Handelskonflikt zwischen den USA & China: Importverbote und Strafzölle sowie Strategien zu deren Vermeidung

12.03.2021

Mit großem Interesse haben viele Beobachter die ersten Tage der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden verfolgt. Erhofft hatte man sich wegweisende Fingerzeige insbesondere im Hinblick auf den zukünftigen Umgang der Vereinigten Staaten mit der Volksrepublik China und somit eine Beantwortung der Frage, ob eine Entspannung im aktuellen Handelskonflikt zu erwarten ist.

 

Während des US-Wahlkampfs hatte Donald Trump seinen Herausforderer noch als „Bejing Biden“ verspottet und ihm vorgeworfen, er sei im Umgang mit China zu nachgiebig. Trump selbst hatte mit den sog. „Section 301 Tariffs“ eine Vielzahl von Produkten aus China mit erhöhten Importabgaben belegt, die gemeinhin als „Strafzölle“ bezeichnet werden. Letztere wurden stufenweise eingeführt und regeln auf den Listen 1 bis 4B Zusatzzölle, die zwischen 7,5% und 25% des Warenwerts betragen.

 

Ob und inwieweit ihre Produkte mit Ursprung China von diesen Strafzöllen betroffen sind, können Unternehmen/Importeure auf der Website des Büros des Handelsvertreters der Vereinigten Staaten unter Angabe der Zolltarifnummer überprüfen.

Keine Entspannung im Handelskonflikt – Ausweitung der Strafzölle?

Wer sich durch die neue US-Regierung und ihren Präsidenten eine Entspannung in diesem Handelskonflikt versprochen hatte, wird sich nach aktuellem Stand damit abfinden müssen, dass sich diese Hoffnungen zumindest zeitnah nicht erfüllen werden. Denn im Anschluss an sein erstes Telefonat mit Präsident Xi Jinping hat Joe Biden vor allem die Unterschiede zwischen China und den USA betont. Diese führen dazu, dass in seinem Umfeld die bisherigen Strafzölle nur als Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen gesehen werden. Konkret geht es bei den benannten Unterschieden um den Technologiefortschritt Chinas im Bereich Infrastruktur und Mobilität einerseits („we don’t get moving, they’re going to eat our lunch“) und erhebliche Defizite in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte andererseits.

 

Zwar ist bisher nicht geplant, die bisherigen Strafzölle auszudehnen, die von China geforderte Abschaffung ist aber zuletzt in weitere Ferne gerückt. Denn designierte Handelsbeauftragte im Kabinett Bidens ist Katherine Tai, sie spricht nicht nur fließend Mandarin, sondern besitzt auch einschlägige Verhandlungserfahrungen mit China. Jüngst ließ sie verlauten, man wolle alle verfügbaren Mittel nutzen („all available tools“), um China dazu zu bewegen, Verletzungen amerikanischer geschützter Rechte (Intellectual Properties) zu unterlassen und Zugangsbeschränkungen zum chinesischen Markt abzubauen.

 

Aus Sicht der US-Regierung haben Zölle zudem den Charme dass die Bevölkerung die im Produktpreis „eingebaute“ Abgabenerhöhung kaum wahrnimmt, so zumindest die Erfahrungen der Trump-Administration. Zölle stellen bei der Frage nach der Finanzierung des Haushalts somit eine wiederentdeckte Alternative zu klassischen Steuererhöhungen dar.

WRO – Importverbote als zusätzliches Instrument

Ein Instrument, das im Verhältnis zu China neben den Strafzöllen zukünftig vermehrt eingesetzt werden wird, ist die sog. „Withholding Release Order“ (WRO). Hierbei handelt es sich um Einfuhrverbote für Waren und Erzeugnisse, die unter Einsatz von menschenrechtsverletzenden Maßnahmen wie beispielsweise Zwangsarbeit hergestellt wurden. Zuletzt hat die US-Regierung Ende Januar entsprechende WRO für Tomaten und Baumwolle verhängt, die aus der chinesischen Provinz Xinjiang stammen. Hintergrund sind die Menschenrechtsverletzungen und die fortschreitende Auslöschung des kulturellen Gedächtnisses der Uiguren in dieser Region durch die chinesische Regierung.

