Wohnungsunternehmen: Anforderungen an wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erneut auf dem Prüfstand?

04.08.2020

Für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eines Wohnungsunternehmens im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d) ErbStG kommt es auf gewerbliche Zusatzleistungen an. Die Anzahl an Wohneinheiten ist hingegen nicht relevant. Dies hat mit dem Finanzgericht (FG) Münster nun ein weiteres Finanzgericht ausgeführt (Urteil vom 25. Juni 2020, 3 K 13/20 F).

 

Damit legt das Finanzgericht für das Vorhandensein eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs andere Kriterien als die Finanzverwaltung an. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits mit Urteil vom 24. Oktober 2017 (II R 44/15) ein vergleichbares Verständnis erkennen lassen. Die Finanzbehörden wenden das Urteil des BFH jedoch infolge eines Nichtanwendungserlasses über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an.

 

Ob sich der BFH erneut mit den Anforderungen an den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eines Wohnungsunternehmens befassen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Ebenso, wie die Finanzverwaltung im Falle einer gleichgelagerten Entscheidung damit umgehen wird.

Hintergrund zum erbschaftsteuerlich begünstigten Wohnungsunternehmen

Dritten zur Nutzung überlassenes Immobilienvermögen zählt grundsätzlich zum erbschaft- bzw. schenkungsteuerlich nicht privilegierten Verwaltungsvermögen. Es unterliegt damit bei Übertragung durch Schenkung oder Erbfolge nahezu vollständig der Erbschaftsteuer. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn das Immobilienvermögen zu einem sogenannten Wohnungsunternehmen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d) ErbStG gehört. Liegen die Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens vor, kann das Immobilienvermögen ausnahmsweise begünstigt und damit ohne Belastung mit Erbschaftsteuer übertragen werden. Ziel der Regelung ist es vor allem, bezahlbaren Wohnraum zu fördern.

 

Neben der Zuordnung des Immobilienvermögens zu einem steuerlichen Betriebsvermögen setzt ein Wohnungsunternehmen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d) ErbStG voraus, dass der Hauptzweck des Unternehmens in der Vermietung von Wohnungen besteht und dass hierfür ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO besteht.

Anforderungen an den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach Auffassung der Finanzverwaltung

In den Erbschaftsteuerrichtlinien (vgl. R E 13b.17 Abs. 3 ErbStR 2019) werden einige Indizien aufgeführt, die nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sprechen. So zum Beispiel:

  • der Umfang der Geschäfte,
  • die Unterhaltung von Büros,
  • eine umfangreiche Organisationsstruktur oder
  • das Bewerben der Tätigkeit.

Bei besonders umfangreichem Immobilienbesitz geht die Finanzverwaltung davon aus, dass die mit der Verwaltung des Vermögens verbundenen Aufgaben einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordern. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird bei einem Volumen von über 300 Wohneinheiten regelmäßig ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb angenommen.

Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb von Wohnungsunternehmen nach Ansicht der Rechtsprechung

Sowohl der BFH als auch das FG Münster fordern für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs neben der bloßen Vermietung jedoch auch zusätzliche Leistungen, die originär gewerblichen Charakter haben. Die Abgrenzung sei dabei nach den allgemeinen Kriterien vorzunehmen, die auch für die Unterscheidung eines Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG von der bloßen Vermögensverwaltung nach § 21 EStG gelten.

 

Als beispielhafte Zusatzleistungen werden in den Urteilsbegründungen Serviceleistungen wie das Anbieten von Reinigungsdienstleistungen in den Mietwohnungen, Bereitstellung von Bettwäsche sowie die Zurverfügungstellung von Aufenthaltsräumen mit Fernsehapparaten gefordert. Auf die Zahl der vermieteten Wohnungen komme es jedoch nicht an.

 

Auch wenn sich die Urteilsfälle auf einen kleinen Wohnungsbestand von unter 50 Wohnungen bezogen, würde demnach auch ein großer Wohnungsbestand allein keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen, wenn nicht auch die geforderten gewerblichen Zusatzleistungen erbracht werden.

Einordnung der Rechtsprechungsansichten

Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Intention bezahlbaren Wohnraum zu fördern, scheint die Auffassung der Rechtsprechung eher fragwürdig. Die geforderten Zusatzleistungen lassen vielmehr auf einen hotelähnlichen Charakter schließen und dürften auf den Regelfall einer Wohnungsvermietung kaum zutreffen. Neue Wohnkonzepte wie Business-Appartements oder Studenten-Wohnheime, bei denen das Geschäftsmodell einem „Rundum-sorglos-Paket“ für den Bewohner entspricht, dürften den Anforderungen gerade noch genügen können. Gerade in Pendler- oder Universitätsstädten führen eben diese Wohnkonzepte allerdings zu einer zusätzlichen Anspannung des Wohnungsmarktes. Daher muss kritisch hinterfragt werden, ob dem gesetzlichen Förderungsgedanken von bezahlbarem Wohnraum dann noch Rechnung getragen wird.

 

Zudem ist bereits für die Qualifikation als Verwaltungsvermögen dem Grunde nach in R E 13b.13 ErbStR 2019 für die Überlassung von Grundstücken unter Erbringung weiterer einheitlich angebotener gewerblicher Leistungen eine Ausnahme vorgesehen. Diese Ausnahme gilt insbesondere für Beherbergungsbetriebe; sie führt dazu, dass kein Verwaltungsvermögen vorliegt. Wenn die gleichen Kriterien auch für die Qualifikation eines Wohnungsunternehmens gelten sollen, erschließt sich das Erfordernis der Ausnahmeregelung in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d) ErbStG schon nicht.

 

Auch der Wortlaut des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d) ErbStG lässt keine andere Auslegung zu. Maßgeblich ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nach § 14 AO, der weiter gefasst ist als der Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG. Wäre eine Anknüpfung an § 15 Abs. 2 EStG gewünscht, wäre der Gesetzestext entsprechend ausgefallen (vgl. beispielsweise § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) sowie Buchst. c) ErbStG, die eindeutig zum EStG Bezug nehmen). Im Weiteren soll nach eindeutigem Wortlaut der zu erfüllende Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen bestehen. Gewerbliche Zusatzleistungen werden hier nicht genannt und stehen der Erfüllung des Hauptzwecks wohl auch eher entgegen.

Fazit: Kriterien für wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb überdenken

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Rechtsprechung die zugrunde gelegten Kriterien für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von Wohnungsunternehmen noch einmal überdenkt. Sollte der BFH auch in Zukunft an seiner derzeitigen Auffassung festhalten wollen, kann nur ein erneuter Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung die zutreffende Folge sein.

 

Ändert die Finanzverwaltung allerdings ihre Linie und schließt sich der Auffassung der Rechtsprechung an, hat dies erhebliche steuerliche Auswirkungen auf die Qualifikation eines Wohnungsunternehmens. Zu beachten gilt dann auch, dass sämtliche Einkünfte aus der Vermietungstätigkeit aufgrund der erforderlichen gewerblichen Vermietung der Gewerbesteuer unterliegen. Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG kann insoweit nicht beansprucht werden, sodass es – abgesehen von einer Anrechnungsmöglichkeit nach § 35 EStG – bei einer Definitivbelastung der gesamten Erträge mit Gewerbesteuer bleibt.