Betriebsstätten sind ein häufiger Grund für Steuerstreitigkeiten mit in- und ausländischen Finanzbehörden. So auch jüngst im Fall eines ausländischen Flugzeugingenieurs, der in Deutschland in den Räumlichkeiten eines Dritten tätig wurde und an seinem Einsatzort über einen eigenen Spind und ein Schließfach verfügte. Ob in diesem Fall eine Betriebsstätte begründet wurde, entschied nun der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 7.6.2023.

Sachverhalt (vereinfacht)

Der Flugzeugingenieur verfügte in den Streitjahren 2008 bis 2014 über einen inländischen Wohnsitz sowie einen Wohnsitz in Großbritannien, wo sich außerdem sein Lebensmittelpunkt befand. Seine selbstständige Tätigkeit übte er als Subunternehmer der Y-Ltd. aus. Hierzu hatte er mit der Y-Ltd. einen „Freelancer Contract“ abgeschlossen und sich ihr gegenüber verpflichtet, flugzeugbezogene Wartungsleistungen zu erbringen. Die Y-Ltd. hatte ihrerseits einen Vertrag geschlossen, in dem sie sich verpflichtete, der A-GmbH lizensiertes Flugzeugwartungspersonal (u.a. den Flugzeugingenieur) zu überlassen. Außerdem hatte die Y-Ltd. von der A-GmbH auf deren Flughafengelände Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen angemietet. Der Ingenieur wartete die Flugzeuge in den Streitjahren auf dem Flughafengelände der A-GmbH. Dort konnte er sich – nach einer Sicherheitskontrolle am Eingang – frei bewegen. In den Räumlichkeiten auf dem Flughafengelände standen ihm u.a. ein abschließbarer Spind sowie ein Schließfach zur Verfügung, auf denen jeweils sein Name angebracht war. Die von ihm durchgeführten Wartungstätigkeiten dokumentierte er auf einem Computer in einem der von der Y-Ltd. angemieteten Räume auf dem Flughafengelände.

Rechtsfrage und Verfahrensgang

Streitig war, ob der Flugzeugingenieur Ingenieur über eine inländische Betriebsstätte verfügte. Aufgrund seines inländischen Wohnsitzes war er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Abkommensrechtlich war er aufgrund seines Lebensmittelpunkts jedoch nur in Großbritannien ansässig i.S. der jeweils geltenden Doppelbesteuerungsabkommen (vom 26.11.1964 bzw. vom 1.1.2011, nachfolgend vereinfacht einheitlich „DBA UK“). Nach dem DBA UK setzt ein deutsches Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit voraus, dass diese Tätigkeit durch eine in Deutschland belegene Betriebsstätte ausgeübt wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Diese Voraussetzungen gelten auch für den Betriebsstättenbegriff des DBA UK.

Nach Auffassung des Flugzeugingenieurs erfüllte sein Spind diese Voraussetzungen nicht. Das zuständige Finanzamt setzte dagegen Einkommensteuer auf die von der Y-Ltd. an ihn gezahlte Vergütung fest. Die hiergegen gerichtete Klage hielt das Sächsische Finanzgericht für begründet (Urteil vom 8.10.2020 – 3 K 49/17). Nach Auffassung des Finanzgerichts konnte ein Spind, der nur zur Aufbewahrung privater Gegenstände dient, keine Betriebsstätte begründen. Diese Entscheidung wurde von der Finanzverwaltung angefochten, sodass schließlich der BFH den vorliegenden Fall zu entscheiden hatte.

Entscheidung

Mit seiner Entscheidung vom 7.6.2023 hob der BFH die Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts auf und wies die Klage des Flugzeugingenieurs ab. Letzterer habe jedenfalls eine mittelbar aus dem Freelancer Agreement abgeleitete Verfügungsmacht über den Hangar, den Computerraum sowie die Verwaltungs-/Aufenthalts- und Umkleideräume auf dem Flughafengelände gehabt. Außerdem würde die „Überlassung personenbeschränkter Nutzungsstrukturen“ (hier: an dem Spind und dem Schließfach) zu der nötigen „Verwurzelung“ des Flugzeugingenieurs führen. Im Ergebnis wurde eine inländische Betriebsstätte des Flugzeugingenieurs von dem BFH also bejaht.

Ausblick

Die Entscheidung bietet weitere Hinweise, wann Dienstleister bei einem längeren Tätigwerden in fremden Räumlichkeiten eine Betriebsstätte begründen können. In dem Streitfall wurde die Schwelle dafür nicht besonders hoch angesetzt. Steuerpflichtige, die länger in fremden Räumlichkeiten tätig werden, sollten grundsätzlich weiterhin darauf achten, ob ihnen eine Rechtsposition eingeräumt wird, aufgrund derer sie eine Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten erhalten. Aber auch ohne eine solche Rechtsposition sollte darauf geachtet werden, ob „personenbeschränkte Nutzungsstrukturen“ gegeben sind, die einen gewissen Tätigkeitsbezug haben. Neben einem Spind könnten dies beispielsweise auch ein Schließfach, eine Abstellkammer oder ein Schreibtisch sein.