Kein steuerliches Einlagekonto für Familienstiftungen

18.10.2023 | FGS Blog

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der seit vielen Jahren umstrittenen Frage, ob rechtsfähige private Stiftungen einen Anspruch auf Feststellung des Bestands ihres steuerlichen Einlagekontos haben, war mit Spannung erwartet worden. Nun hat der BFH mit Urteilen vom 17. Mai 2023 (I R 42/19, I R 46/21) entschieden, dass dies nicht der Fall ist. Destinatäre von Familienstiftungen können aber dennoch Auskehrungen von Stiftungsvermögen steuerfrei erhalten.

Ausschüttbares Stiftungsvermögen

Mit der zum 1.7.2023 in Kraft getretenen Stiftungsrechtsreform (hierzu siehe unsere Blog-Beiträge vom 28. Juni 2021 und vom 15. Juni 2022 sowie unseren Stiftungstag@fgs) ist klargestellt, dass sich der in § 83c Abs. 1 Satz 1 BGB geregelte stiftungsrechtliche Grundsatz der Kapitalerhaltung nur auf das sogenannte Grundstockvermögen bezieht. Eine Familienstiftung, sowohl eine Verbrauchsstiftung als auch eine auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung, kann aber auch sonstiges Vermögen haben, welches deshalb – immer in Abhängigkeit von den Regelungen der Stiftungssatzung – an ihre Destinatäre ausgekehrt werden kann.

Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte?

Steuerrechtlich wird seit vielen Jahren diskutiert, ob die Auskehr von sonstigem Vermögen, welches durch den Stifter oder eine andere Person dem Stiftungsvermögen zugeführt wurde, bei den Destinatären zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) führt oder als eine Art steuerfreie Einlagenrückgewähr behandelt werden kann.

Anknüpfungspunkt für eine steuerfreie Auskehr ist § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, auf den § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG verweist. Danach führen ausgeschüttete Beträge nicht zu Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG als verwendet gelten.

Keine gesonderte Feststellung eines Einlagekontos

Entgegen der Vorinstanz (FG Rheinland-Pfalz v. 31. Juli 2019 – 1 K 1505/15) entschied der BFH nun, dass keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos einer Stiftung besteht. Eine Stiftung ist weder eine Kapitalgesellschaft i.S. von § 27 Abs. 1 KStG noch eine Körperschaft oder Personenvereinigung i.S. von § 27 Abs. 7 KStG. Steuerlich stellt sie eine „Vermögensmasse“ dar, da bei ihr weder eine Beteiligung der Begünstigten (Destinatäre) am Vermögen möglich ist noch Mitgliedschaftsrechte bestehen. Nach Auffassung des BFH kommt auch keine erweiterte Anwendung des § 27 Abs. 7 KStG in Betracht angesichts seines klaren Wortlauts und mangels Vorliegens einer Regelungslücke.

Steuerfreie Auskehr von Stiftungskapital

Für eine steuerfreie Auskehr von Stiftungsvermögen einer Familienstiftung an ihre Destintäre bedarf es aber auch nicht zwingend der Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos, wie auch der BFH in dem aktuellen Urteil feststellt. Wie bei Gewinnausschüttungen von Drittstaatenkapitalgesellschaften an inländische Anteilseigner sei auch hier im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der Destinatäre zu klären, ob die Auskehr von Stiftungskapital an die Destinatäre steuerpflichtig sei.

Eine Nicht-Steuerpflicht kann sich insbesondere daraus ergeben, dass nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG nur solche Einnahmen steuerpflichtig sind, die mit Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG „wirtschaftlich vergleichbar“ sind. Wirtschaftlich mit Gewinnausschüttungen vergleichbar und damit steuerbar ist nach überwiegender Auffassung jedoch nur die Ausschüttung thesaurierter oder bei Auflösung entstehender Erträge der Stiftung, nicht aber die Auskehr von Stiftungsvermögen, welches der Stiftung zuvor von einem Dritten zugewendet wurde.

Es wäre daher überaus begrüßenswert gewesen, der BFH wäre dem Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gefolgt und hätte die Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos auch für Stiftungen für zulässig erachtet. In vielen Fällen würde dies nicht nur der Vereinfachung, sondern vor allem auch der Rechtssicherheit dienen. So stellt auch der BFH fest, dass die Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos auch für Stiftungen sinnvoll wäre, insbesondere für Verbrauchsstiftungen, die bereits aufgrund ihrer Rechtsnatur über kein Grundstockvermögen verfügen und auf die Auskehr ihres gesamten (sonstigen) Vermögens ausgerichtet sind. Positiv ist jedoch, dass ungeachtet der fehlenden Rechtsgrundlage für die Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos auch nach Auffassung des BFH die steuerfreie Auskehr von Stiftungsvermögen an Destinatäre möglich erscheint. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung zu dem Urteil verhält.