Das Thema der Reihengeschäfte ist in der umsatzsteuerlichen Praxis ein Dauerbrenner, da es ein hohes Risikopotenzial besitzt. Eine Falschbeurteilung im grenzüberschreitenden Liefergeschäft kann auch für vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen erhebliche steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen, weshalb eindeutige Vorgaben der Finanzverwaltung für eine korrekte Behandlung besonders wichtig sind.
Mehr als drei Jahre nach Änderung der Reihengeschäftsregelungen mit Umsetzung der Quick Fixes liegt nun ein erläuterndes BMF-Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften vor. Mit diesen lang erwarteten Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) reagiert das BMF auf den bereits zum 01.01.2020 eingeführten Abs. 6a in § 3 UstG.
(Nicht mehr ganz so) neue Regelung der Reihengeschäfte im UStG
Im Rahmen der sog. Quick Fixes wurde auf europäischer Ebene erstmals eine Regelung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Reihengeschäften normiert. Der seit dem Jahr 2020 geltende § 3 Abs. 6a UStG setzt die Vorgaben des neuen Art. 36a Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) im nationalen Recht um. Er enthält u.a. die Vermutung, dass ein transportierender Zwischenhändler als Lieferer auftritt, wenn er die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Abgangsstaates verwendet.
Erst im Sommer 2022 veröffentlichte das BMF einen entsprechenden Entwurf zur Anpassung des UStAE, zu dem zahlreiche Verbände Stellung nahmen. Diese Verzögerung ist insbesondere vor dem Hintergrund misslich, dass die korrekte Anwendung der umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften und ein entsprechend angepasstes Verhalten in der Praxis im komplexen Feld der Reihengeschäfte ohne eindeutige Vorgaben der Finanzverwaltung nur schwer erfolgen kann.
Zwar hat das BMF in dem nun veröffentlichten finalen Schreiben teilweise die Kritik aus den Stellungnahmen der Verbände aufgenommen. In wesentlichen Punkten sorgt es aber für weiteres Diskussionspotenzial.
Kriterium der Transportverantwortlichkeit
Das wesentliche Kriterium für die Zuordnung der Warenbewegung ist die Transportverantwortlichkeit, welche derjenige besitzt, der die Ware befördert oder die Versendung veranlasst. Um ein Reihengeschäft kann es sich dabei nur handeln, wenn nur einer der Unternehmer in der Reihe für den Transport verantwortlich ist (nach Verwaltungsauffassung kein sog. gebrochener Transport).
Im Fall der Versendung, d.h. wenn der Transport durch einen selbständigen Beauftragten ausgeführt wird, ist dabei grundsätzlich die Auftragserteilung an den Beauftragten entscheidend. Eine abweichende Zuordnung soll nur möglich sein, wenn der Unternehmer nachweist, dass der Transport auf Rechnung eines anderen Unternehmers erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstandes während des Transports getragen hat. Problematisch erscheint das Erfordernis der Gefahrtragung vor dem Hintergrund, dass es in der MwStSystRL nicht vorgesehen ist. Die Bestimmung der Gefahrtragung kann erhebliche Schwierigkeiten bereiten, wenn verschiedene Rechtsordnungen betroffen sind und die Rolle der Incoterms (International Commercial Terms) unklar ist.
Anders als noch im Entwurf wurde im finalen Schreiben auch ein nicht unmittelbar in die Liefervorgänge eingebundener Spediteur als beauftragter Dritter des Abnehmers anerkannt. Die Verbände hatten kritisiert, dass die Differenzierung zu den Lohnveredelungsunternehmen oder Lagerhaltern, die ebenfalls nicht unmittelbar in die Liefervorgänge eingebunden sind, nicht nachvollziehbar war.
Wahlrecht des Zwischenhändlers durch Verwenden der USt-IdNr.
Verantwortet ein Zwischenhändler den Transport und will er die Warenbewegung seiner Lieferung zuordnen, muss er die USt-IdNr. (bei Ausfuhren ist auch die StNr. ausreichend) des Warenabgangslands verwenden. „Verwenden“ erfordert nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung ein positives Tun des Zwischenhändlers. Auch dies kann zumindest kritisch gesehen werden, da Art. 36a MwStSystRL nicht von einer „Verwendung“, sondern vielmehr von der „Mitteilung“ der USt-IdNr. spricht.
Zu begrüßen ist hingegen, dass das BMF deutlich detaillierter die Modalitäten der Verwendung darstellt. Danach muss die Verwendung der USt-IdNr. des Zwischenhändlers aus dem Abgangsstaat in der Regel bereits bei Vertragsschluss, spätestens jedoch bei Ausführung der Lieferung erfolgen. Möglich ist auch die dokumentierte Erklärung, eine bestimmte USt-IdNr. für alle künftigen Lieferungen verwenden zu wollen. Eine formularmäßig abgedruckte USt-IdNr. genügt hingegen nicht. Eine ausdrückliche Verwendung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Kunde des Zwischenhändlers die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar erklärt hat, die Deklarationspflichten erfüllt werden und die Rechnung einen Hinweis auf die USt-IdNr. des Leistungsempfängers enthält.
Letztlich wurde für den Fall, dass der Gegenstand in das Drittlandsgebiet gelangt, bei der Zuordnung der Warenbewegung zu der Lieferung des Zwischenhändlers der ausdrückliche Hinweis gestrichen, dass spätere Änderungen bei der Verwendung der USt-IdNr. ohne Auswirkung bleiben. Daraus kann nur gefolgert werden, dass auch eine spätere Änderung beachtlich sein soll und somit durch die nachträgliche Verwendung einer anderen USt-IdNr. die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung noch geändert werden kann.
Abschließend hält das BMF fest, dass bei Warenbewegungen, welche auf das Inland beschränkt sind, die bloße Verwendung einer ausländischen USt-IdNr. nicht zu Änderungen hinsichtlich des Lieferorts, der Steuerpflicht etc. führ .
Fazit
Alles in allem greift das BMF-Schreiben mit erheblicher Verzögerung nun doch viele für die Praxis wichtige Hinweise auf. Hilfreich sind insbesondere die neu eingefügten Beispielsfälle, die die Anwendung der Vorgaben anhand von prägnanten Sachverhalten veranschaulichen. Allerdings wurden durch einzelne Anforderungen, wie etwa die Gefahrtragungspflichten, die Unsicherheiten im Bereich der Reihengeschäfte nicht vollständig beseitigt. Ob insofern noch eine Klarstellung durch das BMF erfolgt, bleibt abzuwarten.