Geplante Änderungen der Abgabenordnung für gemeinnützige Körperschaften

17.09.2019

Schon seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, das Gemeinnützigkeitsrecht an manchen für die Praxis wichtigen Stellen zu reformieren. Dem Vernehmen nach sollen das Bundeskanzleramt und das Bundesfinanzministerium ein entsprechendes Reformvorhaben zunächst eingeleitet, im Sommer aber auf Eis gelegt haben. Die Länder haben die Bundesregierung bereits im Mai einstimmig aufgefordert, konkrete Reformvorschläge zu unterbreiten. Nunmehr haben sie über den Bundesrat erneut eine Initiative zu einigen Änderungen gestartet, einige davon grundlegend.

 

Der Bundesrat wird am 20. September 2019 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2019 u.a. vorschlagen, § 57 AO betreffend die Unmittelbarkeit der Zweckverfolgung sowie § 58 Nrn. 1 und 2 AO betreffend die Mittelweitergabe an andere Einrichtungen zu ändern:

"Unmittelbarkeit": Absicherung gemeinnütziger Arbeitsteilung

Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 soll im Gesetz festgeschrieben werden, dass eine Körperschaft auch dann „unmittelbar gemeinnützig“ tätig ist, wenn sie planmäßig mit mindestens einer anderen gemeinnützigen Organisation zusammenwirkt (§ 57 Abs. 3 Satz 1 AO-Entwurf). Damit sollen Arbeitsteilung und Kooperationen, die bei einer Zusammenschau aller Aktivitäten auf die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke gerichtet sind, abgesichert werden. Nach der Begründung würden beispielsweise reine Servicegesellschaften, etwa eine Krankenhauswäscherei GmbH, künftig insoweit „unmittelbar gemeinnützig“ agieren, als sie ihre Serviceleistungen anderen gemeinnützigen Organisationen als Vorleistung für deren gemeinnützige Tätigkeiten erbringen. Diese gesetzliche Neuregelung könnte zu einer neuen Beurteilung hinsichtlich des Erwerbs von Anteilen an Servicegesellschaften oder hinsichtlich der Überlassung von Immobilien an solche Gesellschaften führen.

Zweckbetriebseigenschaft bei Kooperationen

Die Neuregelung wird flankiert durch den Zusatz, dass sich die Zweckbetriebseigenschaft der Tätigkeiten einer Körperschaft auch ergeben kann, wenn diese Tätigkeiten und die Tätigkeiten einer anderen gemeinnützigen Körperschaft in der Zusammenschau die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs erfüllen (§ 57 Abs. 3 Satz 2 AO-Entwurf). In dem obigen Beispiel würde die Krankenhauswäscherei GmbH mit entgeltlichen Leistungen an einen gemeinnützigen Krankenhausträger einen Zweckbetrieb nach § 67 AO begründen. Hingegen sollen Serviceleistungen an nichtgemeinnützige Dritte wie bislang einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen.

Paradigmenwechsel bei Mittelverwendung, relevant u.a. für gemeinnützige Konzerne

Zudem sieht die Anregung mit Wirkung zum 1. Januar 2020 einen Paradigmenwechsel für gemeinnützige Konzerne vor: Demnach soll eine Körperschaft auch dann gemeinnützig sein, wenn sie sich darauf beschränkt, Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften zu halten (§ 57 Abs. 4 AO-Entwurf). Damit würden reine Holdingkörperschaften an der Spitze eines gemeinnützigen Konzerns künftig ungeachtet eigener operativer gemeinnütziger Aktivitäten gemeinnützig sein. Dies hätte praktische Auswirkungen für die Finanzierung des Erwerbs von Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften, insbesondere an gGmbHs. Nach der Begründung beurteilen sich die Serviceleistungen innerhalb des Konzerns nach den bestehenden Regelungen.

 

Die Ausschüsse regen weiter an, § 58 Nr. 2 AO zu streichen. Damit würden die in dieser Vorschrift enthaltenen Restriktionen (Mittelweitergabe nur an in Deutschland gemeinnützige Organisationen und betragsmäßig nur „teilweise“) wegfallen. Demnach würden sich Mittelweitergaben künftig allein nach § 58 Nr. 1 AO beurteilen.

 

In der Satzung soll die Mittelweitergabe aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht nur dann explizit aufgeführt werden, wenn dies die einzige Aktivität der Körperschaft ist – und zwar als Art der Zweckverwirklichung und nicht mehr als Satzungszweck i.e.S. Dessen ungeachtet sollte die Mittelweitergabe auch künftig aus zivilrechtlichen Gründen in der Satzung aufgeführt werden.

 

In diesem Kontext sollen gemeinnützige Geberkörperschaften – im Ergebnis wie Spender – hinsichtlich des „Steuerstatus“ der Empfängerkörperschaft in den Genuss von Vertrauensschutz kommen, wenn sie sich vor der Mittelzuwendung einen auf die Empfängerkörperschaft lautenden Freistellungsbescheid o.ä. hat vorlegen lassen.

 

Diese Änderungen sollen bereits auf alle noch offenen, d.h. noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle gelten.

Höhere Bagatellgrenze, Förderung des Freifunks

Neben diesen grundlegenden Änderungen regen die Ausschüsse des Bundesrats folgende weitere Änderungen an:

 

Die Bagatellgrenze, bei deren Überschreitung eine gemeinnützige Organisation ihr Ergebnis (Gewinn/Verlust) in der ertragsteuerpflichtigen Sphäre ermitteln muss (§ 64 Abs. 3 AO), soll mit Wirkung zum 1. Januar 2020 von derzeit EUR 35.000 auf EUR 45.000 angehoben werden.

 

Die Förderung des Freifunks soll als neuer gemeinnütziger Zweck im Gesetz implementiert werden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 26 AO-Entwurf).

 

Zudem verweist der Bundesrat auf seine Vorschläge aus dem Mai. Ob und, wenn ja, mit welchen Modifikationen der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages die Initiative des Bundesrates aufgreifen wird, bleibt abzuwarten. Bereits heute sollten alle gemeinnützigen Organisationen und Konzerne die nun aktuell angestoßenen Reformideen der Ausschüsse im Auge behalten und ggfs. schon jetzt auf ihre praktischen Auswirkungen prüfen. Geprüft werden könnten insbesondere die Gestaltung von Leistungsbeziehungen sowie die Finanzierung von Investitionen von Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften.