Vergangene Woche, am 5. Juni 2024, hat die Bundesregierung den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 verabschiedet. Für gemeinnützige Körperschaften von besonderer Relevanz sind zwei geplante Änderungen der Abgabenordnung sowie Änderungen einiger Bestimmungen zur Umsatzsteuer. Alle nachstehend vorgestellten Änderungen sollen (erst) zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Wohngemeinnützigkeit
Wie von Presse, Funk und Fernsehen bereits ausführlich berichtet, möchte die Bundesregierung die sogenannte „Wohngemeinnützigkeit“ wiederbeleben. Diese soll sich – anders als die 1990 abgeschaffte – auf die Wohnraumüberlassung durch gemeinnützige Körperschaften beschränken und nicht auch gleichartige Leistungen anderer privatrechtlicher Anbieter erfassen.
Dazu soll der Katalog gemeinnütziger Zwecke in der Abgabenordnung um „die Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ erweitert werden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 AO-Entwurf). Dieser Zweck soll im Gesetz selbst definiert werden als „die vergünstigte Wohnraumüberlassung an Personen im Sinne des § 53“, also an körperlich, geistig, seelisch und/oder wirtschaftlich hilfebedürftige Menschen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine entgeltliche, an sich vermögensverwaltende Tätigkeit unmittelbar auf einen gemeinnützigen Zweck gerichtet. Der Grund für die Begünstigung ist der Verzicht, eine marktübliche oder gewinnbringende Miete zu erheben. In der Folge stellen die überlassenen Räumlichkeiten nutzungsgebundenes Vermögen dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 AO); zu ihrer Anschaffung oder Herstellung wie auch zum Verlustausgleich dürfen zeitnah zu verwendende Mittel herangezogen werden.
Auch wenn der neue Zweck mildtätige Züge aufweist, muss er, weil gemeinnützig, auf die Förderung der Allgemeinheit gerichtet sein. Demnach darf sich die begünstigte Wohnraumüberlassung nicht etwa auf die Belegschaft eines oder mehrerer bestimmter Unternehmen beschränken (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO).
Abweichend von der gesetzlichen Grundkonzeption (§ 53 Nr. 2 Satz 1 AO) sollen bei Prüfung der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit speziell im Kontext der „Wohngemeinnützigkeit“ andere Kriterien gelten. Demnach soll die Schwelle, bis zu der ein Mensch wirtschaftlich hilfebedürftig ist, um den Faktor 1,0 angehoben werden, d. h. im Grundsatz auf das Fünffache, bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden auf das Sechsfache des Regelsatzes der Sozialhilfe. Die Hilfebedürftigkeit muss generell lediglich zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen. Aufgrund dieser Vereinfachungsregel bedarf es beispielsweise keiner alljährlichen Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mieter.
Begünstigt ist die Wohnraumüberlassung nur bei Unentgeltlichkeit oder Verbilligung. Verbilligung meint ausweislich der Regierungsbegründung im Ansatz, dass die Miete „dauerhaft unter der marktüblichen Miete“ angesetzt wird. In Friktion dazu heißt es in der Begründung, die Miethöhe müsse „nur zu Beginn des Mietverhältnisses und bei Mieterhöhungen“ geprüft werden. Eine die Steuerbegünstigung begründende Verbilligung liegt demnach auch dann vor, wenn die Miete lediglich die tatsächlichen Aufwendungen einschließlich der regulären steuerlichen Abschreibungen deckt und keinen Gewinnaufschlag enthält.
Projektgebundene Rücklagen
Gemeinnützige Körperschaften dürfen Mittel einer Rücklage zuführen, soweit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten Satzungszwecke nachhaltig zu erfüllen (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 AO). Geplant ist ein klarstellender Einschub, wonach es für die Beurteilung auf den „Stand der Planung zum Zeitpunkt der Rücklagenbildung“ ankommt. Damit wird erfreulicherweise die Beurteilung aus Sicht ex ante gesetzlich festgeschrieben – ein Ansatz, der generell auf sämtliche Maßnahmen der tatsächlichen Geschäftsführung ausgeweitet werden sollte (vgl. § 63 Abs. 1 AO). Folgerichtig ist die Regierungsbegründung, wonach nachträgliche Anpassungen in der Planung bei umfangreichen und regelmäßig sehr langfristigen Investitionsvorhaben, insbesondere im Immobiliensegment, erlaubt sind.
Umsatzsteuerbefreiungen
Geplant ist die umfassende Änderung der Bestimmungen zur Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen durch allgemein- oder berufsbildende Einrichtungen sowie durch Privatlehrer (nur natürliche Personen). Nach dem gescheiterten ersten Versuch im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 möchte der Gesetzgeber die Regelungen in § 4 Nr. 21 UStG an den Wortlaut der unionsrechtlichen Vorgaben in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sowie an mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anpassen. Erfasst sind u.a. Leistungen von Ergänzungs- und Ersatzschulen, Nachhilfeunterricht und Repetitorien sowie Leistungen anderer Bildungseinrichtungen, die ihrer Art nach den Zielen einer beruflichen Tätigkeit dienen. Die bisher erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, damit einhergehend die parallele Befassung mehrerer Verwaltungsbehörden, entfällt – ein erfreulicher Beitrag zum Bürokratieabbau (wenn gleichwohl mit Blick auf kulturelle Dienstleistungen, § 4 Nr. 20 UStG, leider unvollendet). Das Erfordernis, dass keine systematische Gewinnerzielung angestrebt wird und etwaige erzielte Gewinne zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden, wird von gemeinnützigen Körperschaften erfüllt. Nicht begünstigt sind Veranstaltungen, die nach der thematischen Zielsetzung und Ausgestaltung des Unterrichtsangebots der bloßen Freizeitgestaltung dienen. Die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen im Rahmen von Eingliederungsleistungen (SGB II), Leistungen der Arbeitsförderung (SGB III) sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (SGB IX) beurteilt sich allein nach Maßgabe der diesbezüglichen Sonderregelungen (§ 4 Nr. 15b und Nr. 15c UStG), die unverändert bleiben sollen.
Insbesondere für Sportvereine soll die bisherige Umsatzsteuerbefreiung (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG) auf neue Füße gestellt werden. Nach dem Wortlaut einer neuen Vorschrift gilt die Umsatzsteuerbefreiung künftig für „die in engem Zusammenhang mit Sport oder Körperertüchtigung stehenden sonstigen Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“ (§ 4 Nr. 22 Buchst. c UStG-Entwurf). Dazu gehören auch die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen und -geräten sowie Leistungen an Nicht-Mitglieder. Erfasst sind – wenn m. E. auch erstmalig – Leistungen, die mit der Entrichtung des Mitgliedsbeitrags abgegolten sind, sofern der Mitgliedsbeitrag unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung umsatzsteuerbar gestellt wird.
Vorsteuerabzug
Neu gefasst werden die gesetzlichen Bestimmungen zum Vorsteuerabzug für den Fall, dass eine mit Umsatzsteuer belastete Eingangsleistung für „gemischte“ Ausgangsleistungen, d. h. sowohl für Abzugs- als auch für Ausschlussumsätze, verwendet wird (§ 15 Abs. 4 UStG). Die Neuformulierung stellt klar, dass im Fall einer Vorsteueraufteilung eine Berechnung der nicht abzugsfähigen Vorsteuern nach dem sogenannten Gesamtumsatzschlüssel nur dann möglich ist, wenn dieser der einzige mögliche Aufteilungsmaßstab ist. Er ist damit nachrangig zu anderen, präziseren (und sachgerechten) Aufteilungsmethoden. Zu dieser Thematik hat sich kürzlich auch die Finanzverwaltung verhalten.
Kleinunternehmer (Umsatzsteuer)
Neu gefasst werden die Bestimmungen zu den sogenannten Kleinunternehmern (§ 19 UStG), die keine Umsatzsteuer schulden und im Gegenzug nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Erstmalig geregelt werden die formalen Anforderungen an Rechnungen, die Kleinunternehmer ausstellen (§ 34a UStDV-Entwurf). Zudem wird ein neues Meldeverfahren eingeführt, die es inländischen Unternehmern ermöglichen soll, auch in anderen EU-Mitgliedstaaten die Kleinunternehmerregelung anzuwenden (§ 19a UStG-Entwurf).
Nicht der große Wurf
Enttäuschend ist der Befund, dass weitere Reformen im Gemeinnützigkeitsrecht, die die drei Ampelparteien im Koalitionsvertrag aus dem November 2021 vereinbart haben, jedenfalls bislang keinen Eingang in das Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2024 gefunden haben. Optimistisch stimmt allenfalls eine mündliche, wenn auch vage Äußerung der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesfinanzministerium Hessel anlässlich des Deutschen Stiftungstags am 14. Mai 2024 in Hannover, wonach bis zur Sommerpause „noch etwas komme“. Ihr Hinweis, es gäbe in der Koalition noch Stoff für Diskussionen, könnte sich auf das Thema „politische Betätigung“ beziehen. Für den gesamten Dritten Sektor wäre es sehr zu begrüßen, wenn „die Politik“ die vielen Reformvorschläge aus der Praxis, insbesondere zum Abbau von Bürokratie und zur Stärkung von Rechtssicherheit, aufgreift. Es bleibt zu hoffen, dass sich die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten beim Thema „politische Betätigung“, welches eine für unsere Gesellschaft wichtige, aber zahlenmäßig eher kleine Gruppe gemeinnütziger Organisationen betrifft, nicht verzettelt.