Finanzierung wie unter fremden Dritten?

29.01.2020

Neues zum Fremdvergleichsgrundsatz: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine „neue Rechtsprechung“ zur Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA im Zusammenhang mit der Berichtigung von Teilwertabschreibung auf Gesellschafterdarlehen auf der Grundlage von § 1 AStG grundlegend bestätigt und konkretisiert (Az. I R 32/17, I R 5/17 und I R 54/17).

Worum ging es?

In der Sache I R 32/17 hatte die deutsche Klägerin ihr nachgeordneten Gesellschaften mit Sitz in Frankreich bzw. den USA Darlehen gewährt. Die Darlehen waren überwiegend festverzinst; in einem Fall war die Verzinsung an den Bilanzgewinn geknüpft. Sicherheiten waren nicht vereinbart. Wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung schrieb die Klägerin diese Darlehensforderungen gewinnmindernd ab. Das Finanzamt rechnete die hieraus resultierenden Aufwendungen auf der Grundlage von § 1 AStG außerbilanziell wieder hinzu, weil es die Darlehenskondition als nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz ansah.

 

In der Sache I R 5/17 war die Klägerin zu 50% an einer schweizerischen A S.A. beteiligt. Die übrigen Anteile hielt die ebenfalls in der Schweiz ansässige B S.A. Nachdem das Eigenkapital der A S.A. aufgebraucht war, gewährten die Klägerin – ebenso wie die B S.A. – der A S.A. ein auf CHF lautendes Darlehen über zwei Jahre. Die Beteiligten vereinbarten, sich hinsichtlich der Verzinsung– innerhalb eines auf 6,5% begrenzten Korridors – an den von der Eidgenössischen Steuerverwaltung jährlich publizierten Zinssätzen zu orientieren. Sicherheiten vereinbarten sie keine.

 

Nachdem die A S.A. bilanziell überschuldet war, veräußerte die Klägerin ihre Beteiligung an der B S.A. Sie verzichtete zugleich auf die Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen. Die hieraus resultierende Wertberichtigung rechnete das Finanzamt nach § 1 AStG dem Einkommen der Klägerin hinzu.

 

Die Klägerin in der Sache I R 54/17 hatte ihrer britischen Tochtergesellschaft (M Ltd.) einen Kontokorrentkredit gewährt, der zu 6,5% verzinst war. Eine Sicherheit wurde nicht vereinbart. Später buchte die Klägerin diese Forderung gegenüber der M Ltd. erfolgswirksam aus. Das Finanzamt neutralisierte den daraus resultierenden Aufwand durch eine Hinzurechnung nach § 1 AStG.

 

In allen drei Fällen hatte die Klage vor dem jeweiligen Finanzgericht Erfolg. Die Gerichte stützten sich seinerzeit auf die durch den BFH entwickelte Sperrwirkungsrechtsprechung.

Entscheidungen des BFH – Fehlende Bescherung nicht in Einklang mit Fremdvergleichsgrundsatz

Im Einklang mit seiner erst zu Beginn 2019 geänderten Rechtsprechung entschied der BFH einheitlich, dass die Gewinnminderungen aus der Teilwertabschreibung bzw. Ausbuchung der Darlehen nach § 1 AStG hinzuzurechnen bzw. zu neutralisieren waren. Dies macht der BFH insbesondere an der jeweils fehlenden Besicherung der Darlehensforderungen fest. Diese ist aus Sicht des BFH mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen. Damit bestätigt der BFH – entgegen der bislang ganz herrschenden Meinung –, dass § 1 AStG in diesen Fällen einschlägig ist.

 

Außerdem bekräftigt der BFH, dass die Art. 9 OECD-MA nachgebildeten DBA-Normen nicht auf reine Preiskorrekturen (hier: Zinssatzes) beschränkt sind und demnach keine Sperrwirkung gegenüber der in § 1 AStG geregelten Korrekturvorschrift entfaltet. Auch das Unionsrecht – und konkret die in der Rs. Hornbach-Baumarkt (v. 31.5.2018, Rs. C-382/16) entwickelten Grundsätze – stehen für den BFH der Anwendung von Art. 1 AStG nicht entgegen.

 

Während er die Sache I R 32/17 zu weiteren Sachverhaltsaufklärung an das zuständige Finanzgericht Köln zurückverwies, hob der BFH in den beiden übrigen Verfahren die erstinstanzlichen Entscheidungen auf und entschied zugunsten der Finanzverwaltung.

Besicherung von Kontokorrentkrediten

Die Aussagen des BFH im Hinblick auf Kontokorrentkredite überraschen durchaus. Denn danach hätte ein unverbundener Darlehensgeber und damit fremder Dritter ein Kontokorrentdarlehen nicht ohne eine werthaltige Sicherheit gewährt. Dies gelte vor allem, weil die Darlehensnehmerin ein neu gegründetes Unternehmen sei, dessen wirtschaftlicher Erfolg nicht absehbar gewesen sei. So pauschal dürfte dies aber kaum zutreffen. Denn auch wenn gemeinhin Kontokorrentkredite im unternehmerischen Bereich durchaus besichert sein können, ist dies – auch zwischen fremden Dritten – keinesfalls die Regel oder gar zwingende Voraussetzung. Mit Blick auf den Fremdvergleichsgrundsatz erscheinen die Aussagen des BFH deshalb realitätsfremd.

