Aktienrechtliche Neuerungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz

05.09.2023 | FGS Blog

Die Aktienrechtsreform in Permanenz steht davor, mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) um ein weiteres Kapitel ergänzt zu werden. Anschließend an den Referentenentwurf vom 12. April 2023 wurde am 16. August 2023 der Regierungsentwurf des ZuFinG (RegE ZuFinG) beschlossen.

Dieser verfolgt den Zweck, die Leistungsfähigkeit und Attraktivität des deutschen Kapitalmarkts zu stärken, diesen zu modernisieren und insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) einen erleichterten Zugang zu bieten. Hierzu sieht das RegE ZuFinG eine Reihe finanzmarktrechtlicher und steuerlicher Maßnahmen vor. Darüber hinaus sollen auch das Aktienrecht und das Kapitalmarktrecht Änderungen erfahren, die im Folgenden näher in den Blick genommen werden.

I. Wiederaufleben der Mehrstimmrechtsaktie

Das Stimmrecht deutscher Aktien ist durch den Grundsatz „one share, one vote“ geprägt. Dieser Grundsatz gilt seit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) aus dem Jahr 1998, mit dem das Verbot von Mehrstimmrechten in § 12 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) verankert worden ist. Diese Bestimmung soll nun gestrichen werden, um deutschen Unternehmen, namentlich Start-ups und KMUs, eine flexiblere Handhabung der Stimmrechtsmacht zu ermöglichen, wie sie insbesondere auch bei der GmbH möglich ist. Vorgesehen ist die Ausstattung von Namensaktien (nicht hingegen von Inhaberaktien) mit Mehrstimmrechten (bis zu 10-faches Stimmgewicht), was in der Satzung festgelegt werden kann. Der Gesetzgeber verspricht sich hiervon, dass insbesondere Start-ups den Kapitalmarktzugang verstärkt nutzen können, da die Unternehmensgründer (Founder) auch nach dem Börsengang (IPO) weiterhin die strategische Kontrolle über das Unternehmen behalten können. Auch der internationale Vergleich spreche für die Zulassung von Mehrstimmrechtsaktien.

Ungeachtet dessen bietet das neue Regime auch für die Unternehmensnachfolge – und in diesem Zusammenhang namentlich für die SE – interessante Gestaltungsmöglichkeiten. Nach Art. 5 der SE-Verordnung (SE-VO) gilt für die Ausgestaltung der Aktienrechte einer SE das jeweilige nationale Aktienrecht. Für eine SE mit Sitz in Deutschland sind bei Erlass des ZuFinG folglich Mehrstimmrechtsaktien möglich. Dies kann beispielswiese eingesetzt werden, um eine Unternehmensübertragung auf die nachfolgende Generation zu ermöglichen, gleichzeitig aber der Seniorgeneration (neben gewissen operativen Einflussrechten über einen Aufsichts- oder Verwaltungsrat) mittels Mehrstimmrechten Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft einzuräumen.

Die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien bedarf der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre (§ 135a Abs. 1 Satz 3 AktG RegE ZuFinG). Demzufolge wird die Einführung von Mehrstimmrechten nur bei Neugründungen oder Gesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis (d.h. namentlich bei Familienholding-Gesellschaften), nicht hingegen bei Publikumsgesellschaften, praktikabel sein.

Der RegE ZuFinG enthält ferner für börsennotierte Gesellschaften Erlöschenstatbestände für die Mehrstimmrechte (§ 135a Abs. 2 S AktG RegE ZuFinG). Mehrstimmrechte sollen bei der Übertragung von Aktien und spätestens zehn Jahre nach Börsennotierung erlöschen, wenn die Satzung keine kürzere Frist vorsieht. Die Frist kann durch Satzungsbestimmung um bis zu zehn Jahre verlängert werden.

Insgesamt ist diese geplante Neuregelung zu begrüßen, da sie neben Wachstumsunternehmen auch Familiengesellschaften neue Gestaltungsoptionen eröffnet.

II. Erleichterter Bezugsrechtsausschluss

Ferner sind im Rahmen des ZuFinG Flexibilisierungen bei der Kapitalerhöhung angedacht. So soll der sog. erleichterte Bezugsrechtsausschluss weiter ausgeweitet werden. Schon bisher kann das Bezugsrecht der Aktionäre unter besonderen Bedingungen erleichtert ausgeschlossen werden. Aktuell ist dies gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG auf zehn Prozent des Grundkapitals der Gesellschaft begrenzt. Diese Grenze soll mit dem ZuFinG von zehn auf zwanzig Prozent des Grundkapitals angehoben werden (§ 186 Abs. 3 S. 4 AktG RegE ZuFinG). Weiterhin sollen die Grenzen des bedingten Kapitals zum Zweck der Umsetzung von Unternehmenszusammenschlüssen von fünfzig auf sechzig Prozent erhöht werden (§ 192 Abs. 3 S. 1 AktG RegE ZuFinG).

Die Erhöhung der Schwelle, insbesondere auch für den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital, ist zu begrüßen und könnte von Start-ups rege genutzt werden, da sie auch in herausfordernden Situationen eine bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung ermöglicht. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit etablierte Emittenten davon Gebrauch machen, da professionelle Stimmrechtsberater dem erleichterten Bezugsrechtsausschluss schon bisher kritisch gegenüberstehen.

III. §§ 255a und 255b AktG RegE ZuFinG

§§ 255a, b AktG RegE ZuFinG sind neu hinzugekommen und eröffnen die Möglichkeit, zusätzliche Aktien anstelle barer Zuzahlung im Rahmen von Kapitalerhöhungen zu gewähren. Hierzu können eigene Aktien übertragen werden, sofern die Gesellschaft solche hält oder erwirbt. § 255b Abs. 1 bis 4 AktG RegE ZuFinG räumt den Gesellschaften daneben die Möglichkeit ein, die zusätzlich zu gewährenden Aktien ohne Liquiditätsabfluss im Wege einer (weiteren) Sachkapitalerhöhung zu schaffen.

IV. Neuerungen bei der Ad-hoc-Publizität

Die bisherige Vorab-Mitteilung von Ad-hoc-Meldungen an die BaFin soll entfallen, um eine Erweiterung des Insiderkreises um BaFin-Angestellte zu vermeiden. Die Vorab-Mitteilungspflicht an die Handelsplätze ist hingegen auch zukünftig vorgesehen. Im Grundsatz ist auch diese Änderung zu begrüßen, da sie den formalen Aufwand der Ad-hoc-Mitteilungspflichten reduziert.

V. Fazit

Der RegE ZuFinG enthält zahlreiche Neuerungen des Aktien- und Kapitalmarktrechts, die insgesamt dazu dienen sollen, den Finanzplatz Deutschland weiter zu stärken. Die Absichten des Gesetzgebers sind durchaus begrüßenswert und scheinen eine weitere Flexibilisierung des (kapitalmarktnahen) Aktienrechts zu bewirken.