Das neue BMF-Schreiben
Das BMF hat mit Datum vom 3.12.2020 neue Verwaltungsgrundsätze (Verwaltungsgrundsätze 2020) erlassen. Die Verwaltungsgrundsätze 2020 beinhalten insbesondere Konkretisierungen zu Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen zur internationalen Einkünfteabgrenzung und hieraus resultierenden Schätzungsbefugnissen der Finanzverwaltung (s. auch den FGS-Blogbeitrag von Kluge/Geißler). Im Rahmen seiner erweiterten Mitwirkungspflichten für Auslandssachverhalte (§ 90 Abs. 2 AO) muss der Steuerpflichtige seine rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine entsprechende Beweisvorsorge treffen zu können, mittels derer er die steuerliche Bewertung der Auslandssachverhalte belegen und erläutern kann (z.B. Nachweise über Abgabepreise einer Vertriebsgesellschaft, Kalkulationsunterlagen). Die Vorlagepflicht umfasst nach Verwaltungsauffassung nicht nur Gutachten und Stellungnahmen zu Verrechnungspreisen, sondern auch den Zugriff auf Datenbankanalysen und Daten aus Kommunikationssystemen (E-Mails, Messangerdienste etc.), soweit sie für die Einkünfteermittlung als bedeutsam erachtet werden. Wichtig ist dabei auch, dass die Beweismittelvorsorge und Vorlagepflicht nicht nur die Sphäre des geprüften Steuerpflichtigen betreffen, sondern ebenso diejenige von nahestehenden Personen (z.B. Konzerngesellschaften) (Rz. 13 Verwaltungsgrundsätze 2020). „Beweisverderbern“ drohen Schätzungen und Zuschläge nach § 162 AO (Rz. 67 ff. Verwaltungsgrundsätze 2020).
Bedeutung von Datenanalysen
Im Rahmen ihrer Sachaufklärung überprüft die Finanzverwaltung einerseits die Angemessenheit der Verrechnungspreismethode und Annahmen über die Preisbestimmung, die der Steuerpflichtige nach Maßgabe der Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vereinbarung über die Transaktion zugrunde gelegt hat (Ex-ante-Verprobung), und andererseits verprobt sie diese mit den besseren Erkenntnissen der IST- und Vergleichsdaten, die bis zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung generiert wurden und verfügbar sind (Ex-post-Verprobung). Über die Ex-post-Verprobung kann sie feststellen, ob die im Zeitpunkt der Vereinbarung über den Geschäftsvorfall zugrunde gelegten Planungsannahmen für die Bestimmung des Verrechnungspreises von den tatsächlichen Verhältnissen signifikant abweichen. Hierfür setzt die Finanzverwaltung Datenanalysesoftware wie bspw. Microsoft Power-BI ein; die Erfahrung lehrt, dass die Finanzverwaltung in den letzten Jahren in diesem Bereich deutlich aufgerüstet hat. So verwundert es wenig, dass die Finanzverwaltung auch vom Steuerpflichtigen erwartet, dass die auf Planungsrechnungen beruhenden Verrechnungspreiskalkulationen regelmäßig überwacht werden, um rechtzeitig auf einen geänderten Geschäftsverlauf mit der Folge einer Preis- oder Methodenanpassung reagieren zu können (Rz. 50 Verwaltungsgrundsätze 2020). Es ist daher zu empfehlen, dass auch in den Unternehmen laufend Datenanalysen mit State-of-the-Art-Lösungen gefahren werden, die vielfach bereits für andere Unternehmensdaten (z.B. Vertriebsdaten) eingesetzt werden und auch auf den Steuerbereich „ausgerollt“ werden sollten.