Risikokompensation durch Zuschlag im Zins

Positiv überrascht demgegenüber die Tatsache, dass der BFH nun zu akzeptieren scheint, dass ein höherer Zinssatz ein höheres Risiko kompensieren kann. Wenngleich der BFH dies im konkreten Fall als nicht gegeben ansieht, ist dennoch erfreulich, dass er diese betriebswirtschaftlich von jeher anerkannte Wechselwirkung zwischen risk und return nun grundsätzlich bejaht.

 

Gleichwohl bleibt die Frage unbeantwortet, wie sich dies mit der grundsätzlichen Aussage verträgt, dass der Fremdvergleichsgrundsatz in jedem Fall die Gestellung von Sicherheiten durch den Darlehensnehmer verlangt. So zeigt etwa der Blick auf den Subprime-Kreditmarkt, dass auch fremde Dritten unbesicherte Darlehen ausreichen (was dann durch eine Risikoprämie und demnach einen entsprechend hohen Zins kompensiert wird). Insoweit bleibt auf weitere Klarstellungen zu hoffen. Mit Blick auf den Fremdvergleichsgrundsatz dürfte es aber so sein, dass eine unzureichende Besicherung allein Anlass für eine Korrektur des Zinses sein kann.

Keine Einschränkung durch Unionsrecht

Offenkundig sah der BFH seine bisherigen Ausführungen zur Vereinbarkeit einer Korrektur nach § 1 AStG mit unionsrechtlichen Vorgaben als unzureichend oder jedenfalls missverständlich an. Daher nehmen nun im Fall I R 32/17 die Begründungen dazu einigen Raum ein.

 

Nach Auffassung des BFH ist die (auch gegen Drittstaaten relevante) Kapitalverkehrsfreiheit nicht relevant. Denn sie wird durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt und ist jedenfalls wegen der sog. Stand-still-Klausel im Kontext von § 1 AStG nicht anwendbar. Nimmt man die in § 1 Abs. 2 AStG geforderte Mindestbeteiligung in den Blick, dürfte diese Schlussfolgerung zutreffen. Zwingend ist dies aber keineswegs.

 

Sodann gelangt der BFH zu der Einschätzung, die Niederlassungsfreiheit werde zwar durch § 1 AStG grundsätzlich beschränkt. Dies sei aber gerechtfertigt, um die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu rechtfertigen. Geht es um den Verzicht auf eine Darlehensforderung, lässt sich dem durchaus folgen. Schließlich verwirklicht der Darlehensgeber dann einen Aufwand, während der Darlehensnehmer durch die Ausbuchung seiner Verbindlichkeit einen korrespondierenden Ertrag realisiert.

 

Wird auf die Forderungen jedoch nicht verzichtet, sondern eine Teilwertabschreibung vorgenommen, dürfte dieser Rechtfertigungsgrund nicht tragen. Denn auf Ebene des Darlehensnehmers entsteht dann gerade kein Ertrag. In der Folge – ebenso wie im reinen Inlandsfall – kann dann auch eine Verlagerung von Gewinnen zwischen Darlehensgeber und -nehmer nicht angenommen werden. Der BFH hat diese Differenzierung indessen nicht in den Blick genommen.

 

Schließlich führt nach Einschätzung des BFH auch die EuGH-Entscheidung in der Rs. Hornbach-Baumarkt (C-382/16) zu keinem anderen Ergebnis. Denn wenn die Ausreichung von Fremdkapital – so der BFH – eine unzureichende Eigenkapitalausstattung kompensiert und der Darlehensnehmer nur wegen der Finanzierung seine wirtschaftlichen Funktionen erfüllen kann, sei eine unterschiedliche Behandlung von Einlagen (sprich Zuführung von Eigenkapital) und Darlehen ausgeschlossen.

 

Es bleibt also bei dem durch den BFH entwickelten Rechtfertigungsgrund, anhand dessen er dem Fremdvergleichsgrundsatz Vorrang auch vor wirtschaftlichen Gründen auf Seiten des Darlehensgebers (die mitunter ausschlaggebend für die Vereinbarung möglicherweise fremdunüblicher Vereinbarungen waren) einräumt.

 

Überzeugen kann dies mitnichten. Schließlich folgt aus der EuGH-Rechtsprechung nicht der Rechtfertigungsgrund einer steuerlichen Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapitel. Vor dem Hintergrund der diametral unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Zins- und Dividendenerträgen dürfte vielmehr das Gegenteil zutreffend sein. Richtigerweise müsste dies dann auch auf die steuerliche Geltendmachung von Substanzverlusten durchschlagen.