In einer aktuellen Entscheidung zur Wegzugsbesteuerung bestätigt der Bundesfinanzhof (BFH), dass Steuerpflichtige für die Anwendung der Rückkehroption keine subjektive Rückkehrabsicht im Wegzugszeitpunkt nachweisen müssen.

Hintergrund

Bei der sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG wird bei einem Umzug in das Ausland und dem damit verbundenen Ende der unbeschränkten Steuerpflicht der Vermögenszuwachs in privaten Kapitalgesellschaftsanteilen besteuert (fiktive Gewinnrealisation, dry income). Wenn die Abwesenheit nur vorübergehend besteht und bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wird die ausgelöste Wegzugssteuer rückwirkend aufgehoben.

Für diese sog. Rückkehroption ist es aus Sicht der Finanzverwaltung entscheidend, dass der Steuerpflichtige neben der objektiven Rückkehr seine „Rückkehrabsicht“ im Wegzugszeitpunkt glaubhaft machen kann (subjektives Merkmal, vgl. AStG-AE, Tz. 6.4.1 f.). In seiner jüngsten Entscheidung bestätigt der BFH nun, dass für die Anwendung der Rückkehroption keine subjektive Rückkehrabsicht des Steuerpflichtigen im Wegzugszeitpunkt nachzuweisen ist (Urteil vom 21.12.2022, I R 55/19).

Urteil des BFH

Der Kläger zog im Jahr 2014 unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes nach Dubai. Zum Zeitpunkt des Wegzugs war er mehrheitlich an mehreren inländischen Kapitalgesellschaften beteiligt. Zwei Jahre nach dem Wegzug begründete der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder in Deutschland. Das Finanzamt setzte für das Jahr des Wegzugs steuerpflichtige Veräußerungsgewinne gem. § 6 Abs. 1 AStG i.V.m. § 17 EStG an. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, die Besteuerung müsse, aufgrund seiner Rückkehr nach Deutschland, rückwirkend gemäß § 6 Abs. 3 AStG a.F. entfallen. Den Einspruch wies das Finanzamt mit der Begründung zurück, der Kläger habe im Zeitpunkt des Wegzugs seinen Rückkehrwillen nicht erklärt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte zunächst keinen Erfolg (FG Münster, Urteil vom 31.10.2019, 1 K 3448/17 E).

Der BFH gab der Klage hingegen statt und erteilte der subjektiven Theorie eine Absage. Für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung sei die fristgerechte Rückkehr des Steuerpflichtigen innerhalb des maßgebenden 5-Jahres-Zeitraums ausreichend. Der Gesetzeswortlaut treffe keine Aussagen zum Zeitpunkt der entsprechenden Willensbildung. Erst bei Antrag auf Verlängerung der vorübergehenden Abwesenheit sei glaubhaft zu machen, dass "eine Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht". Der für die Verlängerung der vorübergehenden Abwesenheit erforderlichen Rückkehrwille sei jedoch nicht auf den Grundtatbestand der Rückkehroption zu übertragen. Die Absicht zurückzukehren könne durchaus im Laufe des gesetzlichen Rückkehrzeitraums gebildet worden sein.

Praxishinweise

Die BFH-Entscheidung betrifft die alte Rechtslage des § 6 AStG, die für Sachverhalte bis einschließlich 31.12.2021 maßgebend war. Danach wurde zwischen EU/EWR- und Drittstaatensachverhalten unterschieden: Bei Wegzügen in Drittstaaten war die sog.  Rückkehroption auf fünf Jahre begrenzt (mit Verlängerungsoption). In EU/EWR-Sachverhalten war die Rückkehroption hingegen ohne zeitliche Einschränkungen möglich. Mit der hiesigen Entscheidung steht nun fest, dass der betroffene Steuerpflichtige keine Vorkehrungen im Wegzugszeitpunkt treffen muss, dem Finanzamt seinen Rückkehrwillen im Wegzugszeitpunkt darzulegen; es genügt schlichtweg die bloße Rückkehr innerhalb des maßgebenden Zeitraums (fünf Jahre in Drittstaatenfällen bzw. irgendwann in EU/EWR-Fällen), damit die Wegzugsbesteuerung rückwirkend aufgehoben wird.

Nicht abschließend klären musste der BFH, ob im Drittstaatenfall bei Antrag der Verlängerungsoption ein subjektiver Rückkehrwille glaubhaft zu machen ist. In der Praxis sollte der Steuerpflichtige vorsorglich entsprechende Indizien für eine Rückkehrabsicht darlegen.

Die Entscheidung dürfte auch für die Neufassung der Wegzugsbesteuerung idF ATAD-Umsetzungsgesetz relevant sein. Nach dem sog. One-Fits-All-Ansatz entfällt eine Unterscheidung zwischen EU/EWR- und Drittstaatensachverhalten. Die ausgelöste Wegzugsbesteuerung kann in beiden Fällen auf Antrag in sieben Jahresraten beglichen werden. Dem Antrag ist in der Regel nur gegen Sicherheitengestellung stattzugeben, was jedenfalls in EU/EWR-Sachverhalten vor dem Hintergrund der EU-Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie unverhältnismäßig und daher unzulässig sein dürfte.

Auch die sog. Rückkehroption folgt diesem Einheitskonzept: Danach entfällt die ausgelöste Wegzugssteuer bei Rückkehr innerhalb von sieben Jahren, sofern auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind (u.a. keine Veräußerung oder gleichgestellte Vorgänge). Die Entscheidung des BFH dürfte auf die neue Rechtslage insofern übertragbar sein, dass die bloße Rückkehr genügt und keine subjektive Rückkehrabsicht im Wegzugszeitpunkt glaubhaft zu machen ist. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung. Die Darlegung des Rückkehrwillens wäre allenfalls vorsorglich bei Antrag der Verlängerungsoption (weitere fünf Jahre) zu empfehlen.

Die Rückkehroption bietet im Übrigen die Möglichkeit, auf Antrag von der Entrichtung der Jahresraten abzusehen. Für Anteile im Betriebsvermögen existiert keine vergleichbare Vorschrift. Eine Entstrickungsbesteuerung entfaltet somit definitive Belastungswirkung.