Entspannung bei nachträglichen Anschaffungskosten aus entfallenden Gesellschafterdarlehen

15.01.2020

Der Bundesfinanzhof hat in seinem am 14.11.2019 veröffentlichten Urteil IX R 13/18 vom 2.7.2019 gleich zweifach zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden. Es ging erstens um die Frage, ob der im Rahmen des § 17 EStG gewährte Vertrauensschutz im Zusammenhang mit nachträglichen Anschaffungskosten bei eigenkapitalersetzenden Darlehen rechtmäßig war. Hier bestätigt der BFH den bereits im richtungsweisenden Urteil IX R 36/15 vom 11.7.2017 gewährten Vertrauensschutz. Zweitens hatte der BFH zu klären, inwieweit dem Jahresabschluss eine Indizwirkung hinsichtlich der bilanzierten Rechtsverhältnisse zu entnehmen ist. Diese Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses hat der BFH bejaht.

 

Das Urteil ist jenseits der für Steuerpflichtige erfreulichen konkreten Ergebnisse auch mit Blick auf seine größeren Linien beachtenswert. In deutlicher Abgrenzung zur Vorinstanz verdeutlicht der BFH seine Auffassung zu Vertrauensschutz im Zusammenspiel mit nichtsteuerlichen Rechtsänderungen und zur Nachweispflicht in Darlehensbeziehungen mit Nahestehenden. Zeitlich fällt die Urteilsveröffentlichung mit dem Jahressteuergesetz 2019 zusammen, dessen neu eingeführter § 17 Abs. 2a EStG für die Zukunft – und auf Antrag des Steuerpflichtigen auch rückwirkend – die steuerliche Anerkennung ausfallender eigenkapitalersetzender Gesellschafterforderungen sicherstellt.

Hintergrund: Inkrafttreten des MoMiG und Vertrauensschutz

Am 1.11.2008 trat das sogenannte MoMiG in Kraft. Durch das MoMiG wurde das bis dahin für eigenkapitalersetzende Finanzierungen geltende Eigenkapitalersatzrecht durch andere Vorschriften ersetzt. Auf Grundlage des bis dahin geltenden Eigenkapitalersatzrechts hatte die ständige BFH-Rechtsprechung Verluste aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 Abs. 2 und 4 EStG klassifiziert. Mit Urteil IX R 36/15 entschied der neunte BFH-Senat dann, dass seit Inkrafttreten des MoMiG eigenkapitalersetzende Darlehen keine nachträglichen Anschaffungskosten mehr darstellen konnten. Durch die Änderungen des MoMiG fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Allerdings gewährte der BFH dem Steuerpflichtigen einen Vertrauensschutz bis zur Urteilsveröffentlichung am 27.9.2017.

Der Fall

In dem Sachverhalt des Urteils IX R 13/18 bestand eine Vereinbarung zwischen einem Alleingesellschafter und -geschäftsführer und seiner GmbH. Nach dieser sollten Auslagen und sonstige Einlagen des Gesellschafters auf einem Darlehenskonto der GmbH verbucht werden. Die Vereinbarung bestimmte zudem, dass durch den Gesellschafter gewährte Darlehen in der Krise stehen gelassen werden sollten.

 

Das FG Berlin-Brandenburg entschied mit Urteil vom 18.4.2018 – 3 K 3138/15  gänzlich gegen den Steuerpflichtigen: Nach Auffassung des FG war der BFH aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht dazu berechtigt gewesen dem Steuerpflichtigen Vertrauensschutz zu gewähren. Selbst wenn die Anordnung des Vertrauensschutzes verfassungskonform wäre, hätte die vorliegende Darlehensbeziehung nach Ansicht des FG nicht die Voraussetzungen der Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts erfüllen können. Der Steuerpflichtige sei seiner Dokumentationspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Die bilanzierte Darlehensbeziehung allein reiche nicht als Nachweis.

Das Urteil des BFH

Der BFH widersprach der Auffassung des FG in allen Punkten. Wenig überraschend bestätigte der BFH den selbst gewährten Vertrauensschutz als rechtmäßig. Zudem beurteilte er die Dokumentationsanforderungen weit weniger restriktiv als zuvor das FG. Eine im Jahresabschluss bilanzierte Darlehensverbindlichkeit habe Indizwirkung für das Bestehen des Darlehens sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Da durch die Feststellung des Jahresabschlusses die Gesellschafter und die Gesellschaft die dort bilanzierten Rechtsbeziehungen bekräftigten, könne der Jahresabschluss ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellen. Etwaig vorgefallene Bilanzierungsfehler sind unschädlich, sofern diese nicht die für den Sachverhalt relevanten Tatsachen verfälschen.

Auswirkungen für die Praxis – Jahressteuergesetz 2019

In der Praxis ist die erste Frage des Urteils jüngst weitgehend obsolet geworden. Durch das JStG 2019 füllte der Gesetzgeber die Lücke, die durch das Inkrafttreten des MoMiG entstanden war. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes wurde ein neuer § 17 Abs. 2a EStG eingeführt, durch den der Gesetzgeber die Vorschrift des § 17 EStG um eine eigenständige Definition von Anschaffungskosten erweiterte. Unter die Anschaffungskosten fallen demnach ausdrücklich auch eigenkapitalersetzende Finanzierungen des Gesellschafters an seine Kapitalgesellschaft.

 

Der neue § 17 Abs. 2a EStG ist auf Antrag des Steuerpflichtigen rückwirkend anwendbar. § 52 Abs. 25a EStG ermöglicht eine zeitlich unbeschränkte Rückwirkung. Damit sollte der durch den BFH gewährte Vertrauensschutz in den allermeisten Fällen überflüssig sein. Weder die Vertrauensschutzregelung noch die Möglichkeit des freiwilligen Antrags sollten jedoch die Berücksichtigung von Darlehensverlusten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen sperren, sofern die Verluste in beiden Einkunftsarten berücksichtigt werden können.

 

Detaillierte Ausführungen der Autoren zum Thema finden sich in Ausgabe 5/2020 der WPg.