Die EU-Kommission hat den Entwurf einer EU-Verrechnungspreisrichtlinie zur einheitlichen Umsetzung und Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes veröffentlicht.

Der Richtlinienentwurf ist Teil des sog. „BEFIT“-Maßnahmenpakets („Business in Europe: Framework for Income Taxation“), das ebenfalls den Entwurf einer Richtlinie zur Ermittlung einer EU-weit einheitlichen Bemessungsgrundlage für große Unternehmensgruppen vorsieht.

Nach Einschätzung der EU-Kommission haben die Mitgliedstaaten derzeit großen Ermessensspielraum bei der Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 („OECD-Leitlinien“). Dies ermöglicht einerseits Verrechnungspreisgestaltungen. Anderseits kommt es vermehrt zu Doppelbesteuerungen sowie zu einem gesteigerten Compliance-Aufwand, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes beeinträchtigt wird. Vor diesem Hintergrund verfolgt der Richtlinienentwurf folgende Ziele:

  • Umsetzung und einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes,

  • Klarstellung der Rolle der OECD-Leitlinien,

  • Reduzierung von doppelter (Nicht)Besteuerung und

  • Abmilderung von Compliance-Aufwand.

Um eine einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gewährleisten, sollen die OECD-Leitlinien in den EU-Mitgliedstaaten zukünftig verbindlich anzuwenden sein. Sofern der Richtlinienentwurf im EU-Rat einstimmig angenommen wird, sind dessen Regelungen ab 2026 anwenden und innerstaatlich umzusetzen.

Fremdvergleichsgrundsatz und nahestehende Personen              

Nach dem Fremdvergleichsgrundsatz sollen gruppeninterne Transaktionen zwischen nahestehenden Personen so bepreist werden, wie es fremde Dritte in vergleichbaren Situationen vereinbaren würden. Der Begriff der nahestehenden Person soll im Wesentlichen an die bestehenden innerstaatlichen Vorgaben angeglichen werden, d.h. insb. an den Schwellenwert für die Beteiligungsquote von mind. 25% (§ 1 Abs. 2 AStG). Betriebsstätten sind für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Einklang mit dem sog. Authorized OECD Approach („AOA“) wie eigenständige Unternehmen zu behandeln.

Anwendung der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode

Nach dem Richtlinienentwurf sollen Verrechnungspreise auf Basis einer der fünf etablierten Methoden gem. der OECD-Leitlinien bestimmt werden, die dem Fremdvergleichsgrundsatz für die jeweilige Geschäftsbeziehung am ehesten entspricht. Eine andere Bewertungsmethode soll nur dann angewandt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass (i) keine der zugelassenen Methoden angemessen angewandt werden kann und (ii) eine solche andere Methode zu einem angemessenen Ergebnis führt.

Fremdvergleichsspanne (Arm's Length Range)

Häufig kann der eine „richtige“ Verrechnungspreis nicht bestimmt werden. Vielmehr resultiert die Anwendung von Verrechnungspreismethoden in einer Bandbreite an Werten. Die Fremdvergleichsspanne soll anhand einer Interquartilsbandbreite bestimmt werden (25%-75%). Die Mitgliedstaaten sollen keine Einkünftekorrekturen vornehmen, wenn ein Ergebnis innerhalb dieser Bandbreite liegt. Liegt ein Ergebnis außerhalb des Interquartilsbereichs, soll grundsätzlich eine Korrektur auf den Median erfolgen.

Jahresendanpassung (Year-End Adjustment)

Jahresendanpassungen durch den Steuerpflichtigen sollen durch die Mitgliedstaaten anerkannt werden, insb. wenn der Steuerpflichtige sich bemüht hat, bereits auf Basis der unterjährig abgerechneten Verrechnungspreise ein fremdübliches Ergebnis zu erzielen und eine Abweichung begründet werden kann. Ferner soll die Jahresendanpassung vor der Abgabe der Steuererklärung der betroffenen Gesellschaften abgebildet werden.

VP-Dokumentation

Der Richtlinienentwurf verlangt von den Steuerpflichtigen eine ausreichende Verrechnungspreisdokumentation. Der genaue Inhalt dieser VP-Dokumentation wird von der EU-Kommission zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. Es ist davon auszugehen, dass sich hierbei an den OECD-Vorgaben zum dreistufigen Verrechnungspreisdokumentationsansatz (bestehend aus Local File und Master File sowie CbCR) orientiert werden wird.

Gegenberichtigung im Rahmen eines sog. Fast-Track Verfahrens

Der Entwurf der EU-Verrechnungspreisrichtline sieht einen Mechanismus vor, dass Mitgliedstaaten auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Gegenberichtigung vornehmen sollen, soweit die Finanzverwaltung eines anderen Mitgliedstaats eine verrechnungspreisbezogene Einkünftekorrektur vornimmt. Wesentliche Voraussetzungen hierfür sind, dass die Einkünftekorrektur im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz steht und diese zu einer Doppelbesteuerung führt. Die Gegenberichtigung soll nicht nur über ein Verständigungsverfahren ermöglicht werden, sondern auch im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens (sog. Fast-Track Verfahren). Ein solches Fast-Track Verfahren soll innerhalb von 180 Tagen abgeschlossen werden. Die deutsche Finanzverwaltung verweist derzeit lediglich in Tz. 4.6 der Verwaltungsgrundsätze (VWG) Verrechnungspreise 2023 auf die Möglichkeit der einseitigen Abhilfe ohne Verständigungsverfahren; eine nationale Rechtsgrundlage besteht derzeit nicht.

Mandat der EU-Kommission

Die EU-Kommission strebt einen größeren Einfluss auf die künftigen Verrechnungspreisregelungen an. Denn der Richtlinienentwurf sieht vor, dass der EU-Rat auf der Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission weitere Vorschriften für konzerninterne Transaktionen erlassen kann. Für diese weiteren Vorschriften des EU-Rates soll offenbar keine Einstimmigkeit erforderlich sein, sondern bereits eine Zustimmung von 55% ausreichen. Es bleibt abzuwarten, ob die Mitgliedstaaten einer derart starken Ausweitung der EU-Kompetenz zustimmen werden.

Fazit

Aus deutscher Sicht entsprechen viele Regelungen des Richtlinienentwurfs dem heutigen § 1 AStG, weshalb sich für den deutschen Gesetzgeber voraussichtlich nur geringfügiger Handlungsbedarf ergeben wird. Ferner werden die OECD-Leitlinien weitgehend über die VWG-Verrechnungspreise von der deutschen Finanzverwaltung anerkannt. Die Einführung eines Fast-Track Verfahrens für Gegenberichtigungen außerhalb eines Verständigungsverfahrens ist sehr zu begrüßen, obgleich in der Praxis vor allem auch Verrechnungspreisefälle mit Nicht-EU- und Nicht-OECD-Staaten streitanfällig sind.