Geschäftsführer als ständiger Vertreter ausländischer Kapitalgesellschaften? – der BFH sagt ja

21.05.2019

Bislang galt es als unstrittig, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft durch sein Handeln nicht zugleich deren ständiger Vertreter sein kann. Infolgedessen konnten im Ausland ansässige Gesellschaften hierüber nicht in Deutschland beschränkt steuerpflichtig werden. Recht überraschend hat der Bundesfinanzhof dieser Sichtweise nunmehr eine Absage erteilt (Entscheidung v. 23.10.2018, I R 54/16).

Der Fall: Unternehmer zugleich ständiger Vertreter dieses Unternehmens?

Geklagt hatte eine in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft. Deren Geschäfte wurden durch ihren Alleingeschäftsführer und Gesellschafter geführt. Die Gesellschaft verfügte über eine Büroanschrift an ihrem Sitz. Sowohl dort als auch in Deutschland unterhielt der Geschäftsführer jeweils eine Wohnung. Vom Finanzamt wurde dies zum Anlass genommen, eine beschränkte Steuerpflicht der Gesellschaft in Deutschland zu bejahen. Nach dessen Einschätzung war der Geschäftsführer regelmäßig für diese von seiner Wohnung in Deutschland aus tätig geworden. Der Geschäftsführer sei auch als ihr ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen, woran sich zwingend eine beschränkte Steuerpflicht dieser Gesellschaft in Deutschland anschließen würde (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. a) EStG). Während das Finanzgericht diese Sichtweise nicht teilte, bestätigte der BFH diese in der Revision.

Bislang: Organtheorie als Gegenargument

Bislang wurde bei der Frage, ob der Unternehmer zugleich ständiger Vertreter dieses (seines) Unternehmens sein könne, die sog. Organtheorie als Gegenargument angeführt. Hiernach fordert der Begriff des ständigen Vertreters eine Personenverschiedenheit zwischen dem vertretenen Unternehmen bzw. dem Unternehmer auf der einen Seite und dem Vertreter auf der anderen Seite. Tätig werden darf also nicht der Unternehmer selbst, sondern der an seiner Stelle nach außen auftretende Vertreter. Übertragen auf Handlungen der Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften hat die Organtheorie zur Folge, dass sich die Tätigkeiten als Geschäftsführer und die als ständiger Vertreter gerade ausschließen. Denn der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, die ein Unternehmen betreibt, handelt aufgrund seiner Stellung als Organ nicht für die Gesellschaft, sondern seine Tätigkeiten sind rechtlich als Handlungen der Gesellschaft bzw. die des Unternehmens selbst zu werten. Es fehlt folglich an der Personenverschiedenheit zwischen dem Unternehmen einerseits sowie dem Vertreter andererseits. Infolgedessen kann der als Unternehmer handelnde Geschäftsführer nicht zugleich dessen Vertreter sein. In der Vergangenheit wurde diese Auffassung durch zahlreiche Finanzgerichte sowie in weiten Teilen der Literatur bestätigt.

Auffassung des BFH

Der BFH wies eine Übertragbarkeit der ursprünglich im Zusammenhang mit Einzelunternehmen entwickelten Organtheorie auf Handlungen von Organen juristischer Personen indessen zurück. Denn nach seiner Einschätzung stützt sich die Theorie allein auf die zivilrechtliche Qualifikation von Organhandlungen, die der Gesellschaft wie Eigenhandlungen zugerechnet werden. Nach Auffassung des BFH hindert diese jedoch nicht die Anwendung der Vertretervorschrift in § 13 AO, weil bspw. in den §§ 34 und 79 AO Organhandeln ebenfalls als Verteterhandeln eingestuft wird. Wenig überzeugend wird durch den BFH gegen die Organtheorie zudem angeführt, dass ausländische Unternehmen die wesentlichen Adressaten von § 13 AO wären und die Organtheorie in den betreffenden Rechtsordnungen weitgehend unbekannt sei.

Praktische Folgen

Auf der Grundlage der deutschen DBA können Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften eine sog. Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA begründen. Folgt man also der Auffassung des BFH, ergäben sich auch abkommensrechtlich zunächst keine Beschränkungen eines so konstruierten, deutschen Besteuerungsrechts ausländischer Kapitalgesellschaften. Im Einzelfall entscheidend dürfte dann jedoch sein, ob die Tätigkeiten der Geschäftsführer im Inland „nachhaltig“ und im Rahmen einer „gewöhnlichen Vollmachtsausübung“ erfolgen. Denn nur unter diesen weitergehenden Voraussetzungen können abschließend ein ständiger Vertreter nach § 13 AO bzw. eine Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA angenommen werden. Hierbei handelt es sich allerdings allein um Tatsachen des konkreten Einzelfalls, wobei der Dauer, Regelmäßigkeit und Häufigkeit der in Rede stehenden Tätigkeiten in der Gesamtschau die entscheidende Bedeutung zukommen wird.

 

Den BFH hat genau dies dazu veranlasst, die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Deshalb sollten Geschäftsführer ausländischer Unternehmen, die in Deutschland tätig werden, unbedingt Sorge für eine aussagekräftige und belastbare Dokumentation über Art und Umfang der durch sie ausgeübten Tätigkeiten tragen und diese durch geeignete Nachweise (bspw. Reisedokumente, Besprechungsunterlagen) unterlegen.