BFH: Betriebsaufspaltung – Aufgabe des Durchgriffsverbots bei Besitz-Personengesellschaften

04.05.2022 | FGS Blog

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Urteil v. 16.9.2021 – IV R 7/18 eine Rechtsprechungsänderung in Bezug auf die Betriebsaufspaltung sowie die sog. erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung herbeigeführt. Für Besitz-Personengesellschaften soll das sog. Durchgriffsverbot, d.h. die Abschirmwirkung einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft für Zwecke einer Betriebsaufspaltung, nicht mehr gelten.

Hintergrund: Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung

In § 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. GewStG ist die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung für Immobilien-Gesellschaften geregelt. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Mieteinnahmen der Gesellschaft nicht mit Gewerbesteuer belastet, wodurch die Gesamtsteuerbelastung erheblich reduziert werden kann. Bei Kapitalgesellschaften unterliegen die Mieteinnahmen damit lediglich der Körperschaftsteuer i.H.v. 15% zzgl. SolZ (siehe I.). Gleiches gilt, sofern die Immobiliengesellschaft eine Personengesellschaft ist, an der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften beteiligt sind. Die Mieteinnahmen unterliegen der Körperschaftsteuer zzgl. SolZ auf Ebene der beteiligten Kapitalgesellschaft(en) (siehe II.). Gerade in Konzernen werden solche Strukturen genutzt, um Grundbesitz in einer Gesellschaft zu bündeln und die Gesamtsteuerbelastung des Konzerns zu senken.

 

 

 

Die erweiterte Kürzung steht unter der Voraussetzung, dass die grundbesitzende Gesellschaft nahezu ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet. Das Kriterium der Ausschließlichkeit ist nicht erfüllt, sofern die Gesellschaft Teil einer sog. Betriebsaufspaltung ist.

Status quo bei Betriebsaufspaltungen

Die Betriebsaufspaltung erfordert die sachliche und personelle Verflechtung eines Besitz- und eines Betriebsunternehmens. Personelle Verflechtung bedeutet, dass die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen beide Unternehmen in der Weise beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen.

 

Nach bisher gefestigter Rechtsprechung des BFH kann eine Beteiligung an einer Besitz-Gesellschaft, welche lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, nicht zu einer personellen Verflechtung beim mittelbar beteiligten Gesellschafter führen. Die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft entfalte eine Abschirmwirkung für die mittelbar beteiligten Gesellschafter (sog. Durchgriffsverbot). Das Durchgriffsverbot galt nach bisher gefestigter Rechtsprechung für Besitzunternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft und in Form einer Personengesellschaft, sofern die Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft vermittelt wurde.

Sachverhalt des BFH-Urteils vom 16.9.2021 – IV R 7/18

An der Klägerin, einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG, war eine Personengruppe zu 100% unmittelbar als Kommanditist beteiligt. Die Personengruppe hielt zugleich 100% der Anteile an der Komplementär-GmbH, der BV-GmbH, welche vermögensmäßig nicht an der Klägerin beteiligt war. Die Klägerin vermietete Grundbesitz an die M-KG, an der dieselbe Personengruppe mittelbar zu 100% beteiligt war.

 

 

 

Das Mietverhältnis fiel in die allgemeine Geschäftsführungsbefugnis der BV-GmbH. Die Personengruppe war nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung des § 164 HGB von der Geschäftsführung der Klägerin ausgeschlossen. Die Stellung der Personengruppe als 100%-Kommanditist allein konnte der Personengruppe daher noch nicht den erforderlichen wesentlichen Einfluss auf das Mietverhältnis geben. Notwendig war die Zurechnung der Geschäftsführungsbefugnis der BV-GmbH. Nach bisheriger Rechtslage wäre die BV-GmbH aber aufgrund des Durchgriffsverbots als Außenstehende behandelt worden, denn die dahinterstehenden Gesellschafter wären durch die Kapitalgesellschaft abgeschirmt. Entsprechend wäre im vorliegenden Fall die personelle Verflechtung zu verneinen gewesen.

Entscheidung des BFH

Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung urteilte der IV. Senat, dass auch eine Beteiligung über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft einen beherrschenden Einfluss auf die Besitz-Personengesellschaft vermitteln könne. Da die BV-GmbH nicht mehr abschirmte, wurde ihre Beherrschungsfunktion der Personengruppe zugerechnet. Der IV. Senat bejahte damit das Vorliegen einer personellen Verflechtung und versagte dementsprechend die erweiterte gewerbesteuerlichen Kürzung.

 

In dem Urteil ist auch eine Mitteilung des I. Senats enthalten, den der IV. Senat – mit Blick auf eine drohende Divergenz – angefragt hatte. Der I. Senat, welcher grundsätzlich zuständig für Besitz-Kapitalgesellschaften ist, teilte mit, dass er keine Divergenz sehe, aber (offenbar) weiterhin an dem Durchgriffsverbot für Besitz-Kapitalgesellschaften festhalten möchte.

Folgen für die Praxis

Grundbesitzende Personengesellschaften, welche bisher die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung für eine konzerninterne Vermietung von Grundbesitz in Anspruch genommen haben, stehen nunmehr massiv im Fokus der Finanzverwaltung. Eine Betriebsaufspaltung kann künftig nicht mehr durch das Zwischenschalten einer Kapitalgesellschaft vermieden werden. Entsprechende Strukturen sollten daher überdacht werden. Ein Ansatzpunkt kann z.B. in einem Formwechsel der grundbesitzenden Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft bestehen.

 

Grundbesitzende Kapitalgesellschaften sind zumindest nicht unmittelbar von der Rechtsprechung des IV. Senats betroffen, sodass diese weiterhin die gewerbesteuerliche Kürzung in Anspruch nehmen sollten. Das Urteil deutet allerdings auf eine gewisse Uneinigkeit des I. und des IV. Senats in dieser Frage hin, welche in zukünftigen Verfahren möglicherweise eine Divergenz der Senate und ein Anrufen des Großen Senats zur Folge haben könnte.