 

Eine Übersicht der aktuellen WRO ist auf der Webseite der U.S. Customs and Border Protection  hinterlegt. Auch Waren, die unter Einsatz der fraglichen Produkte entstanden sind, fallen unter das jeweilige Importverbot. So ist beispielsweise das in Deutschland produzierte T-Shirt, das unter Einsatz von Baumwolle aus Xinjiang gefertigt wurde, betroffen. Unternehmen müssen daher den Herkunftsnachweisen ihrer Waren erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Die Herkunft sämtlicher Eingangsbestandteile eines Produkts zu ermitteln, kann dabei eine komplexe Aufgabe sein. Dieser sollten sich Importeure besser stellen, bevor ihrem Schiff im US-Zielhafen die Einreise verweigert oder die geladene Ware beschlagnahmt wird.

Bestimmung der Zollwerte – Kosten mit Chinabezug als marktfremder Einfluss

Wer sich in der Vergangenheit bereits mit der Ermittlung von Zollwerten für die US-Zollverwaltung befasst hat, weiß, dass arm’s length nicht gleich arm’s length ist. Zwar ist sowohl für Zwecke der Federal and State Corporate Income Taxes als auch für Zwecke der Zollwertbestimmung der Fremdüblichkeitsmaßstab anzusetzen. Zollwert und Transfer Pricing können gleichwohl teils erheblich auseinanderfallen.

 

Hinzu kommt nun, dass jüngst ein US Court of International Trade in einer am 1. März 2021 veröffentlichten Entscheidung die in die Zollwertbestimmung eingehenden Kostenbestandteile in Zweifel zieht, soweit diese auf Wertschöpfungsbeiträge aus sog. Nicht-Marktstaaten („non-market economies“) entfallen. Kosten, die auf Tätigkeiten in Nicht-Marktstaaten zurückzuführen sind, können demnach als schädlicher marktfremder Einfluss („non-market influence“) gewertet werden, der dazu führen kann, dass die Zollwertberechnung nicht anerkannt wird. Als Nicht-Marktstaaten werten die USA aktuell die Republiken Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Kirgisistan, Tadschikistan, Moldawien und Usbekistan sowie Georgien, Turkmenistan, die Sozialistische Republik Vietnam und eben die Volksrepublik China. Unternehmen sollten die Entwicklungen in diesem Bereich im Blick behalten. Falls dieses Thema an Fahrt gewinnt, wird es für Waren mit (Teil-)Ursprung aus China (oder anderen Nicht-Marktstaaten) wohl zu einer deutlichen Erhöhung der Zollwerte kommen.

Zölle und Zollwertbestimmung als blinder Fleck in Unternehmen

Die Zollprozesse und -verantwortlichkeiten sind in vielen Unternehmen nicht in die Steuerabteilung eingegliedert, obwohl systematisch zumindest eine inhaltliche Nähe zu Fragen der Verrechnungspreisfindung besteht. Stattdessen fallen diese häufig in den Verantwortungsbereich anderer Ressorts, beispielsweise in den Bereich Logistik oder Vertrieb. So ist in der Steuerabteilung oftmals gar nicht bekannt, ob und inwieweit das Unternehmen von den US-Strafzöllen betroffen ist. In den mit Zollangelegenheiten befassten Abteilungen fehlt gleichzeitig oft der kritische Blick auf die gestiegenen Kosten oder das Bewusstsein, rechtliche Regeln zu hinterfragen und/oder entsprechende Strukturierungsmaßnahmen zu ergreifen. Mit Blick auf Importe in die USA sollten Unternehmen, deren Wertschöpfungskette (eigene oder fremde) Aktivitäten in China umfasst, ihre Prozesse im Hinblick auf hier verborgene wirtschaftliche Potenziale hinterfragen. Die Vermeidung der Strafzölle bedeutet in der Regel eine hohe Kostenersparnis, die – wie nachstehend gezeigt – auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann.

