Verwaltungsgrundsätze 2020 konkretisieren Mitwirkungspflichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

07.12.2020

Das BMF hat mit Datum vom 3.12.2020 neue Verwaltungsgrundsätze (Verwaltungsgrundsätze 2020, IV B 5 – S 1341/19/10018 :001) erlassen. Diese ersetzen in Teilen – aber nicht vollständig – die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren vom 12.4.2005 (BStBl. I 2005, 570). Ein Bezug zu den ursprünglichen Verwaltungsgrundsätzen 1983 (vom 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218) wird nicht hergestellt. Dem Vernehmen nach sollen aber auch diese aktuell überarbeitet werden.

Ursache für Überarbeitung

Die Verwaltungsgrundsätze 2020 beinhalten insbesondere Konkretisierungen zu Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen zur internationalen Einkünfteabgrenzung und etwaig hieraus resultierenden Schätzungen. Sie ersetzen insoweit die einschlägigen Kapitel in den Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005, die ihrerseits auf Fassungen des § 90 Abs. 3 AO des Jahres 2003 bzw. der zugehörigen GAufzV aus dem Jahre 2004 beruhen. Da sowohl die Regelungen in § 90 AO als auch die GAufzV in den letzten Jahren angepasst und erweitert wurden, war eine Anpassung der einschlägigen Verwaltungsanweisungen zu erwarten und ist zu begrüßen.

Verhältnis der Mitwirkungspflichten und der Amtsermittlungspflicht

Gemäß Rz. 1 der Verwaltungsgrundsätze 2020 stehen Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörde und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nebeneinander. Es wird durchgehend betont, dass der Steuerpflichtige im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zur Mitwirkung verpflichtet ist. Die Amtsermittlungspflicht liegt zwar bei der Finanzverwaltung. Wirkt der Steuerpflichtige aber nicht oder nicht hinreichend mit, hat die Finanzverwaltung die Schätzungsbefugnisse der § 162 Abs. 1 bis 4 AO je nach Fallkonstellation.

Umfang der erweiterten Mitwirkungspflichten i.S.d § 90 Abs. 2 AO

Im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO für Auslandssachverhalte konkretisiert die Finanzverwaltung ihre Auffassung, dass der Steuerpflichtige den Auslandssachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen hat. Der Steuerpflichtige muss eine Beweisvorsorge im Rahmen seiner rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten treffen. Die Vorlagepflicht soll auch Gutachten und Stellungnahmen zu Verrechnungspreisen betreffen, soweit sie für die Einkünfteermittlung als bedeutsam erachtet werden (Rz. 12 Verwaltungsgrundsätze 2020).

 

Es wird erwartet, dass der Steuerpflichtige dafür Sorge trägt, dass er ausländische Beweismittel und Unterlagen erhalten kann, wenn dies für relevant erachtet wird. Hierzu wird bspw. konkretisiert, dass dies Kosten bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode bzw. Verkaufspreise bei Anwendung der Wiederverkaufspreismethode sind (Rz. 14 Verwaltungsgrundsätze 2020). Die Pflicht zur Beweisvorsorge soll auch Regelungen in Verträgen mit nahestehenden Personen mit entsprechenden Auskunftsansprüchen gegenüber der nahestehenden Person enthalten.

Besondere (Verrechnungspreis-)Dokumentationspflichten i.S.d. § 90 Abs. 3 AO

Für besondere Verrechnungspreisfälle gelten ergänzend die Regelungen des § 90 Abs. 3 AO. Die zu erstellenden Aufzeichnungen sollen so gestaltet sein, dass die Steuerverwaltung eine sachverständige Risikobeurteilung vornehmen und eine Verrechnungspreisprüfung durchführen kann. Ein sachverständiger Dritter soll innerhalb angemessener Zeit den Sachverhalt erkennen und feststellen können, ob der Fremdvergleichsgrundsatz eingehalten wurde (Rz. 26 Verwaltungsgrundsätze 2020).

