Der Bundesrat hat sich am 20.10.2023 zu dem von der Bundesregierung geplanten Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) geäußert. Im Referentenentwurf der Bundesregierung ist in § 4l EStG-E eine Zinshöhenschranke als Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen an nahestehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG vorgesehen. Dagegen soll § 4l EStG-E nach Ansicht des Bundesrats gestrichen und in § 1 AStG platzierte Regelungen überführt werden. Diese Sonderregelungen sollen den Fremdvergleich bei Finanzierungsbeziehungen konkretisieren und erstmals bereits für den Veranlagungszeitraum 2023 anzuwenden sein.

A. Konkretisierungen des Fremdvergleichs bei Darlehen

Nach den vom Bundesrat anvisierten Regelungen soll es nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, wenn ein aus einer gruppeninternen grenzüberschreitenden Finanzierungs­beziehung resultierender Aufwand die Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert hat (Inbound-Fall). Darüber hinaus erfordert eine Einkünftekorrektur aufgrund einer vorstehenden Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz, dass  eine der beiden folgenden alternativen Voraussetzungen vorliegt (§ 1 Abs. 3d AStG-E):

  1. Der Steuerpflichtige kann nicht glaubhaft machen, dass er (a) den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können (Verschuldungskapazität) und (b) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet (Finanzierungsbedarf).
  2. Der zu entrichtende Zinssatz übersteigt denjenigen Zinssatz, zu dem sich das Unternehmen auf Basis des Konzerngruppenratings finanzieren könnte (Refinanzierungszinssatz), wobei die Möglichkeit eines Gegenbeweises anhand eines aus dem Gruppenrating abgeleiteten Einzelratings besteht.

B. Konkretisierungen des Fremdvergleichs bei Weiterleitungsdarlehen und Finanzierungsgesellschaften

Nach § 1 Abs. 3e AStG-E soll regelmäßig von einer funktions- und risikoarmen Dienstleistung auszugehen sein, wenn (1) das Unternehmen die Finanzierungsbeziehung nur vermittelt oder (2) es sich um konzerninterne Weiterleitungsdarlehen handelt, wovon bei einer Tätigkeit als zentrale Finanzierungsgesellschaft in der Unternehmensgruppe auszugehen ist. Nach der Begründung des Bundesrats bestimmt sich die Vergütung für die Ausübung der zuvor angeführten Tätigkeiten zumeist nach der Kostenaufschlagsmethode, wobei der Gewinnaufschlag zwischen 5% bis 10% der direkt zuzurechnenden Kosten bemessen werden soll. Durch die Vorlage einer Funktions- und Risikoanalyse kann jedoch zumindest im letztgenannten Fall ein Gegenbeweis erbracht werden, dass es sich doch nicht um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung handelt.

C. OECD-Verrechnungspreisleitlinien als Beweggrund des Bundesrats

Der Bundesrat erachtet es als nicht nachvollziehbar, warum das deutsche Steuerrecht nicht dem Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien angenähert wird, sondern neben dem Fremdvergleich durch die von der Bundesregierung mit § 4l EStG-E beabsichtigte Zinshöhenschranke eine weitere Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs in das Einkommenssteuergesetz eingefügt werden soll. Denn obwohl einige einzelgesetzliche Änderungen von Verrechnungspreisvorschriften in der Vergangenheit bereits der Angleichung an die Empfehlungen der OECD dienten, besteht bislang (in sachgerechter oder unsachgerechter Weise) keine gesetzliche Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Bezug auf Finanztransaktionen. Eine solche Konkretisierung hat die OECD im Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien vom Februar 2020 festgelegt. Da der BFH und die Finanzgerichte nach ständiger Rechtsprechung nicht an die OECD-Verrechnungspreisleitlinien gebunden sind, strebt der Bundesrat mit der Einfügung von § 1 Abs. 3d und 3e AStG-E die gesetzliche Kodifizierung der OECD-Empfehlungen an. Es ist jedoch fraglich, ob dies vollends gelingen wird.

D. Beratungshinweise

Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bundesrat mit der beabsichtigten Einfügung von § 1 Abs. 3d und 3e AStG-E gegenüber der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Zinshöhenschranke durchsetzen wird. Grundsätzlich ist es aus Unternehmenssicht zu begrüßen, dass sich die deutschen Verrechnungspreisvorschriften den international anerkannten OECD-Verrechnungspreis­leitlinien (nunmehr zu Finanztransaktionen) noch stärker annähern sollen. Deren Ausgestaltung durch den Bundesrat sollte weder einer Erstkorrektur noch einer Gegenkorrektur durch den anderen Staat nach einer Art. 9 OECD-Musterabkommen nachgebildeten Abkommensvorschrift entgegenstehen.

Allerdings ist die ausdrückliche gesetzliche Ungleichbehandlung von Inbound- und Outbound-Fällen kritisch zu sehen. Darüber hinaus würden die Regelung zu höheren Befolgungskosten und einem höheren Dokumentationsaufwand auf Seiten der Unternehmen führen, da der Steuerpflichtige in vielen Fällen Gegenbeweise erbringen müsste. Zwar sind die neuen Anforderungen an die Kreditwürdigkeit und Kreditbedienbarkeit für konzerninterne Darlehen grundsätzlich nachvollziehbar. Hierbei stellt sich jedoch eine Vielzahl an Anwendungsfragen. So ist bspw. fraglich, ob das „von Anfang an“ auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung abstellt. Da die neuen Regelungen bereits für Veranlagungszeiträume ab 2023 anzuwenden wären, kann dieser Zeitpunkt durchaus einige Jahre zurückliegen.

Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, den weiteren Gesetzgebungsprozess genau zu beobachten. Außerdem sollte bereits jetzt in Erwägung gezogen werden, Schuldentragfähigkeitsanalysen für Bestandsdarlehen („debt capacity testing“) durchzuführen.

Sprechen Sie gerne die Autoren oder Ihren gewohnten FGS-Kontakt an, wenn Sie die in diesem Blog-Beitrag erörterten gesetzlichen Entwicklungen zu Verrechnungspreisen ausführlicher diskutieren möchten.