Europäische Lieferkettenrichtlinie beschlossen – Weitere Verschärfungen für Lieferkettencompliance

26.04.2024 | FGS Blog

Seit Beginn des Jahres gilt das (deutsche) Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz LkSG) für Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern im Inland. Betroffene Gesellschaften sind verpflichtet, bestimmte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu befolgen. Das Echo darauf ist gemischt: Während einige Unternehmen, die sich bereits jetzt für soziale und umweltbezogene Belange engagieren, das Gesetz aus Gründen der Chancengleichheit gutheißen, kritisieren viele Unternehmer die bürokratischen Herausforderungen, die mit dem Gesetz einhergehen.

EU-Lieferkettenrichtlinie

Diese Herausforderungen werden in Zukunft weiter zunehmen. Am Mittwoch, dem 24. April 2024, fand im Europäischen Parlament die Endabstimmung über die sog. Corporate Sustainability Due Diligence Directive (kurz CSDDD) statt. Wie erwartet wurde die Richtlinie nun beschlossen. Damit endet ein beschwerlicher Weg von der vorläufigen Einigung Ende vergangenen Jahres bis hin zur finalen Fassung der Richtlinie. Nicht zuletzt aufgrund des Widerstands der Bundesregierung wurde das Vorhaben in den vergangenen Wochen heftig diskutiert und noch mehrfach überarbeitet. Der Europäische Gesetzgeber verfolgt mit der Lieferkettenrichtlinie das Ziel, Umwelt und Menschenrechte in der EU und weltweit besser zu schützen. Dazu sind eine Reihe an Pflichten für betroffene Unternehmen vorgesehen, die zum Teil erheblich über das deutsche LkSG hinausgehen.

Betroffene Unternehmen 

Ursprünglich war beabsichtigt, dass Unternehmen ab 500 Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz von EUR 150 Mio. durch die EU-Lieferkettenrichtlinie verpflichtet werden. Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern sollten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen in den Anwendungsbereich fallen, wenn diese in Hochrisikosektoren tätig sind. Damit wären nach Schätzung von Experten ca. 10.000 Unternehmen mehr betroffen gewesen als bislang. Davon ist man mit der beschlossenen Fassung der Richtlinie weit abgerückt. Diese sieht vor, dass zunächst Unternehmen mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz von mehr als EUR 1,5 Mrd. verpflichtet sind. Allerdings wird diese Schwelle recht schnell schrittweise abgesenkt auf 1.000 Arbeitnehmer und einen Umsatz von EUR 450 Mio. über einen Zeitraum bis 2029. Die abgesenkten Schwellen für Betriebe in Hochrisikosektoren gibt es nicht mehr. Wegen des Gleichlaufs mit dem deutschen Lieferkettengesetz wird allerdings erwartet, dass der deutsche Gesetzgeber bei Umsetzung der Richtlinie direkt an die Schwelle von 1.000 Arbeitnehmern anknüpften wird und ohne weitere Zwischenstufen Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern verpflichten wird.

Wesentliche Aspekte der Lieferkettenrichtlinie

Die Richtlinie regelt Pflichten entlang der „Aktivitätskette“ und erfasst damit Geschäftspartner auf der Zuliefererseite (upstream) sowie Geschäftspartner im Bereich Transport, Vertrieb und Lagerung (downstream). Nicht erfasst sind die Bereiche des Verbrauchs und der Entsorgung. Als Geschäftspartner gelten dabei auch „indirekte Geschäftspartner“, die ihre Geschäftstätigkeit nur in Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens ausüben.

In erster Linie sind Unternehmen verpflichtet zu ermitteln, ob entlang dieser Kette Risiken für Umwelt und Menschenrechte bestehen. Abhängig von dem Ergebnis dieser Untersuchung müssen sie Präventions- oder Abhilfemaßnahmen ergreifen. Um Umgehungen zu vermeiden, muss allen Personen, die entlang der Kette von einer Verletzung von Rechten betroffen sein könnten, der Zugang zu einem Beschwerdeverfahren ermöglicht werden.

Die Lieferkettenrichtlinie nimmt dabei auch Bezug auf das Pariser Abkommen. Unternehmen müssen einen eigenständigen Plan aufstellen, wie durch das Geschäftsmodell die Einhaltung des 1,5°C-Ziels sichergestellt werden kann. Mindestens einmal im Jahr ist eine Wirksamkeitskontrolle über die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele durchzuführen. Kontrollen sind aber nicht nur durch die Unternehmen selbst vorzunehmen. Jeder Mitgliedstaat hat eine oder mehrere Aufsichtsbehörden zu bestimmen. Diese können Kontrollen vornehmen und Untersuchungen einleiten. Im Falle von Verstößen sind eine Reihe von gewichtigen Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen. So können Verstöße unter Nennung der Firma öffentlich gemacht werden (naming and shaming). Unternehmen droht hier ein enormer Reputationsverlust. Bußgelder können in einer Höhe von bis zu 5% des Nettojahresumsatzes verhängt werden – und damit in doppelter Höhe im Vergleich zum deutschen LkSG.

Darüber hinaus droht Unternehmen durch die Lieferkettenrichtlinie erstmals eine zivilrechtliche Haftung. Diese kann gegenüber natürlichen und juristischen Personen bestehen und bereits bei fahrlässigen Verstößen gegen Sorgfaltspflichten eingreifen. Die Verjährungsfrist für die Erhebung von Schadensersatzklagen beträgt mindestens fünf Jahre. Außerdem soll der Zugang zur Justiz für potenziell Geschädigte erleichtert werden.

Mittelbare Bindung von KMU

Eine unmittelbare Verpflichtung von KMU gibt es nach der Richtlinie zunächst nicht. Allerdings werden KMU in der Lieferkette eines größeren Unternehmens von diesem verpflichtet werden, die Vorgaben ebenfalls einzuhalten und dem Auftraggeber die von diesem benötigten Informationen zu liefern. Auch KMU werden sich daher künftig mit neuen Herausforderungen hinsichtlich der Lieferketten-Compliance konfrontiert sehen.

Fazit und Ausblick

Die Lieferkettenrichtlinie ist beschlossen. Der nationale Gesetzgeber hat nach Inkrafttreten der Richtlinie zwei Jahre Zeit diese umzusetzen. Bis zum Frühjahr 2026 werden sich Unternehmen also voraussichtlich mit den neuen Herausforderungen konfrontiert sehen. Dies bringt erhebliche bürokratische und finanzielle Belastungen mit sich. In Bezug auf die angeordnete zivilrechtliche Haftung besteht ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Hier sind insbesondere Fragen der Zurechnung von Pflichtverletzungen und Schäden noch nicht hinreichend geklärt. Zusammen mit den möglichen Sanktionen hat der Europäische Gesetzgeber ein scharfes Schwert zur Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele geschaffen. Unternehmen – auch KMU – ist daher dringend zu raten, sich frühzeitig auf die möglichen Entwicklungen einzustellen.