Vorsteuerberichtigung bei Erfolglosigkeit

05.03.2021

Der Vorsteuerabzug eines Unternehmers bleibt auch bei Erfolglosigkeit erhalten, wenn im Zeitablauf keine anderweitige beabsichtigte oder tatsächliche Verwendung der Eingangsleistungen festzustellen ist. Eine tatsächliche Aufnahme des Betriebs durch erste steuerbare Ausgangsleistungen ist hingegen nicht erforderlich. Gilt dies aber auch für einen „erfolglos werdenden“ Unternehmer, so dass der Vorsteuerabzug nach § 15a UStG zu berichtigen ist, wenn der Unternehmer seine tatsächlich begonnene unternehmerische Tätigkeit (unbeabsichtigt) einstellt? Zu dieser Fragestellung äußert sich nunmehr der BFH, nachdem er zunächst den EuGH um Vorabentscheidung ersucht hatte.

Sachverhalt

Eine GmbH („Betreiberin“) betrieb ein Alten- und Pflegeheim und erzielte steuerfreie Umsätze. Im Jahr 2003 errichtete sie in einem Anbau – einem separaten Gebäudeteil – eine Cafeteria. Diese war für Besucher durch einen Außeneingang und für Heimbewohner durch den Speisesaal des Heims zugänglich. Die Betreiberin trug zunächst vor, die Cafeteria ausschließlich für externe Gäste und somit zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze nutzen zu wollen. Das Finanzamt akzeptierte dies nicht, da eine Mitbenutzung durch die Heimbewohner nicht auszuschließen sei. Die Parteien verständigten sich daher auf eine Nutzung der Cafeteria durch die Heimbewohner in Höhe von 10%. Die Betreiberin führte also in diesem Umfang steuerfreie Umsätze aus.

 

Diese Planung ließ sich allerdings nicht realisieren. Vielmehr erzielte die Betreiberin in den Jahren 2009 bis 2012 in der Cafeteria keine Umsätze mit externen Gästen. Zudem meldete sie das Gewerbe im Februar 2013 ab. Dieser Umstand veranlasste das Finanzamt eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorzunehmen.

 

Nach erfolglosem Einspruchverfahren bestätigte auch das Finanzgericht die Rechtsauffassung des Finanzamts. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Errichtungskosten sei zwingend vorzunehmen. Die Cafeteria habe nicht gänzlich leer gestanden, sondern sei ausschließlich für steuerfreie Umsätze an die Heimbewohner genutzt worden. Infolge des Wegfalls der steuerpflichtigen Umsätze hätten sich die Nutzungsanteile zwangsläufig dahingehend geändert, dass nunmehr die Heimbewohner die Cafeteria zu 100% nutzen.

 

Entgegen dem recht knapp gehaltenen Urteil des Finanzgerichts betrachtete der BFH den Sachverhalt in einem anderen Lichte. Da sich der tatsächliche Umfang der steuerfreien Nutzung nach den Angaben der Betreiberin nicht geändert habe, könne keine „automatische vollumfängliche Verwendung“ für steuerfreie Umsätze vorliegen. Vielmehr führe die Betreiberin unverändert zu 10% steuerfreie Umsätze aus. Im Hinblick auf die verbleibenden 90% fragte sich der BFH, ob die Betreiberin ein „erfolgloser Unternehmer“ sei. In diesem Fall käme eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG nicht in Betracht.

Vorlagefrage an den EuGH

Diese Frage legte der BFH dem EuGH vor (Beschluss vom 27. März 2019 – V R 61/17). Entscheidungserhebliches Sachverhaltsmerkmal im Unterschied zu den bislang entschiedenen Fällen war die tatsächliche Verwendung der Eingangsleistungen. Mithin wurde die Betreiberin erst im Zeitablauf – und dies auch nur anteilig – erfolglos.

