Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 29 UStG: BMF-Schreiben zur Kostenteilungsgemeinschaft veröffentlicht

20.07.2022 | FGS Blog

Viele gemeinnützige Körperschaften erbringen nichtumsatzsteuerbare oder umsatzsteuerfreie Leistungen und sind insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies verteuert den Leistungsbezug um die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. In einem Konzern kann die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft Abhilfe schaffen; die im Organkreis erbrachten Leistungen sind nicht umsatzsteuerbar, der Leistungsempfänger ist nicht mit Vorsteuer belastet. Eine Organschaft ist allerdings oftmals nicht erwünscht, etwa weil zwischen Organträger und Organgesellschaft eine strikte Trennung in den obersten Geschäftsführungsorganen präferiert wird. Abhilfe kann auch die Gründung einer sogenannten Kostenteilungsgemeinschaft schaffen, deren Leistungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 29 UStG umsatzsteuerfrei sind. Die Gründung einer Kostenteilungsgemeinschaft kann für gemeinnützige Körperschaften auch im Kontext von Fördertätigkeiten (§ 58 Nr. 1 AO) und Kooperationen nach § 57 Abs. 3 AO („planmäßiges Zusammenwirken“) interessant sein.

 

Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG beruht auf Unionsrecht. Bis Ende 2019 mussten sich Kostenteilungsgemeinschaften auf die Steuerbefreiung nach Unionsrecht, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, berufen. Erst zum 1. Januar 2020 hat der deutsche Gesetzgeber die unionsrechtliche Vorgabe in das nationale deutsche Recht umgesetzt. Das hierzu seit einiger Zeit erwartete Einführungsschreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) liegt nun vor (Schreiben vom 19. Juli 2022, Az. III C 3 – S 7189/20/10001 :001).

 

Die wichtigsten Thesen zusammengefasst:

  • Als Kostenteilungsgemeinschaft anerkannt werden u.a. inländische Vereine, GmbHs und Genossenschaften – allerdings nur, wenn sie mehrere Mitglieder bzw. Anteilseigner haben –, nicht hingegen Stiftungen und GmbHs mit nur einem einzigen Gesellschafter.
  • Begünstigt sind nur sonstige Leistungen, z.B. Nutzungsüberlassungen und die Erbringung von Dienstleistungen, nicht hingegen auch Lieferungen von Gegenständen – und auch nur sonstige Leistungen der Kostenteilungsgemeinschaft an ihre Mitglieder bzw. Anteilseigner, nicht auch umgekehrt Leistungen der Mitglieder bzw. Anteilseigner an die Kostenteilungsgemeinschaft.
  • Der Leistungsempfänger kann, muss aber nicht wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt sein. Die Umsatzsteuerbefreiung greift allerdings nur, wenn der Leistungsempfänger die von der Kostenteilungsgemeinschaft bezogene sonstige Leistung unmittelbar für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten verwendet, die

      • entweder nicht der Umsatzsteuer unterliegen (z.B. weil der Leistungsempfänger nicht Unternehmer ist oder für seine Leistungen an Dritte kein Entgelt verlangt)
      • oder die zu Umsätzen führen, die nach bestimmten gesetzlichen Vorschriften umsatzsteuerfrei sind. Im Kontext gemeinnütziger Organisationen sind dies insbesondere Leistungen in den Bereich Wohlfahrtspflege, Bildung, Erziehung und Sport.

Abzugrenzen ist u.a. danach, ob eine Leistung auf die Bedürfnisse der Mitglieder bzw. Anteilseigner zugeschnitten sind. Unter dieser Voraussetzung kann z.B. die Erbringung von IT-Dienstleistungen umsatzsteuerfrei sein. Nicht begünstigt ist die Erbringung allgemeiner Verwaltungsleistungen, z.B. in den Bereichen Buchführung und Personalwesen.

 

  • Leistungen an Nicht-Mitglieder bzw. Nicht-Anteilseigner sowie Leistungen zu nichtbegünstigten Zwecken stehen der Annahme einer Kostenteilungsgemeinschaft nicht entgegen, werden aber von der Umsatzsteuerbefreiung nicht erfasst. Derartige Leistungen sind, soweit umsatzsteuerbar, vorbehaltlich einer anderen Befreiungsvorschrift umsatzsteuerpflichtig.
  • Die Umsatzsteuerbefreiung setzt voraus, dass das für die Leistung vereinbarte und entrichtete Entgelt lediglich in einem reinen Kostenersatz besteht (z.B. Ersatz von Personal-, Sach- und Finanzierungskosten). Die auf die Mitglieder entfallenden Kostenanteile können verursachergerecht, insbesondere nach dem Umfang und der Häufigkeit der Inanspruchnahme der Leistungen, bemessen und umgelegt werden, alternativ nach der Anzahl der Mitglieder bzw. Anteilseigner oder anhand der Höhe der gesellschafts-/genossenschaftsrechtlichen Beteiligung. Schädlich sind ein pauschaler Aufschlag sowie ein „gravierendes“ Missverhältnis zwischen dem jeweils umgelegten Kostenanteil und der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen. Etwaig erzielte Überschüsse sind nur unschädich, wenn sie ausschließlich zur Finanzierung künftiger Investitionen bestimmt sind; eine entsprechende Dokumentation sollte vorgehalten werden.
  • Nach dem Gesetz darf die Umsatzsteuerbefreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Die Finanzverwaltung legt dieses Merkmal restriktiv im Sinne einer Vermeidung von Missbräuchen aus. Als Indiz für das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung nennt das BMF-Schreiben beispielhaft die Fälle, dass

      •  die Kostenteilungsgemeinschaft unter Ausnutzung „erheblicher“ Synergieeffekte die gleichen Leistungen in „erheblichem“ Umfang entgeltlich an Dritte (Nicht-Mitglieder bzw. Nicht-Anteilseigner) am Markt erbringt oder
      • die Mitglieder bzw. Anteilseigner Dienstleistungen, die nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sind, auf die Kostenteilungsgemeinschaft verlagern, obwohl diese Leistungen auch von Wettbewerbern erbracht werden oder erbracht werden könnten.

Die Ausführungen im BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 gelten ausschließlich für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG. Sie gelten nicht auch bei der Auslegung gemeinnützigkeitsrechtlicher Vorschriften, auch wenn sich insoweit ähnliche Fragen stellen, so etwa zu § 58 Nr. 1 AO („reiner Kostenersatz“) und § 65 Nr. 1 AO („Prinzip der Kostendeckung“). Insoweit gelten andere, spezifisch gemeinnützigkeitsrechtliche Überlegungen.