 

Für die Dokumentation sind die wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände relevant, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäftsbeziehung (Verpflichtungsgeschäft) maßgeblich sind. Deshalb hat der Steuerpflichtige auch aufzuzeichnen, wann die Geschäfte geschlossen und wann die Verrechnungspreise hierzu ermittelt wurden. Dementsprechend gelten die Fremdvergleichsdaten, die zu diesem Zeitpunkt vorliegen können als Angemessenheitsnachweis. Gleichwohl soll der Steuerverwaltung die Möglichkeit eingeräumt sein, dass sie die ursprüngliche Verrechnungspreisfestsetzung anhand erst später verfügbarer (aktualisierter) Fremdvergleichsdaten verprobt. Eine solche Ex-post-Verprobung dürfte Konfliktpotential in Betriebsprüfungen beinhalten.

 

Unverändert hat der Steuerpflichtige grundsätzlich nur Aufzeichnungen für die von ihm angewendete und am geeignetsten gehaltene Methode zu erstellen (Rz. 45 Verwaltungsgrundsätze 2020). Sofern die Finanzverwaltung eine andere Methode für zutreffender erachtet, ist der Steuerpflichtige aber zur Mitwirkung aufgerufen und soll die hierfür relevanten Daten liefern. Hier besteht das praktische Problem darin, dass auch ein fremder Dritter sich keinen Zugriff auf Daten seines Geschäftspartners zusichern lassen würde, wenn er diese nicht für die verwendete Verrechnungspreismethodik benötigt. Wie die Finanzverwaltung mit diesem Problem umgehen wird, bleibt abzuwarten.

 

Neu ist auch, dass der Steuerpflichtige eine Sensitivitätsanalyse erstellen soll, wenn er den hypothetischen Fremdvergleich anwendet. Mit anderen Worten soll er direkt aufzeigen, welche Variation der Bewertungsparameter zu welchen Änderungen der Bewertung führt (Rz. 47 Verwaltungsgrundsätze 2020).

Verstoß gegen Mitwirkungspflichten und Verwertbarkeit

Ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten befugt – je nach Fall – zu Schätzungen nach § 162 Abs. 1 bis 4 AO. Es sind aber entsprechend der allgemeinen Grundsätze zur Schätzungsbefugnis keine reinen Strafschätzungen zulässig, sondern das Schätzungsergebnis soll dem wahren Sachverhalt möglichst nahekommen. Es muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (Rz. 70 Verwaltungsgrundsätze 2020 mit Verweis auf einschlägige BFH-Rechtsprechung).

 

Die Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen soll eine Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung nicht ausschließen (Rz. 73 Verwaltungsgrundsätze 2020). U.E. kann dies nur gelten, wenn der Sachverhalt nicht vollständig ermittelbar ist und damit ein Fall des § 162 Abs. 1 AO vorliegt.

 

In Rz. 82 erfolgt eine Konkretisierung der Unverwertbarkeit einer Verrechnungspreisdokumentation. Diese soll – u.E. zutreffend – nur bei sehr gravierenden Mängeln wie einer fehlenden Sachverhalts- oder Angemessenheitsanalyse der Fall sein, bzw. wenn wesentliche Elemente fehlen. Im Übrigen wird auf die Maßstäbe zur Ordnungswidrigkeit der Buchführung (§ 158 AO) verwiesen.

Fazit

Es ist zu begrüßen, dass nach den Änderungen der Mitwirkungspflichten in § 90 und der GAufzV auch die einschlägigen Verwaltungsgrundsätze aktualisiert werden. Verschärfend scheint hier die Auffassung zu sein, dass auch ausländische Daten beschafft werden sollen, wenn diese für die ursprüngliche Verrechnungspreismethode nicht benötigt wurden.

 

Ob dies im Einklang mit der Gesetzgebung steht, könnte aber schon im Revisionsverfahren (I R 4/17) zum FG Münster, Urteil vom 7.12.201613 K 4037/13 K,F, EFG 2017, 334) geklärt werden.