Feste Niederlassung durch Tochtergesellschaft für Muttergesellschaft nur in Ausnahmefällen

20.12.2019 | FGS Blog

Kann die lokale Tochtergesellschaft einer ausländischen Muttergesellschaft für diese eine feste Niederlassung begründen? Diese Frage ist häufig ein Streitpunkt mit osteuropäischen Finanzbehörden. Und beschäftigt derzeit den Europäischen Gerichtshof (C-547/18.). Die Generalanwältin vertrat in ihren Schlussanträgen jetzt die Ansicht: Eine Tochtergesellschaft einer Gesellschaft (aus einem Drittstaat) ist grundsätzlich nicht deren feste Niederlassung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie. Ein anderes Ergebnis sei allenfalls denkbar, wenn die vom Dienstleistungsempfänger gewählte Vertragsstruktur gegen das Verbot missbräuchlicher Praktiken verstoßen würde.

Der Fall

Die koreanische LG Display Co. Ltd. (LG Korea) hat mit der polnischen Dong Yang Electronics sp. z o. o. (Dong Yang) einen Vertrag über die Erbringung von Montagedienstleistungen abgeschlossen hat.  Diese Dienstleistungen wurden unter Einbindung polnischer Tochterunternehmen (LG Polen) der LG Korea erbracht.

Während Dong Yang gegenüber LG Korea ohne Mehrwertsteuerausweis abrechnete, setzte die polnische Finanzverwaltung Mehrwertsteuer fest. In Streit steht, ob die Dienstleistungen gegenüber LG Korea in Korea erbracht wurden (dann keine polnische Mehrwertsteuer) oder aufgrund der Einbindung der polnischen Tochterunternehmen eine feste Niederlassung der LG Korea in Polen begründet wurde (dann polnische Mehrwertsteuer).

Rechtliche Würdigung durch die Generalanwältin

Nach Ansicht der Generalanwältin ist die Tochtergesellschaft einer ausländischen Gesellschaft grundsätzlich nicht als deren feste Niederlassung im Sinne von Art. 44 Satz 2 MwStSystRL anzusehen. Allein durch die gesellschaftsrechtliche Verbindung mit einem anderen Steuerpflichtigen solle nicht bereits eine feste Niederlassung der Muttergesellschaft begründet werden können.

Die Generalanwältin hat grundsätzliche Bedenken, die Sach- und Personalmittel einer Tochtergesellschaft zugleich als feste Niederlassung der Muttergesellschaft anzusehen. Ein anderes Ergebnis sei allenfalls denkbar, wenn die vom Dienstleistungsempfänger gewählte Vertragsstruktur gegen das Verbot missbräuchlicher Praktiken verstoßen würde. Eine missbräuchliche Praktik von LG Korea aufgrund der Direktbeauftragung von Dong Yang (statt z.B. einer Beauftragung durch LG Polen) könne nach Ansicht der Generalanwältin jedoch verneint werden.

Hätte vorliegend ein Fall einer missbräuchlichen Praxis vorgelegen, dann würde sich die Frage stellen, inwieweit der Dienstleistungserbringer zu überprüfen hat, ob eine missbräuchliche Praxis seines Vertragspartners vorliegt. Die MwStSystRL verlange von einem Steuerpflichtigen ein angemessenes Maß an Sorgfalt zur Bestimmung des zutreffenden Leistungsortes. Darunter würden jedoch nicht die Recherche und Prüfung der ihm nicht zugänglichen vertraglichen Verhältnisse zwischen seinem Vertragspartner und dessen Tochtergesellschaften fallen.

Praxishinweis

Die Argumentation der Generalanwältin kann vollumfänglich überzeugen. Weder aus Art. 11 Abs. 1 der MwSt-DVO noch aus Art. 44 der MwStSystRL gehen Kriterien hervor, die darauf schließen lassen, dass ein gesellschaftsrechtlicher Bezug zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften eine feste Niederlassung begründen könne. Die Tatsache, dass die Generalanwältin komplexe Produktionsprozesse wie im vorliegenden Fall nicht als missbräuchliche Praktik ansieht, stärkt Unternehmen darin, arbeitsteilige Produktionsprozesse weiterhin zu implementieren.

Kommt der EuGH in dieser Frage zu einer anderen Beurteilung, könnte dies insbesondere für Unternehmen mit komplexen, länderübergreifenden Produktionsabläufen unter Einschaltung von Zulieferern und Tochtergesellschaften zu zusätzlichem bürokratischem Aufwand und steuerlichen Folgen führen.