Nach spanischem Steuerrecht ist eine Person in Spanien steueransässig (unbeschränkt steuerpflichtig), wenn sie sich mehr als 183 Tage im Kalenderjahr im spanischen Hoheitsgebiet aufhält. Sofern bereits die Familie (Ehegatte und Kinder) in Spanien steueransässig ist, wird die Steueransässigkeit des Steuerpflichtigen in Spanien widerlegbar vermutet. Als Gegenbeweis muss der Steuerpflichtige u.a. nachweisen, dass er selbst nicht mehr als 183 Tage im Kalenderjahr im spanischen Hoheitsgebiet anwesend war. Wie die maßgebenden Anwesenheitstage zu ermitteln sind, ist gesetzlich nicht definiert.

Folge der spanischen Steueransässigkeit ist die unbeschränkte Einkommen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer- sowie Vermögensteuerpflicht. In der Praxis besteht daher häufig der Wunsch, die spanische Steueransässigkeit möglichst zu vermeiden, um etwaigen Doppelbesteuerungs- oder Wegzugsbesteuerungsrisiken zu entgehen. Für ein derartiges Ansässigkeitsmanagement kommt es aber entscheidend auf die Anwesenheitstage in Spanien an. Wie diese – aus spanischer Sicht – gezählt werden und ob auch Drittlandstage als spanische Anwesenheitstage zählen, wurde jüngst vom obersten spanischen Finanzgericht mit zwei Urteilen entschieden.  

Urteile des zentralen Wirtschaftsverwaltungsgerichts Spanien (TEAC)

Geklagt hatten in beiden Urteilen (vom 28. März 2023 und vom 25. April 2023) natürliche Personen mit nachgewiesener Ansässigkeit in einem anderen Staat, die in den Streitjahren keine Einkommensteuererklärung in Spanien abgegeben hatten, da sie davon ausgingen, nicht unbeschränkt steuerpflichtig gewesen zu sein. Der Kläger im erstgenannten Urteil wies seine Anwesenheit von weniger als 183 Tage allein anhand seines Reisepasses nach. Im Urteil vom 25. April 2023 versuchte der Kläger seine Abwesenheit anhand von einzelnen Kreditkartenabrechnungen und Flugtickets zu belegen. Das Finanzamt war hingegen der Annahme, dass sich die Personen im jeweiligen Streitjahr mehr als 183 Tage in Spanien aufhielten und daher der unbeschränkten Steuerpflicht unterlägen.

Das oberste Finanzgericht folgte in beiden Entscheidungen der Verwaltung. Zunächst stellten die Richter fest, die Berechnung der Anzahl der im spanischen Hoheitsgebiet verbrachten Tage müsse auf objektiven Kriterien beruhen, ohne von den Wünschen des Steuerpflichtigen (z.B. Absicht des Steuerpflichtigen Spanien nur als Durchreiseland anzusehen) abhängig zu sein. Bei der Berechnung sei zwischen drei Arten von Aufenthaltstagen zu differenzieren:

  1. den bescheinigten Aufenthaltstagen,
  2. den vermuteten Aufenthaltstagen und
  3. den sog. sporadischen Abwesenheitstagen.

Für die bescheinigten Aufenthaltstage liegen jeweils anerkannte Beweismittel vor, die sowohl von der Finanzbehörde als auch vom Steuerpflichtgen selbst erbracht werden können. Beispielhaft zählt das Gericht nachgewiesene Arztbesuche, Kreditkartenabrechnungen oder Flugtickets auf. Als vermutete Aufenthaltstage gelten solche, die vernünftigerweise zwischen zwei bescheinigten Aufenthaltstagen vergehen. Der Steuerpflichtige kann diese Vermutung widerlegen, indem er die Anwesenheit außerhalb Spaniens nachweist. Die „sporadischen Abwesenheitstage“ werden als Aufenthaltstage ebenfalls zu den bescheinigten und vermuteten Aufenthaltstagen hinzugerechnet. Darunter sind solche Tage zu verstehen, die nicht in einem anderen nachgewiesenen Ansässigkeitsstaat verbracht werden und „sporadisch“ sind. Den unbestimmten Rechtsbegriff „sporadisch“ legt das Gericht dahingehend aus, dass Kurzreisen in Länder außerhalb eines Ansässigkeitsstaates, die der Steuerpflichtige von Spanien mit Rückkehr nach Spanien erbringt als sporadische Tage gelten (hier ein Aufenthalt von fünf Tagen in Zürich, zu der der Kläger aus Madrid anreiste und anschließend nach Madrid zurückkehrte).

Darüber hinaus verlange die Zählweise der 183 Tage keinen ununterbrochenen Aufenthalt. Ein- und Ausreisetage sowie Aufenthalte von weniger als 24 Stunden seien als Zähltage zu erfassen. Transittage durch spanisches Hoheitsgebiet, seien Aufenthaltstage, wenn sie das Überschreiten der Zoll- oder Einwanderungsschranke beinhalten.

Praxistipp

Für die Zählung von Anwesenheitstagen sind nach den spanischen Gerichtsentscheidungen zunächst die „echten“ spanischen Anwesenheitstage entscheidend. Eine Übernachtung ist nicht erforderlich, sodass auch kurze „Zwischenstopps“ in Spanien als Zähltag anzusehen sind. Praktisch schwer abgrenzbar sind die nur die sporadischen Abwesenheitstage, d.h. wenige Tage außerhalb Spaniens (z.B. Urlaub). Diese können ebenfalls als spanische Anwesenheitstage zählen. In der Praxis empfiehlt sich daher, eine umfassende Dokumentation, die über einen bloßen Reisekalender hinausgeht (z.B. Kreditkartenabrechnungen, Kontoauszüge, Social-Media-Informationen usw.). Es sollte stets auch eine Einordnung verschiedener Anwesenheits- und Reisetage mit entsprechenden Nachweisen vorgenommen werden.

Alternativ können die ertrag- und vermögenssteuerlichen Folgen eines Ansässigkeitswechsels nach Spanien auch temporär über das sog. Lex Beckham-Regime vermieden werden. Voraussetzung dafür ist allerdings u.a. ein beruflich bzw. wirtschaftlich motivierter Umzug. Das Sonderregime ermöglicht dann über sechs Jahre eine reduzierte Einkommensbesteuerung auf Erwerbseinkünfte (24% auf max. 600.000 EUR Einkommen). Der Vermögensteuer unterliegen während dieser Zeit nur spanische Vermögenswerte.