Coronavirus: Was gilt bei Verdachtsfällen, Betriebseinschränkungen und Kita-Schließung?

16.03.2020

Aufgrund der fortschreitenden Ausbreitung des Coronavirus fragen sich viele Arbeitgeber, welche arbeitsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten bestehen und inwieweit sie bei Arbeitsausfall zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind. Ganz überwiegend richten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Maßnahmen aufgrund des Coronavirus nach den allgemeinen Grundsätzen und Regelungen des Arbeitsrechts. Lediglich für den Fall, dass ein Mitarbeiter behördlich unter Quarantäne gestellt wird, existieren Sonderregelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Vorbeugende Maßnahmen gegen Verbreitung des Coronavirus

Zur Vorbeugung einer Ausbreitung des Coronavirus sollten insbesondere die Ansteckungsmöglichkeiten im Betrieb minimiert werden. So können Dienstreisen durch Video- oder Telefonkonferenzen und eine Anwesenheitspflicht im Betrieb, wo dies möglich ist, durch Heimarbeit ersetzt werden. Ferner sollten den Arbeitnehmern Hygieneregelungen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus nahegelegt werden. Dazu gehören etwa gründliches Händewaschen und das Vermeiden von Handschlägen zur Begrüßung.

Erweitertes Direktionsrecht in Notfällen

Bei vermehrten Infektions- und Quarantänefällen kann der Arbeitgeber vor das Problem gestellt werden, dass wichtige Funktionen zur Aufrechterhaltung des Betriebs nicht mehr besetzt sind. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur in Notfällen auch über die durch Arbeits- und Kollektivverträge gesetzten Grenzen hinausgehen. Ob jedoch der Ausbruch einer Pandemie wie des Coronavirus einen solchen Notfall darstellt, wurde noch nicht entschieden. Wenn krankheits- oder quarantänebedingt ein außergewöhnlich großer Teil der Belegschaft ausfällt, wäre dies aber durchaus denkbar. In diesem Fall könnten andere Arbeitnehmer angewiesen werden, auch andere als die nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen zu erbringen, insbesondere geringerwertige Tätigkeiten, soweit diese im Einzelfall zumutbar sind. Auch können die Arbeitnehmer in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes angewiesen werden, Überstunden zu leisten, soweit dies erforderlich ist, um den Betrieb trotz krankheitsbedingter Ausfälle aufrecht zu erhalten.

Freistellung und Urlaubsgewährung

Für Arbeitgeber stellt sich derzeit auch die Frage, wie sie mit Verdachtsfällen außerhalb einer behördlichen Quarantäneanordnung verfahren sollen. Dies betrifft z.B. Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten oder Mitbewohner von Personen, die sich in Quarantäne befinden. Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer, bei dem ein Verdacht oder zumindest ein erhöhtes Risiko einer Infektion besteht, auch gegen seinen Willen und trotz des grundsätzlichen Beschäftigungsanspruchs freistellen. Jedoch bleibt er grundsätzlich zur Lohnzahlung verpflichtet (§ 615 BGB).

 

Wenn ein Mitarbeiter ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweist und deshalb nicht im Betrieb erscheinen soll, kann der Arbeitgeber dem (nicht erkrankten) Arbeitnehmer die Gewährung seiner Urlaubsansprüche anbieten. Hat er allerdings den Jahresurlaub bereits vollständig für andere Zeitpunkte gewährt, scheidet diese Möglichkeit aus. Dies dürfte auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer die Urlaubsgewährung zu diesem Zeitpunkt ablehnt. In Betracht kommt ggf. auch der Abbau von Überstunden.

Betriebsrisiko durch das Coronavirus und Kurzarbeit

Besteht an einem Arbeitsplatz keine Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitnehmer, weil der Betrieb aufgrund des Coronavirus stillliegt, fällt dieses Risiko grundsätzlich in die Sphäre des Arbeitgebers. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber den Betrieb aufgrund behördlicher Verfügungen stilllegen muss. Bei Arbeitsausfall, der in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers fällt, hat der Arbeitgeber das Entgelt grundsätzlich nach § 615 BGB fortzuzahlen.

