei der Mutter und dann erneut bei ihr der Erbschaftsteuer unterliegen.

Entscheidung

Die Klägerin unterlag sowohl vor dem Finanzgericht Hamburg als auch vor dem Bundesfinanzhof.

Nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz werden beim Ableben des Beschwerten fällig werdende Vermächtnisse so behandelt, als stammten sie von diesem. Auch wenn die Klägerin das Vermächtnis zivilrechtlich bereits beim Ableben des Vaters erwarb und die damit verbundene Beschwerung der Mutter bei ihrem Versterben eine Erblasserschuld ist, galt für die Klägerin steuerlich, dass sie das Vermächtnis erst nach dem Tod ihrer Mutter erwarb. Die Mutter konnte die Vermächtnisse nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen, da sie noch nicht fällig waren, womit sie im ersten Erbfall keine Rolle spielten.

Erst mit ihrem Ableben wurden die Vermächtnisse zu einer wirtschaftlichen Belastung. Die Klägerin konnte die Vermächtnisse bei ihrem Erwerb als Erbin darum zwar anteilig als Nachlassverbindlichkeit abziehen, musste in gleicher Höhe das ihr zustehende Vermächtnis aber als eigenen Erwerb der Erbschaftsteuer unterwerfen, womit sich der Erwerb durch Vermächtnis einerseits und die Nachlassverbindlichkeit aufgrund der Vermächtnisse andererseits rechnerisch neutralisieren. Der Abzug der Erblasserschuld bleibt somit ohne Auswirkung auf den Umfang des steuerlichen Erwerbs.

Fazit

Auch wenn das Jastrow´sche Vermächtnis (zivilrechtlich) im Beispiel beim Ableben des Ehemannes anfällt und damit die Ehefrau beschwert, ist es im ersten Erbfall erbschaftsteuerlich zunächst unbeachtlich. Steuerlich geht der Nachlass des Ehemannes ungeschmälert auf die Ehefrau über. Verstirbt sie, ist das dann fällig werdende Vermächtnis so zu behandeln, als stamme es von ihr. Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz verhindert damit, dass die begünstigten Kinder durch die Jastrow´sche Klausel am Nachlass des Ehemannes beteiligt werden. Dadurch kommt es – wirtschaftlich betrachtet – in der Tat zu einer Doppelbelastung: Im ersten Erbfall wird das Vermächtnis steuerlich ignoriert, womit der Vermächtnisbetrag als wertmäßiger Teil des Erwerbs der Ehefrau der Erbschaftsteuer unterliegt. Er unterliegt als Vermächtnis im zweiten Erbfall erneut der Erbschaftsteuer. Die Situation ist vergleichbar mit der Vor- und Nacherbschaft, bei der der Vorerbe als „normaler“ Erbe gilt und der Nacherbe das erworbene Vermögen bei Eintritt der Nacherbfolge als von dem Vorerben stammend zu versteuern hat. Diese Doppelbelastung ist nach der Ansicht des Bundesfinanzhofs aber systemimmanent.