Kooperationen: Finanzgericht verwirft „doppeltes Satzungserfordernis“

20.11.2023 | FGS Blog

Praktische Bedeutung von Kooperationen

Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften – ob innerhalb oder außerhalb eines Verbundes – sind gang und gäbe. In der Vergangenheit stellte sich oftmals die Frage, ob eine gemeinnützige Körperschaft mit der Erbringung von Service- und Funktionsleistungen ihre Satzungszwecke unmittelbar (i.S. des § 57 Abs. 1 Satz 1 AO) verfolgt. Durch das Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber in § 57 Abs. 3 Satz 1 AO festgeschrieben, dass die „satzungsgemäße“ Erbringung von Service- und Funktionsleistungen zugunsten anderer gemeinnütziger Körperschaften (sowie zugunsten von Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts) eine unmittelbar gemeinnützige Tätigkeit ist. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften erleichtern.

Finanzverwaltung: „Doppeltes Satzungserfordernis“

Leider erschwert die Finanzverwaltung die vom Gesetzgeber begünstigten Kooperationen. Bislang steht sie auf dem sehr umstrittenen Standpunkt, dass die Erbringung von Service- und Funktionsleistungen nicht nur in der Satzung einer leistungserbringenden Körperschaft (als Art der Zweckverwirklichung), sondern zusätzlich in der Satzung einer leistungsempfangenden Körperschaft abgebildet sein müsse. Dieses sog. „doppelte Satzungserfordernis“ macht in der Praxis viele sinnvolle Kooperationen zunichte, was im Schrifttum mitunter heftig kritisiert wird (u.a. vom Verfasser dieses Blog-Beitrags in npoR 2021, 235).

FG Hamburg: „doppeltes Satzungserfordernis“ gibt es nicht

Umso erfreulicher ist, dass sich eine gemeinnützige GmbH wehrhaft gezeigt hat. Auf ihre Klage hat das Finanzgericht Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass das Gesetz das von der Finanzverwaltung angenommene „doppelte Satzungserfordernis“ nicht vorsehe (Urteil vom 26. September 2023, Aktenzeichen 5 K 11/23). Demnach reicht es aus, wenn die Erbringung von Service- und Funktionsleistungen allein in der Satzung der leistungserbringenden Körperschaft verankert ist. Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg ist in diesem Punkt im Ergebnis und in den meisten Passagen der Begründung sehr zu begrüßen.

Das Finanzgericht hat Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Dem Vernehmen nach hat das unterlegene Finanzamt Revision eingelegt, ein Aktenzeichen beim BFH ist noch nicht veröffentlicht.

Aus Sicht der Praxis ist zu hoffen, dass der BFH die Rechtsauffassung des Finanzgerichts Hamburg bestätigt und die Finanzverwaltung sodann ihren bisherigen restriktiven, auch nach hier vertretener Auffassung nicht haltbaren Standpunkt sehr zügig aufgibt. Solange der Anwendungserlass zur Abgabenordnung nicht geändert wird, bleiben Finanzämter verwaltungsintern an das Erfordernis eines „doppelten Satzungserfordernisses“ gebunden.

§ 57 Abs. 3 AO begründet keine neue Beihilfe

Erfreulicherweise bestätigt das Finanzgericht Hamburg zugleich, dass es sich bei der Einführung des § 57 Abs. 3 AO entgegen vereinzelter kritischer Literaturstimmen nicht um eine neue Beihilfe handelt und es daher nicht einer Zustimmung der Europäischen Kommission bedarf. Durch Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften werde der Wettbewerb regelmäßig nicht beeinträchtigt, vielmehr ermöglichten sie ein effizienteres Arbeiten zur Zweckverfolgung.

Anforderungen an die Formulierung in der Satzung

In dem vom Finanzgericht Hamburg entschiedenen Fall nicht  streitentscheidend war die Frage, ob die Kooperationspartner in der Satzung namentlich bezeichnet oder sonstwie individualisiert werden müssen und wie konkret die Art und Weise der Kooperation beschrieben werden muss. Das Finanzgericht Hamburg hatte keine Beanstandung an der Formulierung, wonach die Kooperation “in Form der Erbringung von Service- und Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen” erfolgt. Nach hier vertretener Auffassung reicht wie auch bei anderen Zweckverwirklichungsmaßnahmen eine nicht abschließende Aufzählung (“insbesondere”), wobei eine allgemein gehaltene Bezugnahme etwa auf Leistungen im administrativen, kaufmännischen oder technischen Bereich genügt.