Antwort des EuGH

Der EuGH (Urteil vom 9. Juli 2020 – C-374/19, HF) beantwortete die Vorlagefrage des BFH wie folgt:

 

Die Art. 184, 185 und 187 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der ein Steuerpflichtiger, der das Recht erworben hat, die auf die Errichtung einer zur Nutzung sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze bestimmten Cafeteria im Anbau eines von ihm umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entfallende Vorsteuer anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten dieser Cafeteria eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze in diesen Räumlichkeiten getätigt und diese somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat.“

 

Zwar identifizierte der EuGH die ausschließliche Verwendung der Cafeteria für steuerfreie Umsätze als Voraussetzung für eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG. Allerdings legte auch der EuGH den Schwerpunkt seiner Betrachtung auf die verbleibende steuerfreie Nutzung und bewertete sie als nunmehr einzige Verwendung. Die Sichtweise des BFH, nach der die weiterhin in gleichem Umfang vorliegenden steuerfreien Umsätze nicht automatisch in eine ausschließliche Verwendung der Cafeteria umgedeutet werden können, so dass die Betreiberin insoweit als „erfolgloser Unternehmer“ qualifiziert, fand in den Erwägungen des EuGH zur Begründung seines Urteils keinen Anklang.

Entscheidung des BFH

Der BFH (Urteil vom 27. Oktober 2020 – V R 20/20) bleibt seiner Linie mit dem nun vorliegenden Urteil treu. Nach der Entscheidung des EuGH hänge eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs davon ab, „ob die Räumlichkeiten der Cafeteria nunmehr ausschließlich für die Zwecke der steuerbefreiten Umsätze der Klägerin des Ausgangsverfahrens verwendet wurden“. Nur in diesem Fall wäre eine Berichtigung nach § 15a UStG zulässig. Der bloße Leerstand ohne (geänderte) Verwendungsabsicht bewirke hingegen keine Änderung der Verhältnisse.

 

Allerdings trifft der BFH keine abschließende Entscheidung, sondern verweist die Sache an das Finanzgericht zurück. Da das Finanzgericht eine unveränderte Nutzung für steuerfreie Umsätze angenommen habe, müsse es nunmehr tatsächliche Feststellungen zur Nutzung und Abgrenzbarkeit der Räumlichkeiten nachholen. Insoweit sei zu prüfen, ob die Räume der Cafeteria verschlossen waren und eine nur punktuelle Verwendung für Veranstaltungen des Heims mit einem Leerstand ohne Verwendungsabsicht im Übrigen vorlag. Insoweit scheide eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG aus. Im Falle einer teilweisen Nutzung für steuerfreie Umsätze käme eine gegebenenfalls weitere anteilige Vorsteuerberichtigung in Betracht.

Praxisfolgen

Positiv ist zunächst, dass der BFH – auch in Anbetracht der Entscheidung desEuGH – der „automatischen“ Verwendung von Eingangsleistungen bzw. Räumlichkeiten für verbleibende steuerfreie Umsätze bei teilweisem Leerstand eine Absage erteilt. Nach wie vor kommt es auf die tatsächliche Verwendung bzw. Verwendungsabsicht an. Im Falle eines Leerstandes richtet sich der Vorsteuerabzug nach der (ursprünglichen) beabsichtigten Verwendung, sofern eine weitere Nutzung nicht stattfindet. Gleiches dürfte gelten, wenn für den Gebäudeteil eine neue vorsteuerabzugunschädliche Verwendung gefunden wird. Nur soweit eine vollständige oder teilweise „echte“ Verwendung für vorsteuerabzugschädliche Umsätze vorliegt, kommt eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG in Betracht.

 

Das Urteil des BFH verdeutlicht damit einmal mehr die Wichtigkeit der fortlaufenden Dokumentation der Verwendung von Eingangsleistungen zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG und seiner möglicherweise im Zeitablauf eintretenden Berichtigung nach § 15a UStG. Dies gilt insbesondere bei Immobilien, die für Zwecke des § 15a UStG in unterschiedliche Berichtigungsobjekte zerfallen können (z.B. bei unterschiedlichem Verwendungsbeginn).