Ihren „Datenhunger“ bringt die Finanzverwaltung – wie auch schon im Vorgängerschreiben – in Rz. 53 der Verwaltungsgrundsätze 2020 zum Ausdruck, worin sie auf Datenbankstudien abzielt, die in der Praxis häufig zur Ermittlung von Fremdvergleichspreisen angestellt werden. „Werden Informationen aus Datenbanken herangezogen, ist Voraussetzung für eine Prüfung durch die Finanzbehörde, dass der in einer Datenbank vorgenommene Suchprozess im Rahmen des technisch Möglichen nachvollziehbar und prüfbar ist. Es muss der Finanzbehörde ermöglicht werden, auf Basis der vom Steuerpflichtigen genutzten Daten selbständig Alternativrechnungen vornehmen und feststellen zu können, ob der Steuerpflichtige alle relevanten Informationen unter Verwendung verschiedener, angemessener Suchkriterien berücksichtigt hat. Da Ergebnisse eines reinen Datenbankscreenings für die Prüfung der Vergleichbarkeit der Sachverhalte und somit der Angemessenheitsdokumentation regelmäßig nicht ausreichen, sind ergänzende Suchschritte und Auswahlverfahren entsprechend aufzuzeichnen und zu dokumentieren (vgl. § 4 Abs. 3 GAufzV). Die hierzu vom Steuerpflichtigen erstellten und zusammengetragenen Daten sind der Finanzbehörde im Rahmen des § 147 Abs. 5 und 6 AO in elektronischer Form zugänglich zu machen.“
Bedeutung von Kommunikationssystemen
Rz. 13 der Verwaltungsgrundsätze verdeutlicht die in der Praxis zu beobachtende Entwicklung, dass die Finanzverwaltung zunehmend die Einsichtnahme in die Daten von E-Mail- und anderen Kommunikationssystemen dazu nutzt, um u.a. auf die Spurensuche nach Aussagen von Verantwortungsträgern zu gehen, die die Annahmen für die herangezogene Verrechnungspreismethode widerlegen können. Leider ist es auch nach fast 20 Jahren seit Einführung der GdPDU (abgelöst durch die GoBD mit Wirkung 2015) immer noch so, dass Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen sorglosen „Mailtrail“ generieren, der in Betriebsprüfungen gegen das geprüfte Unternehmen oder andere Steuerpflichtige (insbes. desselben Konzernverbunds) verwendet werden kann. Im Kontext von Verrechnungspreisen können das etwa Aussagen sein, die einer Produktionstochtergesellschaft die Routinefunktion in Abrede stellen, was die Angemessenheit der Kostenaufschlagsmethode ins Wanken bringt. Mittels Netzwerkanalysen bzw. forensischer Tools ist die Finanzverwaltung in der Lage, derartige Aussagen in den Kommunikationssystemen (insb. E-Mailpostfächern) zu identifizieren (vgl. Wargowske/Werner, beck.digitax 3/2020, 133 ff.). Die Unternehmen sind daher gut beraten, Verhaltensvorgaben für die interne Kommunikation vorzugeben und entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen, die zusammengenommen das Risiko belastender Kommunikation und den Umfang des Datenzugriffs der Finanzverwaltung begrenzen. Im Zusammenhang mit der großen Anzahl an Kommunikationslösungen (z.B. MS Teams, Slack, WhatsApp) sowie Projekt- und Datenaustauschplattformen (z.B. MS SharePoint, Confluence) sind organisatorische Maßnahmen empfehlenswert, die eine Erstqualifikation des Systems als nichtsteuerrelevant ermöglichen (Rz. 160 f. GoBD). Dies wird sicher nicht in jedem Fall gelingen, aber es ist überlegenswert, die steuerliche Kommunikation auf wenige ausgewählte Kommunikationssysteme zu beschränken. Andernfalls ist es denkbar, dass für diese Systeme die steuerlichen Aufbewahrungspflichten erfüllt und die Datenzugriffsarten ermöglicht werden müssen.
Trend zur datengetriebenen Betriebsprüfung
Die Verwaltungsgrundsätze 2020 bestätigen den Trend hin zu einer verstärkten datengetriebenen Betriebsprüfung. Die Ausbildung in der Finanzverwaltung entwickelt sich in diese Richtung und es ist nur eine Frage der Zeit, ab wann auch in der Fläche die Betriebsprüferinnen und -prüfer das methodische und technische Know-How zur Durchführung komplexer Datenanalysen vorweisen werden. Von daher sollten sich die Unternehmen entsprechend aufstellen und neben der ordnungsmäßigen Dokumentation und Substantiierung ihrer Verrechnungspreiskalkulationen auch Datenanalysekompetenzen im Steuerbereich aufbauen.
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