Klageverfahren – Möglichkeit zu Vermeidung der Strafzölle für Vergangenheit und Zukunft

Unternehmen, die bisher bereits von den Strafzöllen betroffen waren, sollten zunächst prüfen, auf welcher der oben angeführten Listen ihre Produkte gelistet sind. Soweit sie auf den Listen 3 oder 4A geführt sind, sollten Unternehmen in Erwägung ziehen, sich einem der Verfahren gegen die entsprechenden Vorschriften anzuschließen. Vereinfacht gesagt, stützt sich die Argumentation in diesen Klagen darauf, dass die Trump- Administration bei der Einführung der Strafzölle ihre Befugnisse weit überschritten hat. Die Kosten für eine Beteiligung an diesen Verfahren halten sich im Misserfolgsfall im mittleren vierstelligen Euro-Bereich. Im Erfolgsfall winkt hingegen eine prozentuale Beteiligung der US-Anwälte an der Zollersparnis.

Vermeidung der Strafzölle für zukünftige Warenlieferungen – Classification

Ein oftmals unterschätztes Instrument bei der Optimierung der Zollbelastung ist der Prozess der „Classification“. Im Rahmen der Classification ordnet der Steuerpflichtige das von ihm importierte Produkt einer vorgegebenen Klasse von Produkten zu, die letztlich den Zolltarif bestimmt. Im US-Kontext bedeutet die Frage nach dem Tarif natürlich auch die Frage danach, ob Zuschlags-/Strafzölle Anwendung finden oder nicht. Dabei kann es einen erheblichen Unterschied machen, ob zum Beispiel ein buntes Stück Stoff, das für den Bau eines Zelts in Kinderbetten gedacht ist, als farbige Decke oder als Spielware klassifiziert wird. Von den Strafzöllen betroffene Unternehmen sollten im ersten Schritt also überlegen, ob nicht bereits durch die Reklassifizierung von Produkten eine Kostenerleichterung zu erreichen ist.

Reduzierung der (Straf-)Zollbelastung durch die First Sale Struktur

Schafft die Classification keine Abhilfe, sollten Unternehmen hinterfragen, ob nicht durch kleine Veränderungen der Liefer- und/oder Abrechnungskette eine Nutzung der First Sale Struktur  zu reduzierten US-Importzöllen führen kann. Dies gilt nicht nur für Strafzölle, sondern auch hinsichtlich des regulären Zolltarifs.

 

In der folgenden Konstellation erlaubt die First Sale Struktur, dass nicht der Kaufpreis für den letzten Verkauf, sondern der für den ersten Verkauf als Zollwert verwendet wird: „(1) Produzent verkauft an Auftraggeber, den sog. „Middleman“, (2) Middleman verkauft an die Vertriebsgesellschaft in den USA“. Diese Konstellation findet sich häufig bei Auftragsfertigungsverhältnissen.  Beispiel: Der chinesische Auftragsfertiger verkauft an den Konzernentrepreneur zum Wert von 80, während dieser die Waren zum Wert von 100 an US-Vertriebsgesellschaften weiterveräußert, die als Limited Risk Distributor ausgestaltet sind. Hier würde die First Sale Methode dazu führen, dass der Zolltarif (oder auch der Strafzolltarif) nicht auf den Wert von 100, sondern auf den Wert von 80 angewendet würde.

 

Die Anwendung der First Sale Rule basiert auf über 30-jähriger Rechtsprechung und kann durch ein verbindliches Ruling der Zollbehörden abgesichert werden. Die hier nicht näher beschriebenen inhaltlichen Voraussetzungen sind vergleichsweise einfach zu erfüllen. Selbst für Konzernstrukturen, in denen keine derartige Konstellation besteht, kann in der Regel mit überschaubarem Aufwand ein konzerninterner Middelman geschaffen werden, sodass die Anwendung der First Sale Regel gelingt.

Zusammenfassender Ausblick

Eine Entspannung des Handelskonflikts zwischen den USA und China ist nach aktueller Lage nicht zu erwarten. Die Biden-Administration sieht die von Donald Trump eingeführten Strafzölle als bloßen Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen zur Steuerung bzw. Bestrafung des wahrgenommenen Verhaltens Chinas. Zu den Strafzöllen werden sich künftig vermehrt Importverbote in Form von WROs gesellen; Steuerpflichtige werden hier Compliance-Herausforderungen in Form von detaillierten Herkunftsnachweisen bewältigen müssen. Um die Auswirkungen der Strafzölle abzuwenden oder zu mildern oder aber die reguläre Zollbelastung zu optimieren, stehen dem Steuerpflichtigen neben dem Rechtsweg vor allem die Instrumente der Classification sowie der First Sale Struktur zur Verfügung.