 

Soweit durch einzelvertragliche oder kollektivvertragliche Regelung vorgesehen, kann in einem Betrieb u.U. Kurzarbeit nach §§ 95 ff. SGB III angeordnet werden. Arbeitsausfälle, die aus Schutzmaßnahmen resultieren, welche aufgrund des Virus angeordnet wurden, beruhen auf wirtschaftlichen Gründen bzw. einem unabwendbaren Ereignis nach § 96 I Nr. 1 SGB III. Sie können so grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Kurzarbeitsregelung fallen. Der den Arbeitnehmern hierdurch entstehende Verdienstausfall wird in diesem Fall nicht vom Arbeitgeber fortgezahlt, sondern von der Agentur für Arbeit.

 

Das Bundeskabinett hat aufgrund der Corona-Krise erleichterte Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld beschlossen. Beispielsweise soll Kurzarbeit bereits möglich sein, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten. Diese Schwelle liegt bisher bei 30 Prozent der Belegschaft. Die Sonderregelungen sollen noch in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten und sind zunächst bis Ende des Jahres 2021 befristet.

Entgeltfortzahlungsanspruch bei Corona-Erkrankung und Quarantäne

Erkrankt ein Arbeitnehmer infolge der Infektion mit dem Coronavirus und ist infolge dessen arbeitsunfähig, hat er gegen den Arbeitgeber grundsätzlich einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung kann jedoch entfallen, wenn den Arbeitnehmer ein Verschulden an seiner Erkrankung trifft. Ein Verschulden des Arbeitnehmers kann insbesondere darin liegen, privat in ein Land zu reisen, für welches bereits eine konkrete Reisewarnung ausgesprochen wurde. Eine Reise in ein Gebiet, für das bloße Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts gelten, soll jedoch für ein Verschulden noch nicht ausreichen.

 

Wird ein Arbeitnehmer dagegen aufgrund des Verdachts einer Infektion unter behördliche Quarantäne gestellt, so greifen die Sonderregelungen des IfSG. Danach ist der Arbeitgeber zwar ebenfalls zur Lohnfortzahlung verpflichtet, jedoch werden die ausgezahlten Beträge auf Antrag des Arbeitgebers von der zuständigen Behörde erstattet. Dies gilt allerdings nur, soweit er nicht aufgrund anderer gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder individualvertraglicher Regelungen ohnehin zu einer Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer verpflichtet ist.

 

Stellt sich etwa in der Quarantäne heraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt ist, so ist umstritten, ob die Quarantäne als Hinderungsgrund vorrangig ist und somit ein Regressanspruch gegen die Behörde besteht. Oder ob der Arbeitgeber in diesem Fall auch aufgrund des EFZG zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist und aufgrund dieser anderen gesetzlichen Regelung ein Regressanspruch ausgeschlossen ist. Stellt sich dagegen heraus, dass der Arbeitnehmer während der Quarantäne gesund war, steht das EFZG mangels Erkrankung einem Regressanspruch gegen die Behörde nicht entgegen.

Entgeltfortzahlung bei Schließung von Schulen und Kitas wegen des Coronavirus

Aufgrund der nunmehr in vielen Bundesländern beschlossenen Schließung von Schulen und Kitas stellt sich für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Frage, was die arbeitsrechtlichen Konsequenzen der dadurch ausgelösten Betreuungsnotfälle sind. Sofern keine anderweitige Betreuung organisierbar ist, wird man davon ausgehen müssen, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung hat.

 

Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht jedoch nicht immer: Gemäß § 616 BGB ist das Entgelt fortzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Danach besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch aber zum einen nur für kurzzeitige Verhinderungen. Bei längerer Verhinderung besteht nach der Rechtsprechung der Entgeltfortzahlungsanspruch insgesamt nicht. Der entsprechende Zeitraum kann z.B. in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag festgelegt werden.

 

Ohne spezielle Regelung wird im Falle erkrankter Kinder in der Regel ein Entgeltfortzahlungsanspruch für bis zu fünf Tage angenommen. Ob die Rechtsprechung dies aber auch für durch den Coronavirus bedingte Betreuungsengpässe annehmen wird, bleibt abzuwarten. Zum anderen kann durch den Arbeitsvertrag oder Kollektivverträge von § 616 BGB abgewichen werden. Ist also vereinbart, dass die Regelung ganz oder in bestimmten Fällen nicht gilt, besteht insoweit auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers.